Kapitel 7

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Die Nacht über konnte ich kein Auge zudrücken, nachdem was mit Vincenzo passiert ist. Seine Berührungen an meinem Oberschenkel und seine Hand an meinen Hals. Allein das hätte mich schon zum kommen bringen können. Sex ist Macht. Und ich habe verstanden, was er damit meint. Ich wollte nicht, dass er geht. Ich wollte, dass er bei mir bleibt. Wahrscheinlich ist die Lage zwischen ihm und mir jetzt etwas angespannt, aber das ist gut so. Wir sollten uns beherrschen können. Eine ungeschriebene Regel besagt, dass man sich vom besten Freundes seines Bruders verhalten sollte. Nicolas ist anscheinend auch wieder zu Hause, da ich ihn bis oben schreien höre. Was er sagt, versteh ich leider überhaupt nicht, aber da ich mir eh Blumen holen möchte, kann ich ja direkt fragen, was los ist. Schnell ziehe ich mir eine Stoffhose und ein rotes Oberteil an. Eigentlich mag ich es nicht aufzufallen, doch heute fühle ich mich nach etwas Farbe. Etwas viel Farbe.

Als ich die Treppen runter laufe, fallen mir beide angespannten Gesichter direkt ins Auge. Sie sitzen auf der Couch und Vincenzo hat endlich wieder ein Oberteil an. ,,Warum schreist du so rum?", frage ich Nicolas, während ich meinen Hausschlüssel vom Esstisch hole. ,,Geschäftliche Angelegenheit. Wohin gehst du?" ,,Blumen holen." ,,Dein Oberteil", kommt es nun von ihm. ,,Was ist falsch damit?" ,,Es steht dir. Farbe lässt dich aufblühen. Solltest du öfters tragen." ,,Dankeschön." Nicolas erhebt sich von der Couch. ,,Mia piccola gatta." Ich liebe es, wenn er mich so nennt. Wahrscheinlich sieht er sich momentan nach etwas Liebe aufgrund des Stresses, den er von der Arbeit hat. Vincenzos Augen sind nun auch endlich auf mich gerichtet. ,,Vincenzo kann dich auch-" Ich lasse ihn nicht ausreden. ,,Ich schaff das alleine Nicolas", und gehe dann Richtung Haustür. ,,Sole." Ich drehe mich zu Vincenzo um. ,,Hier, nimm mein Auto. Geht schneller." Geht schneller? Warum denn das? Ich kann auch laufen. Ist mir doch egal. ,,Ich kann auch-" ,,Nimm das verfickte Auto." Nichtssagend reiße ich ihm die Schlüssel aus der Hand. ,,Nimm das verfickte Auto", äffe ich ihm nach und steige dann ein. Warum lässt er mich überhaupt sein Auto fahren? Könnte doch aus sein, dass ich eine äußerst schlechtere Autofahrerin wäre. Dieser Hund. Erst mal muss ich den Sitz passend einstellen und mich mit meinem Handy verbinden und dann fahr ich direkt los. Um ehrlich zu sein, konnte ich es nicht lassen, ein paarmal aufs Gas zu drücken. Die Blicke der Menschen erstrecht der Kerle waren unbezahlbar. Bei Frau Jones im Laden hole ich dann meine Lieblingsblumen ab. Pfingstrosen. Sie sind wunderschön und ich finde, dass sie auf irgendeine Art und Weise zu mir passen. Im Auto lege ich diese auf den Beifahrersitz. Soll ich am Buchladen vorbeifahren? Nein, denn ich will nicht auf die verfickte Schlampe treffen, die nicht mal gekündigt hat. Das heißt, dass ich mir nach den schönen sechs Wochen woanders einen Job suchen kann. Mal schauen. Der Blumenladen von Frau Jones wäre echt nicht schlecht. Ich liebe Blumen und ich versteh mich sehr gut mit ihr. Sie ist schon etwas älter, da könnte sie bestimmt etwas Unterstützung gebrauchen. Meine Gedanken stecke ich direkt beiseite und konzentriere mich auf die Straße.

