Staunend sah Penny aus dem Autofenster. „Wow. Wem gehört denn das riesige Haus da oben auf dem Berg?"
„Ich glaube, du hast den Besitzer neulich als ‚König Drosselbart' bezeichnet."
„Was?" Fassungslos starrte sie DJ an, der ihren Blick mit einem amüsierten Funkeln in den Augen erwiderte. „Das Schmuckstück gehört diesem unansehnlichen Software-Heini?"
„Jap."
„Das ist doch nicht wahr ... Ich muss in die Einöde und der lebt hier in Saus und Braus. Hätte ich mich bloß für ihn entschieden."
Darauf zuckte DJ nur mit den Schultern. „Hättest du wohl tun sollen. Dann könntest du jetzt dort oben auf einem gemütlichen Sofa vorm Kamin sitzen und sein neustes Spiel testen."
Das wäre definitiv besser als die Alternative, dachte Penny. Da müsste sie bloß auf sich selbst und ihren Avatar aufpassen, statt auf irgendwelche Problemkinder ...
Beim nächsten Blick aus dem Fenster staunte Penny sogar noch mehr. Auf einer weitläufigen Koppel graste eine Herde wunderschöner Araber friedlich in der Sonne.
„Wem gehören denn diese Pferde?", fragte sie ehrfürchtig.
„Ach die. Die gehören auch König Drosselbart."
„Wirklich?" DJ nickte zustimmend. „Dann hätte er mich vielleicht auf einem von ihnen reiten lassen, wenn ich ... ein bisschen freundlicher gewesen wäre."
„Vermutlich. Er reitet gern mit seinen Gästen aus und besucht uns manchmal im Wald", meinte ihr Begleiter schulterzuckend. Ihn schien das nicht weiter zu kümmern, doch Penny ließ den Kopf hängen.
Seit ihrer Kindheit hatte sie nicht mehr auf einem Pferd gesessen. Zu gern hätte sie die Chance gehabt, diese schönen Erinnerungen aufzufrischen. Doch dafür war es nun zu spät.
„Hätte ich doch nur den König Drosselbart genommen", murmelte Penny leise vor sich hin. Dieses Mal erwiderte DJ nichts. Er musterte sie nur stumm.
„Wir sind gleich da", verkündete der junge Mann, als er nach einer gefühlten Ewigkeit den Blick abwandte.
Penny sah nun ebenfalls nach vorn und riss im nächsten Moment die Augen auf. „Oh." Das war atemberaubend. Und wenn sie nicht alles täuschte ... „Lass mich raten. Der See gehört auch König Drosselbart – samt Steg und Boot."
„Du hast es erfasst", gab DJ grinsend zurück. „Aber wir dürfen mit den Kids alles hier nutzen. Also keine Bange, du kommst auch ohne deinen König Drosselbart zu einer Bootstour."
„Meinen König Drosselbart? Das hätte er wohl gern", grummelte Penny vor sich hin. Doch in Wahrheit war es genau umgekehrt. Sie wäre viel lieber bei diesem etwas ungepflegten Kerl und würde über seinen Hilfsfond reden, als hier in der Wildnis mit Kindern arbeiten zu müssen. Damit hatte sie überhaupt keine Erfahrung.
Und ohne Internet war sie sowieso aufgeschmissen. Ihr ganzes Leben spielte sich online ab.
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Gesten sagen mehr als tausend Worte
Short StoryKönig Drosselbart einmal anders ... Auf Social Media ist Penny eine Prinzessin, doch ihre herablassende Art sorgt Stück für Stück dafür, dass ihre Beliebtheit nachlässt. Selbst Pennys gutmütiger Marketing-Berater hat eines Tages die Nase voll und ve...