Kapitel 13

211 12 0
                                    

Keaton's POV

Es war Freitagnachmittag. Ich hatte mir von Maverick einen Koffer geliehen und ihn gefragt, ob er mir beim Packen helfen könnte. Er schien immer noch nicht begeistert von meinem Ausflug mit Alex zu sein, dennoch sagte er nicht Nein, als ich ihn um Hilfe bat.

Maverick durchwühlte meinen Kleiderschrank und legte passende Outfits in den Koffer, während ich im Badezimmer meine Sachen zusammensuchte.

"Du magst Alex," sagte Maverick, als ich ihm meinen Beutel mit den Sachen aus dem Bad reichte.

"Ja. Ich mag ihn. Er ist nicht so, wie du denkst," sagte ich und verschränkte die Arme, während ich mich aufs Bett setzte.

Ich hörte Maverick seufzen. "Okay, hör zu..." fing er an. Er setzte sich neben mich. "Ich gebe ihm eine Chance, okay? Ich sehe, dass du ihn magst und offensichtlich mag er dich auch."

"Wirklich?" fragte ich überrascht. Ich hatte eher damit gerechnet, dass mein Bruder Alex bis an sein Lebensende nicht ausstehen könnte.

"Wirklich. Aber wehe, er verarscht dich, dann kann er sich auf etwas gefasst machen," warnte mich Maverick.

Ich lachte. Ich wollte ihm gegen die Schulter boxen, doch ich schlug daneben.

"Versuchs nochmal," sagte Maverick, ebenfalls lachend.

Ich hatte es die letzten Tage vermisst, mit meinem Bruder zu reden und zu lachen. Um so fröhlicher war ich, dass er Alex jetzt doch endlich eine Chance gab. Immerhin tat Mom es auch und das freute mich. Das freute mich sehr.

"Ich glaube wir sind fertig. Wann wirst du abgeholt?" fragte Maverick, während er den Koffer über den Boden schob.

"Um 15 Uhr," sagte ich und drückte auf einen kleinen Knopf an meinem digitalen Wecker.

Es ist 14:45 Uhr, erklang die elektronische Stimme. Ich stand auf.

Maverick begleitete mich samt Koffer ins Wohnzimmer, wo sich auch mein Dad aufhielt. Ich hatte ihn diese Woche kaum gesprochen, er schien im Moment immer bis abends am arbeiten zu sein.

Er war Psychologe und Therapeut, und bekam anscheinend viele "Notfall" Anrufe von seinen Patienten. Das hatte er mal vor mehreren Wochen erwähnt.

"Na, wo geht es denn für euch hin?" fragte Dad, als ich mich auf die Treppenstufen setzte und meine Schuhe suchte.

"Keaton fährt mit einem Freund übers Wochenende weg," ergriff mein Bruder das Wort und ich nickte.

"Sehr schön, viel Spaß. Ich muss jetzt leider auch wieder los. Ich dachte ich mache meine Mittagspause heute mal Zuhause." Ich hörte, wie er sich seine Schlüssel schnappte und das Haus verließ. Bevor jedoch die Tür ins Schloss fiel, rief er: "Ich glaube dein Taxi ist da!"

Ich war gerade von der Treppe aufgestanden, wollte Maverick fragen, ob Dad schon länger so komisch drauf war, oder ob ich mir das ganze bloß einbildete, als ich Alex' Stimme auch schon an der Türschwelle wahrnahm.

"Hey." sagte er und brachte mich mit diesem einfachen Wort schon zum lächeln.

"Hey."

"Kann's losgehen? Meine Mom wartet im Auto auf uns," sagte er.

Ich tastete nach meinem Koffer.  "Ich bin bereit." sagte ich und hielt Alex meine Hand hin, die er ergriff.

"Perfekt."

"Viel Spaß," wünschte uns Maverick.

Mit einem kleinen Lächeln sah ich noch einmal in die Richtung von meinem Bruder und ging schließlich zusammen mit Alex zum Auto. Claire war ausgestiegen und begrüßte mich sogleich.

"Wie geht's dir? Alles gut soweit?" fragte sie.

Während Alex meinen kleinen Koffer in den Kofferraum einlud, öffnete Claire für mich die Autotür und ich stieg mit einem kurzen "Hi, alles bestens." hinten ein.

"Wie lange fahren wir?" fragte ich aus purer Neugier, als wir die Einfahrt verließen.

"So circa eine Stunde. Es ist etwas weiter weg, aber dort haben wir unsere Ruhe," antwortete Alex auf meine Frage.

Kurz danach ertönte die Stimme von Cautious Clay aus den Musikboxen. Es war eines der Lieder, die irgendwie kaum einer kannte, außer Alex und ich. Wildfire.

Fast automatisch begann ich, zu der Melodie zu summen und schnell stieg Alex mit ein. Ich konnte spüren, wie mein Lächeln schon gar nicht mehr verschwand. Ich fühlte in diesem Moment einfach so viel. Ich war aufgeregt, neugierig und einfach nur glücklich. Ich freute mich auf das Wochenende, es war noch warm draußen. Selbst nachts blieb es warm. Obwohl der Sommer bald zu Ende war, schien Mutter Natur jetzt noch nicht an den Herbst zu denken.

Die Fahrt mit Claire und Alex im Auto war lustig und ließ mich schon beinahe meine Orientierungslosigkeit beim Autofahren vergessen.

"Wir sind da," sagte Alex' Mom irgendwann. Nie zuvor war eine Stunde fahren so schnell rumgegangen wie an diesem Tag. Das Auto stoppte und der Motor ging aus.

Ich schnallte mich ab und tastete nach dem Türgriff, um vorsichtig auszusteigen. Sofort stieg mir der frische Waldgeruch in die Nase, zusammen mit dem Geruch von Holz und zahlreichen Blumendüften. Ich spürte, wie Alex mich am Ellenbogen anstupste, schnell hakte ich mich bei ihm ein.

"Es riecht hier herrlich..." murmelte ich, schloss für einen Moment meine Augen und atmete tief ein. "Kannst du... mir beschreiben, wie es hier aussieht?" fragte ich direkt im Anschluss.

Langsam setzte sich Alex mit mir in Bewegung. "Natürlich. Das Ferienhaus ist nicht all zu groß, ist von außen mit Holz verkleidet, hat eine Terrasse auf der anderen Seite, mit einem Garten. Ringsum das Haus wachsen Bäume und Blumen. Es sind weite und bodentiefe Fenster verbaut worden, die viel Licht in das Häuschen lassen. Und ganz in der Nähe gibt es einen See," erzählte er.

Wie so oft, hörte ich seiner Stimme gerne zu.

"Das hört sich wunderschön an," sagte ich mit einem sanften Lächeln auf den Lippen und wünschte mir, es mir selber ansehen zu können. Ich wollte sehen, wie es aussah, wie Alex aussah, doch am meisten wollte ich sein Lächeln sehen können. Sehen, wie er lachte und es nicht immer nur hören.

Langsam verschwand mein Lächeln wieder... Dieses Gefühl ließ mich nicht mehr los, seitdem ich Alex kannte. Auch wenn ich schon sieben Jahre damit klarkam, schien es auf einmal völlig anders. Damit musste ich mich abfinden. Es war schwerer als gedacht, wenn man ausgerechnet einen so wunderbaren Menschen wie Alex kennenlernte...

Aus anderen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt