Kapitel 8

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Alex' POV

Ich wusste nicht, wieso ich nach Keaton's Hand griff, doch als ich es tat, stieg mir die Röte ins Gesicht.

Auch er wurde rot und ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen.

Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte, aber Keaton war besonders. weil er die Welt und all die Dinge hier anders betrachtete. Er fühlte und hörte sie. Und das tat er auf eine Art und Weise wie ich es nie hinbekommen könnte.

"Vorsicht, hier kommen drei Treppenstufen," warnte ich Keaton vor.

Instinktiv griff seine freie Hand nach dem Geländer an der Seite. Oben angekommen ließ ich seine Hand wieder los.

Ich holte meinen Schlüssel aus meiner Tasche, doch bevor ich die Tür aufschloss, drehte ich mich noch einmal zu Keaton. "Ich hoffe du hast keine Angst vor Hunden?" fragte ich. Dass hätte ich eventuell auch früher fragen können, anstatt im allerletzten Moment.

Keaton lachte kurz, schüttelte dann aber seinen Kopf. "Ich liebe Hunde."

Ich hätte wetten können, dass er sich freute, meinen Hund kennenzulernen. "Perfekt, würd ich sagen."

Im Hausflur streifte ich mir meine Schuhe ab, Keaton tat das gleiche.

"Bin im Wohnzimmer, Schatz!" rief meine Mom und zusammen mit Keaton folgte ich ihrer Stimme und fand sie schließlich auf dem Sofa, wie sie in irgendeinem Klatschmagazin las. "Unvorstellbar, dieser reiche Klugscheißer-Sohn Cedric West ist schon wieder auf der Titelseite!" beschwerte Mom sich, noch bevor sie überhaupt aufgesehen hatte.

Ich konnte einen Blick auf das Magazincover werfen: Ein Teenager, ein oder zwei Jahre älter als ich, völlig besoffen mit verschmiertem Hemd irgendwo in einem viel zu teuren Club am Tanzen. Ich schüttelte nur lachend den Kopf. "Mom, das ist übrigens Keaton." stellte ich Keaton nun vor, da Mom ihn immer noch nicht gesehen hatte.

Erst jetzt sah sie mich und danach Keaton an. Schnell legte sie das Magazin zur Seite und stand vom Sofa auf um Keaton die Hand zu reichen. Da er das nicht sah, senkte sie ihre Hand wieder. "Hi! Ich bin Claire, Alex' Mutter. Und du bist Keaton, richtig?"

Keaton nickte. "Genau. Ich danke für die Einladung. Es hat mich sehr überrascht. Positiv natürlich."

Ich erkannte, dass Keaton sich Mühe dabei gab, zu versuchen, so gut wie er es einschätzen konnte, in Mom's Gesicht zu sehen. Aus reiner Höflichkeit.

"Freut mich dich kennenzulernen! Möchtest du was trinken?" fragte Mom direkt und wechselte mit einem Lächeln den Blick zwischen Keaton und mir.

"Gerne, ein Glas Wasser wäre gut," sagte er.

Mom verschwand in die Küche.

"Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen," sagte ich und Keaton hielt mir seine Hand hin, die ich ergriff, um ihn langsam durchs Wohnzimmer zu führen. Wir setzten uns auf das Sofa, ich raschelte mit einer Tüte. "Kit! Komm her, wo hast du dich versteckt mein Kleiner?" fragte ich und schon tapste ein weiß-brauner Border Collie auf mich zu. "Keaton? Das ist Kit, mein Hund."

Kit schnupperte schon neugierig an Keatons' Bein. Mit einem Lächeln fing Keaton an, ihn hinter den Ohren zu kraulen und zu streicheln, was Kit offensichtlich sehr mochte.

"Er ist für mich jemand ganz besonderes," sagte ich.

Keaton sah in meine Richtung, das Fragezeichen stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.

"Kit ist auch blind. Naja, ein wenig Sehkraft ist ihm noch geblieben, aber er sieht alles wie hinter einem dichten Schleier," erklärte ich und legte meine Hand auf den Kopf meines Hundes. Kurz berührten sich unsere Fingerspitzen und ein unkontrollierbares Lächeln schlich sich unbemerkt auf meine Lippen.

"Na, du? Wie kommst du denn damit klar nichts zu sehen, hm?" fragte Keaton. Er ließ sich von Kit die Wange abschlecken und lachte.

Meine Mom kam gleich mit drei Gläsern Wasser wieder und setzte sich gegenüber von uns auf einen Sessel.

Höflich bedankte sich Keaton und tastete nach dem Glas. Erst wollte Mom ihm helfen, doch ich schüttelte den Kopf. Keaton hatte mir erzählt, dass er die Hilfe von anderen für einfache Dinge nicht brauchte und ungerne annahm.

Mom nickte und lehnte sich wieder zurück.

"Und du bist im selben Jahrgang wie Alex?" eröffnete Mom das Gespräch.

Keaton sah wieder hoch. Er hatte sich zuvor schon wieder zu Kit gewandt, der mittlerweile aufs Sofa gesprungen war und sich neben Keaton hingelegt hatte, um sich weiter streicheln zu lassen.

"Ja, genau. Wir sitzen nebeneinander," antwortete Keaton.

"Also bist du ja auch nächstes Jahr mit der Schule durch. Schon eine Idee, was du machen möchtest?"

Er schüttelte den Kopf. "Nein, da habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es ist auch nicht all zu einfach etwas Passenden zu finden, was einem Spaß macht und für blinde Personen geeignet ist." Keaton ging gegenüber mir und meiner Mom ziemlich locker mit seiner Blindheit um.

Mom überschlug ihre Beine und faltete ihre Hände in ihrem Schoß, während sie Keaton aufmerksam zuhörte. "Das kann ich mir vorstellen. Was wäre denn dein Traumberuf, wenn du alles werden könntest was du möchtest?"

Keaton musste lächeln. "Tierarzt. Definitiv Tierarzt." Er ließ seine Hand über das Fell von Kit streichen.

Da er so breit lächelte, musste ich es auch tun. Einfach ganz automatisch.

"Ich sehe schon, du magst Tiere sehr gerne. Hast du auch welche? Vielleicht einen Blindenhund?" fragte Mom weiter.

"Oh, nein, einen Blindenhund habe ich nicht, andere Haustiere leider auch nicht. Mein Dad ist, was Tiere angeht, recht Allergieanfällig," erklärte Keaton.

Ich sah ihn von der Seite an. Er hatte eine süße kleine Stupsnase.

"Und dürfte ich dich fragen, wie du seine Sehkraft verloren hast?" fragte meine Mom ganz vorsichtig. Auch wenn ich neugierig war, hätte ich mich nicht getraut ihn das zu fragen. Es war bestimmt ein sensibles Thema.

"Ich habe als Kind eine Krankheit bekommen, die die Netzhaut Stück für Stück beschädigt. Innerhalb von drei Jahren habe ich allmählich meine Sehkraft verloren bis sie vor 7 Jahren schließlich ganz weg war," sagte er.

Etwas Schweres zog sich in meiner Brust zusammen. Es musste schrecklich gewesen sein. Zu wissen, dass man irgendwann blind wäre und jeden Tag etwas weniger sehen zu können.

"Früher hatte ich eine sehr große Brille, doch irgendwann half sie nicht mehr. Ich bin froh, diese Brille nicht mehr tragen zu müssen," fügte er hinzu.

"Ja, das kann ich mir vorstellen. Fühlt sich bestimmt besser an," sagte Mom.

Ich stimmte ihr zu. Zu sehen, dass Keaton sanft lächelte, brachte mich ebenfalls erneut zum Lächeln.

"Also Jungs, wollen wir anfangen zu kochen?"

Aus anderen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt