Kapitel 5

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Auf meinem Weg zu den beiden Männern muss ich so einigen Leuten ausweichen, die sich wohl auch lange nicht gesehen haben und stürmisch umarmen. Als ich mich auf die Zwei zubewege, winke und lächle ich leicht. Mein Dad gibt das Tablett schnell dem Mann neben ihm und schließt mich dann in seine Arme.

Auch ich lege meine Arme um ihn und murmle ein leises „Hi Dad. Schön, dich wiederzusehen." Er erwidert die Begrüßung und löst sich dann wieder, nur um mich an der Hand zu nehmen und hinter sich aus dem Flughafen hinaus in die recht kühle Nacht zu ziehen.

Das Auto, zu dem er mich bringt, ist definitiv ein Neues und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn es ist meine Lieblingsfarbe, ein kräftiges Hellblau.

„Ist das Auto neu?"

„Ja Maus. Extra für dich, damit du nicht auf irgendwen von uns oder die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen bist. Ich hoffe, ich habe mich nicht in der Farbe vertan?"

„Nein, die Farbe ist super. Aber das hätte doch nicht sein müssen, ich bin seit meinem letzten Besuch hier vor vier Jahren kein Auto mehr gefahren."

„Na dann ist es ja um so besser, dass wir jetzt mit im Auto sitzen, dann baust du vielleicht nicht direkt einen Unfall." Ich stöhne auf. Erst stundenlang im Flugzeug eingesperrt rumsitzen und jetzt plötzlich Autofahren sollen? Die sind ja lustig. Aber gut, die Geste ist echt süß und ich will mich nicht direkt mit meinem Vater streiten.

Also gehe ich zur Kofferraumklappe, die aber geöffnet wird, bevor ich dort an gelange. Der andere Mann lächelt und streckt fragend seine Hand nach meinem Gepäck aus. Ich gebe es ihm und er verstaut es sicher. Dann schließt er die Klappe wieder und dreht sich zu mir um.

„Ich hatte noch keine Gelegenheit mich vorzustellen. Ich bin Lee Bong, der Verlobte deines Vaters." 

„Freut mich, dich kennenzulernen, Bong." Ich bin mir kurz unsicher, ob ich ihm die Hand geben oder eine Verneigung machen soll, aber er nimmt mir die Entscheidung schnell ab, indem er seine Arme ausbreitet und mich mit einem etwas schüchternen Lächeln fragend ansieht. Ein glückliches Lächeln schleicht sich auch auf meine Lippen und ich begebe mich in seine sanfte Umarmung. Als wir uns lösen, steht mein Vater breit grinsend neben uns und scheint unglaublich froh darüber zu sein, dass sich seine Tochter mit seinem Verlobten so gut versteht.

Wir steigen ein und ich drehe den Schlüssel im Schloss. Der Motor beginnt zu schnurren, die Kontrollleuchten springen an und mir wird direkt die Route zurück zu unserem Zuhause auf dem Touchpad in der Mittelkonsole angezeigt.

Zu Beginn der Fahrt unterhalten wir uns noch darüber, wie mein Flug war und was ich die letzten zwei Wochen so getrieben habe, dann versiegen die Gespräche aber und ich kann mich voll und ganz aufs Fahren konzentrieren.

Als ich in die Einfahrt links neben unserem Haus fahre, auf den zweiten Parkplatz einbiege und das Fahrzeug zum Stehen kommt, beschleicht mich ein Gefühl, dass ich lange nicht mehr hatte. Ein Gefühl nach zu Hause ankommen.

Mein Vater schließt die Haustür auf und ich betrete mit meinem Gepäck den langen Flur mit der direkt nach rechts abgehenden Garderobe. Hier sind zwei Jackenhalter und vier Schuhregale dazugekommen und auf allen diesen stehen mindestens fünf Paar Schuhe. Drei der Schuhregale werden wohl von den Jungs sein, da ich bezweifle, dass Bong Turnschuhe oder Stiefel tragen würde. Mein blau angestrichenes Schuhregal ist leer, bis auf mein altes grünes Paar Hausschuhe, das ich anziehe, obwohl es viel zu klein ist und stelle dann meine Stiefel ins Regal. Ich werde mir wohl in den nächsten Tagen ein neues Paar Hausschuhe kaufen müssen.

„Willkommen zuhause, Moon-Maus", murmelt Dad, während er mich noch einmal von hinten umarmt. Dann gehen wir den Flur entlang in die offene Küche, um mir noch etwas zu Essen zu machen. Während ich am Herd stehe und mir eine kleine Portion Nudeln mache, die Dad auf meine Bitte hin vorher eingekauft hatte, steht Bong neben mir an die Theke gelehnt und beobachtet mich.

„Du kannst gut kochen, oder?"

„Joa, also für nh gescheite Mahlzeit reicht es, aber das sind eher keine drei Gänge Menüs. Wieso fragst du?"

„Wir sind alle, bis auf Yongbok und Chan, nicht soo die guten Köche. Vielleicht könntet ihr ab und zu gemeinsam was zu Essen zaubern? Gerne auch mal etwas aus Deutschland oder Europa, ohne Erfahrung so etwas zu kochen, fällt den beiden recht schwer." Ich willige gerne ein, auch wenn ich dann erst mal den Appetit meiner neuen Familie begutachten muss, um angemessene Mengen kochen zu können.

Bong klatscht glücklich in die Hände, beruhigt sich aber schnell wieder und erzählt mir, dass meine zukünftigen Stiefbrüder auch bereits da sind, allerdings schon ins Bett gegangen sind, weil ihr Tag wohl sehr anstrengend war.

Nachdem ich meinen Mitternachtssnack beendet habe, bringe ich mein Gepäck in mein altes Zimmer im ersten Stock. Das Aufenthaltszimmer, dass direkt offen neben der Treppe liegt, hat sich nicht verändert. Ich umrunde das Treppengeländer nach rechts in den Flur. Hier hat zuerst Bong sein Zimmer bezogen, wie ich erfahre. Der Rest hat sich nicht verändert, neben Bongs Zimmer liegt das meines Vaters , dann kommt der Flur, mit einem großen Fenster zum Garten raus. Dahinter befindet sich das Bad. Mein Zimmer liegt zwischen dem Bad und der Haushaltskammer. Damit haben Chan, Hyunjin und Yongbok ihre Zimmer wohl im zweiten Stock, in dem vorher eine Rumpelkammer, ein alter Hobbyraum meines Vaters und mein Zeichenzimmer waren. Zudem gibt es dort auch noch den „Leeren Raum", der schon immer leer stand, weil wir nichts damit anzufangen wussten und das Gästezimmer.

Nachdem ich mich wieder ein bisschen in meinem Reich eingerichtet habe, entscheide ich, dass ich noch viel zu wach für schlafen bin. Daraufhin krame ich meine Sportklamotten aus meinem gerade halb eingeräumten Schrank wieder heraus, ziehe mich um und mache mich auf den Weg ins Kellergeschoss, in dem das Gym, der Tanzraum, der Kontrollraum des Hauses und zwei kleine Duschbäder liegen.

Allerdings muss ich auf dem Weg nach unten am Aufenthaltsraum vorbei, in dem noch mein Vater und Bong ohne zu spielen am Schachtisch sitzen und sich leise unterhalten. Beide sehen auf und schauen mich skeptisch an, als wollten sie fragen, ob das jetzt mein Ernst ist.

„Ich hab auf dem Flug zu viel geschlafen und ich will den Jetlag loswerden."

„Na dann, hab ein gutes Training. Mach aber nicht zu lange, okay?", die Stimme meines Vaters klingt streng, aber ich kann den besorgten Unterton deutlich heraushören.

„Mach ich nicht. Gute Nacht euch." Damit flitze ich auch schon weiter, höre hinter mir aber noch, wie die beiden mir ebenfalls eine gute Nacht wünschen.

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Plötzlich Geschwister (SKZ FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt