Kapitel 9

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Vincenzo:

Nicolas bringt mich um, wenn er weiß, dass wir uns geküsst haben. Er würde mir eine Kugel durch den Kopf knallen lassen. Ich bin mir zu 100% sicher.

In einer Bar außerhalb von London bespricht Nicolas gerade einige geschäftliche Angelegenheiten. Als ich diese betrete, ist keine Menschen Seele zu sehen. Wir zahlen dafür, dass unsere Gespräche nur mit den Kunden stattfinden und niemand anderes in Reichweite ist. Und falls wir nicht zahlen, sorgen wir selbstständig dafür. Ohne ein Wort zu sagen, nehme ich in einem größeren Raum, der sich im hinteren Teil der Bar befindet, neben Nicolas Platz. Meine Waffe, die ich im Kofferraum meines Motorrads vor Sole versteckt habe, lege ich lässig auf den Tisch. ,,Wo liegt das Problem meine Herrschaften?", frage ich nun angespannt in die Runde. ,,Das Problem ist, dass ihr zu viel Geld verlangt." Er hat also nach seinem Verhalte zu beurteilen das sagen. ,,Zu viel? Wir sind noch die günstigsten auf den Markt. Außerdem seid ihr schon gut zwei Jahren Kunde und habt nie über die Preise gejammert. Seid ihr von harten Männern nun zu langweiligen Pussys geworden?", fragt Nicolas. Er ist angespannt und eigentlich ist er der ruhige von uns beiden, aber diesmal scheint es so, als wäre ich es. Um den Kerl mach ich mir nämlich weniger Sorgen. Mir geht es allein ums Geld. Wir haben zwar viel Einkommensquellen, jedoch empfinde ich es für unnötig, wenn diese absteigt.
,,Reiß dich zusammen. Hast du vergessen wer sie sind?", kommt es nun von dem kleinen mickrigen Kerl, der schräg gegenüber von mir sitzt. ,,Mir egal wer die sind. Wo ist das Gesicht? Der Mann, der hinter den ganzen Drogengeschäften steckt? Wo zum Fick ist er?"
,,Du sitzt vor ihnen", antwortet Nicolas ihm. Nun erhebt sich der Kerl in der Mitte. Klares Signal für mich. ,,Ich zahl den Bastarden gar nichts." *Knall eines Schusses* ,,Also Jungs wie sieht's aus. Bleibt ihr weiterhin im Geschäft oder steigt ihr ebenfalls wie euer toter Kollege aus?" Ich hab ihn abgeknallt. Ich. Schon wieder ein toter. Schon wieder eine Leiche, die wird untertauchen lassen müssen. Aber es tut mir nicht leid. Wenn ich nicht bekomme, was mir zusteht, werde ich böse. So richtig böse. ,,Ist schon gut. Wir befinden uns weiter im Geschäft. Das Geld ist morgen auf ihrem Konto. Die Drogen werden im Ausland weiterhin verhandelt", sagt der mickrige Kerl mit zitternder Stimme. ,,Haben wir unsere Probleme jetzt also gelöst?" Beide nicken. ,,Gut. Nicolas ruf Luke, Coop und Carlino an. Sie sollen die Leiche des Bastards auf der Stelle beseitigen."

Es gibt eine Regel in dieser Branche. Überleben oder getötet werden. Und lieber nehme ich Leben, als das mir meines genommen wird. Ich habe eine kleine Schwester zu versorgen und kann es mir nicht, leisten jetzt zu verrecken. Ich muss überleben.

Draußen zünde ich mir wieder eine Kippe. ,,Ich hätte ihn früher oder später sowieso abgeknallt", kommt es von Nicolas, der mir die Kippe aus der Hand nimmt, um selbst dran zu ziehen. ,,Ich habe überlegt, für eine Woche zu verschwinden Fra. Die anstehende Woche bleibe ich noch aber danach. Denke es wird mal Zeit. Luke und ich planen Kroatien ein."
Ich will auch verschwinden. Am besten für eins, zwei Monate. ,,Nimmst du die Kleine dann mit?" ,,Nein die bleibt hier. Du weißt doch, die Frauen in Kroatien sind brutal. Mit meiner wunderschönen kleinen Schwester an der Seite hätte ich überhaupt keine Chance." ,,Das heißt, ich muss auf sie acht geben." Er nickt. ,,Ich dachte, du könntest sie ein bisschen ablenken. Sie hat es schwerer, als man sich vorstellen kann. Nimm sie mit zu dir oder wohn in der Zeit bei uns." ,,Gut. Hab die jetzige Woche über Francesca bei mir heißt bin nicht wirklich vor Ort, wenn's um geschäftliche Angelegenheiten geht. Dachte das ich mit ihr in den Freizeitpark oder sowas fahre." Still schauen wir beide in den Himmel. ,,Wir haben mehr Feinde, als wir uns erlauben können." Ich nicke. ,,Aber wir, wir sind die stärksten", antworte ich und ziehe ihn in eine brüderliche Umarmung. Es schmerzt. Er vertraut mir seine kleine Schwester an und ich Bastard. Ich bin ein Arsch. ,,Fährst du zu ihr? Ich komme erst etwas später. Muss im Club noch einiges erledigen." ,,Bis dann."

Ich will gerade nichts anderes, als bei ihr zu sein. Nicolas gab mir seinen Schlüssel. Unten ist kein Licht an, also befindet sie sich in ihrem Zimmer. Ich schaue nach, doch da ist sie auch nicht. Aus ihrer kleinen Bibliothek höre ich leise Musik. Langsam mache ich die Tür auf und da steht sie. In knappen Shorts und einen engen Top. Es läuft -Leaving Tonight von The Neighbourhood- Wir haben definitiv den gleichen Musikgeschmack.
,,Oh, hey", gibt sie verlegen von sich und legt die Bücher, die sie in der Hand hält erstmal auf den Boden. ,,Bin gerade am umsortieren. Alles okey bei dir?" Ich nicke und ich will sie küssen. ,,Setz dich ruhig." Sie ist wunderschön. ,,Ist Nicolas schon da?" ,,Nein." Zurückhaltend kommt sie auf mich zu und lässt sich dann neben mich nieder.
,,Was habt ihr gemacht?" ,,Er hat nur kurz meine Hilfe benötigt." Sie ist komisch. Irgendwie zurückhaltend. ,,Was ist?", frage ich und hebe ihr Kinn an. ,,Nicolas hat mir vorhin geschrieben, dass er in einer Woche nach Kroatien fliegt. Ich finde es nicht mal schlimm, er soll ruhig seine Zeit dort genießen, nur ich will nicht alleine bleiben." Sie hat anscheinend sehr große Angst vor dem alleine sein und ich würde gerne wissen, weshalb. Nicolas hat recht. Sie hat es schwerer, als man denkt. Obwohl sie selbst immer auf stark macht, steckt in ihr ein ganz weicher und zerbrechlicher Kern. ,,Du wirst nicht alleine bleiben, weil ich da sein werde okey?" Sie nickt und mustert mich dann sanft. ,,Was ist los mit dir? Du wirkst so angespannt." Ja das liegt daran, dass ich gerade wieder jemanden umgebracht habe und dieses Jahr schon jede Menge Menschen auf den gewissen sitzen habe. ,,Es ist kompliziert. Nicht der Rede Wert." ,,Doch. Rede mit mir." ,,Ich muss mir meine Gedanken richten. Ich muss einfach mal abschalten Kleine. Ich weiß momentan nicht, was richtig und falsch ist. Wo links und rechts ist. Verstehst du? Mein Kopf ist überall, aber nicht da wo er sein sollte." ,,Hast du Hunger? Ich mach dir etwas zu essen." Sie zieht mich an ihrer Hand die Treppen runter. Erst fordert sie mich auf zu reden und dann lässt sie das Thema links liegen. ,,Ich koche und du redest ja? Aber erst mal was möchtest du essen. Ein Salat oder etwas süßes? Oh lass uns Pfannkuchen essen. Du wirst sie lieben. Bitteeee", fleht sie. Ich nicke. Sie lächelt und dieses Lächeln ist unbezahlbar. Ich nehme auf den Barhocker der Kücheninsel Platz.
Sie versucht mich abzulenken.

,,Du wohnst also alleine? Wie sieht es mit deinen Eltern aus? Leben sie woanders? " Eine scheiß Frage. ,,Ja kann man so sagen." Nein, sie sind tot und in Italien begraben. ,,Aber deine Schwester wohnt hier?" ,,Ja bei meiner Tante." ,,Redest du mit Nicolas über deine Probleme?" Ja früher. Er war damals mein Licht. Das einzige Licht, welches ich in all der Dunkelheit gesehen habe.
,,Ab und zu. Ich rede nicht gerne über meine Angelegenheiten." Ich schaue zu, wie sie den Teig zubereitet. Alles was sie tut, sieht so einfach aus. Selbst das Eier aufschlagen. Keine einzige Schale im Teig. Keine einzige. ,,Ich weiß, dass vertrauen schwierig ist, aber du musst dir jemanden suchen, bei dem du Zuflucht hast."
Ich habe doch dich. ,,Jemand der dich trotz deiner sturen und manchmal bösen Art versteht und eventuell auch liebt." Liebt? ,,Keine Liebe." ,,Wurde dir etwa schon das Herz gebrochen?" ,,Nein." ,,Was dann?"
,,Liebe ist eine Waffe. Wenn man mich fragt, die gefährlichste Waffe." Nachdenklich gibt sie den Teig in die Pfanne. Einen nach dem anderen. Sie hat jede Menge Teig gemacht. ,,Glaubst du an Liebe? Ich meine, glaubst du daran, dass es sie wirklich gibt?" Ja, denn sie steht direkt vor mir. ,,Es ist schwierig. Das können nur die Menschen beurteilen, welche die Liebe schon mal erlebt haben." Sie holt zwei Teller aus einen der Schränke und Sprühsahne. Nun stapelt sie so etwa fünf Pfannkuchen aufeinander, sprüht den obersten mit der Sahne ein lächelndes Gesicht auf und schiebt den Teller dann zu mir rüber. Sie ist wirklich etwas besonderes. ,,Du solltest mehr lächeln. Es steht dir." Dank deiner Anwesenheit kann ich mir mein Lächeln ab und zu nicht verkneifen. ,,Was ist mit deinen Pfannkuchen? Wo ist da das lächelnde Gesicht?" ,,Es gibt keins." ,,Komm her." Ich greife zur Sahne und sprühe ihren Pfannkuchen ein Herz hin. Ein Herz. Warum auch immer ich es getan habe. ,,Ein tolles Herz Vincenzo", sagt sie lächelnd.

Ja, ein tolles Herz. Mein Herz.

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