,,Ging schnell", kommt mir die Stimme entgegen, als ich die Haustür öffne. ,,Ist mein Auto noch komplett?" ,,Ne. Hab es zu Schrott gefahren." Genervt werfe ich ihm die Autoschlüssel zu und stelle die Blumen nun in eine große Vase. ,,Schon wieder Pfingstrosen?" ,,Du weißt doch, dass es meine Lieblingsblumen sind." ,,Sole kann nicht ohne Blumen. Sie müssen jede Woche neu aufgefrischt sein und am besten genau diese Pfingstrosen. Wehe man bringt ihr typische Rosen oder irgendein anderes, wie sie es so gerne nennt Unkraut." ,,Sie ist halt komisch." Was? Ich komisch? Will der mich verarschen? ,,Nicolas, hast du außerhalb deines nervigen Freundes hier eigentlich auch noch andere normale und eventuell auch gut aussehende Kollegen?" Die Aussage gefällt Vincenzo so gar nicht. ,,Gut aussehender als Vincenzo? Ne sowas gibt es nicht", kommt es nun von meinem Bruder. ,,Ihr seid beide so ekelhafte Wichser." Ich bin genervt und bekomme nächste Woche meine Tage. Kurz gefasst: Ich bin eine Woche früher schon mega gestresst und nicht gut drauf. Sauer laufe ich in mein Zimmer hoch. Sollte ich schlafen, lesen oder schreiben? Was soll ich machen? Klavier spielen? Aber dafür müsste ich wieder runtergehen. Die Tür zu meiner Etage reiße ich ganz fest auf. ,,Nicolas, mach das Klavier sauber, ich will spielen", schreie ich runter mit dem Gewissen, dass er es auch machen wird. Er liebt es, wenn ich Klavier spiele und das habe ich schon sehr lange nicht mehr getan. Oft passiert es, wenn ich einen emotionell und nervenaufreißenden Tag hatte, dennoch sehne ich mich genau jetzt danach. Als meine Ma und mein Vater noch zusammen wohnten, schickte sie mich und Nicolas immer zum Klavierunterricht, nur damit wir nicht mit bekamen, wie schrecklich unser Vater mit ihr umging. Wir hassten es, aber ich entwickelte dann irgendwann eine Liebe. Musik tut mir gut. Man kann damit seine Gefühle ausdrücken und das ist so schön. ,,Bist du traurig oder warum willst du spielen?", fragt mein Bruder mich besorgt. Ich schüttele den Kopf. ,,Fühle mich gerade danach." ,,Je te laisserai des mots?", fragt er mich dann. Das ist sein absolutes Lieblingsstück von mir. ,,Wenn du das so möchtest", gebe ich von mir und laufe zum Klavier. Ein klassisch weißes Klavier, welches Nicolas mir letztes Jahr zum 18 Geburtstag geschenkt hat. Der Gedanke daran, wie viel Geld er dadurch verloren hat, schmerzt mir immer wieder aufs Neue in der Brust. ,,Ist dein Freund weg?", frage ich dann und setze mich auf den Hocker. ,,Nein, er duscht nur." Kurz probe ich ein paar Töne und dann fange ich auch schon an.

Nicolas klatscht voller Freunde in die Hände. ,,Sole, du bist eines der schönsten Dinge, die mir passieren konnten." Verdammt. Musste er das sagen. Tränen überfluten so langsam mein Gesicht. ,,Hör auf zu weinen. Du sollst es nur tun wenn du traurig bist und das ist nichts trauriges ganz im Gegenteil." Langsam wischt er mir die Tränen aus dem Gesicht. ,,Ich muss jetzt gehen." ,,Schon wieder? Du hast Urlaub und hast bestimmt nicht mal ein Auge zu bekommen." ,,Sie brauchen mich. Außerdem werde ich so besser bezahlt." ,,Ist oke", gebe ich echt gebrochen von mir. ,,Sole, ich-" ,,Geh arbeiten", unterbreche ich ihn und erhebe mich, um mir in der Küche einen Kaffee machen zu gehen. Das einzige, was ich höre, ist die zufallende Tür und dann ein ganz lautes ,,Fuck". Vincenzo kommt aus dem Bad spaziert. Im offenen Hemd und Anzugshose und er sieht verdammt heiß aus. Unsere Blicke treffen sich. ,,Brauchst du Hilfe?", frage ich, als ich merke, dass er die Knöpfe seines Hemdes nicht zu bekommt. ,,Wäre gut."  ,,Dann komm her, du willst was von mir und nicht ich von dir." ,,Du bist-" ,,Halt deine fresse und komm jetzt endlich her. Kein anderer in dem Haus wird dir jetzt helfen. Nicolas ist auch schon wieder weg." Genervt von meiner Aussage kommt er auf mich zu und dieser Größen Unterschied ist echt eine Qual. ,,Wohin gehst du?", hinterfrage ich und Knöpfe sein Hemd langsam zu, so das meine scharfen Nägel ein bisschen in seine Haut dringen. ,,Du spielst gut. Klassisch aber gut." ,,Magst du kein klassisch?" ,,Ich spiele E-Gitarre. Alle klassischen Lieder kombiniere ich zu einer moderner Variante. Verstehst du kleines?" Ich nicke nur und Knöpfe sein Hemd dann zu Ende zu. ,,Danke." ,,Ich bin nicht fertig", sage ich und mustere ihn noch mal. Die ersten beiden Knöpfe seines Hemdes öffne ich nun. ,,Sieht so besser aus." Im Spiegel geht er sich dann selber Mustern. ,,Sagst du mir jetzt, wohin du gehst." ,,Ich habe ein Date.". Ein kleiner Stich in meinem Herzen kommt auf. ,,Soso ein fick Date also." Er muss leicht grinsen. ,,Gibt es irgendwelche Probleme damit?" ,,Nein nein. Warum denn? Dann langweile ich mich eben alleine." ,,Gut." Gut? Dieser Bastard. ,,Ruf nur an, wenn es wichtig sein sollte." ,,Hast du Angst, dass ich dich stören werde? Das werde ich schon nicht. Du allein wirst schon ohne das ich etwas tun muss an mich denken. Kleiner." Ich hocke mich auf die Couch und wie bei Nicolas höre ich nur eine fallende Tür. Eine sehr stark zufallende Tür. Ein kleiner power nap wäre jetzt echt gut.

Zwei Stunden geschlafen und wow tat es tat wirklich gut. Die Zeit verging und verging, dass wir bereits schon spät am Abend haben. Mir kommt gerade so eine kleine witzige Idee in den Kopf. Warum stören wir unseren nervigen kleinen Kumpel nicht doch ein bisschen. Ich wähle wieder die Nummer und lass es fünfmal anklingeln. Beim sechsten Mal nimmt er endlich ab.

,,Und schon an mich gedacht?", gebe ich ironisch von mir.
,,Du solltest nur anrufen, wenn es wichtig ist." Er klingt komisch. Etwas überanstrengt wenn man mich fragt.
,,Ich habe nur so langweile Kleiner." Ich weiß, wie sehr ihm das Wort Kleiner auf die Nerven geht. „Um ehrlich zu sein. Ich will nicht alleine sein. Wann bist du hier?"
,,Fuck, Sole", höre ich ihn nur zischen. Im Hintergrund höre ich noch andere Geräusche. Ein quietschen und ein scheiß stöhnen.
,,Warum zum fick nimmst du ab, wenn du gerade dabei bist, eine Nutte zu bumsen." Im Hintergrund höre ich nur den Namen Vincenzo schreien und stöhnen. Wieder dieses komische stechen in meiner Brust.
,,Ich- Ich kann jetzt nicht, wir reden später."
Er legt auf. Er legt einfach auf. Ein Komisches Gefühl übernimmt meinen ganzen Körper. Es ist Eifersucht.

Eifersucht, dass ihn jeder haben kann, außer ich.

Dark SecretsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt