28. Kapitel: Geheime Botschaften I

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Eiskaltes Wasser rann über mein Gesicht und dann meinen Hals herab. Obwohl ich nach dem ersten Schwall schon erbärmlich zitterte, hielt ich meine rechte Hand erneut unter den Wasserstrahl.

Höllenhunde. Was für eine verfluchte Scheiße.

Ich stand vornübergebeugt am Waschbecken im Badezimmer, spritzte mir einhändig klirrend kaltes Wasser ins Gesicht und versuchte, trotz der drohenden Apokalypse nicht die Nerven zu verlieren. Wenn Elion sich nicht geirrt hatte, waren Höllenhunde einem Höllentor entstiegen und machten Jagd auf Menschen. Als wären Zombiegötter nicht schon ein hinreichender Grund, um eine waschechte Panikattacke zu bekommen.

Durch die offene Badezimmertür hörte ich das geschäftige Treiben der Nephilim im Erdgeschoss, die eilig Kisten packten und in den Bumvee schleppten. Nach meinem ersten und einzigen Versuch, nicht nutzlos in der Gegend herumzustehen, sondern ihnen zu helfen, war ich mir sicher gewesen, mir die Schultern ausgekugelt zu haben. Die Kisten, die Elion, Simon und Lay spielend leicht anhoben und hinaustrugen, wogen mindestens eine Tonne. Es hatte unangenehm laut in meinem Rücken geknackt, als ich es ebenfalls versucht hatte. Simon hatte sich bei meinem Anblick schlapp gelacht, was wiederum Elions Aufmerksamkeit auf mich gezogen hatte. Sofort war er zu mir geeilt, hatte mir die Kiste unter der Nase weggeschnappt und betont freundlich vorgeschlagen, ich solle mich doch mal im Obergeschoss umsehen, ob ich etwas Nützliches fände, was wir mitnehmen konnten. Es war eine erstaunlich nette Art mir zu sagen, ich solle gefälligst nicht im Weg rumzustehen.

Ich drehte das Wasser ab, griff nach einem muffigen Handtuch und rieb mir das Gesicht trocken. Höllenhunde und Höllentore bedeuteten dann wohl, dass es auch eine Hölle gab, zu der sie gehörten. Nach allem, was ich wusste (und das war nicht viel), war die Hölle ein Ort, wo die Seelen Verstorbener hingegen, nachdem sie sich im Leben der ein oder anderen unverzeihlichen Sünde schuldig gemacht hatten. Eines Mordes zum Beispiel.

Ich stützte mich auf dem Waschbecken ab und atmete tief durch. Ich war so was von am Arsch. Selbst wenn es mir für den Rest meiner überschaubaren Lebensspanne gelingen sollte, Zombiegöttern, Mithrae und Höllenhunden zu entkommen, würde dieser Albtraum mit meinem Tod nicht enden. Auf mich wartete die ewige Verdammnis, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Von dem ich vielleicht öfter hätte Gebrauch machen sollen, Zombiegötter hin oder her, die davon profitierten. Ob es für Reue zu spät war? Würde sie überhaupt etwas bringen und meine Seele retten? Das größte Problem war, dass ich noch nicht einmal Reue empfand – zumindest nicht für alle Toten, die auf meine Kappe gingen: Robert und Evelin, das Arschloch am See, die Wichser aus dem Heim, der Typ, der gewollt hatte, dass ich ihn Papa nannte, während er mich verprügelte ... Wenn ich wirklich für ihr unerfreuliches und qualvolles Dahinscheiden verantwortlich war, dann verspürte ich zwar Furcht vor mir selbst und dem, wozu ich in der Lage war – aber keinen Funken Reue. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was das über mich aussagte.

Die Haut unter der Samadu kribbelte unangenehm. Ohne zu genau hinzusehen, zupfte ich den Verband zurecht. Sollte ich es schaffen zu überleben, blieb mir vielleicht noch genug Zeit, mich um mein Seelenheil zu kümmern. Bei dem Gedanken verzog ich spöttisch den Mund. Als würde mir so etwas gelingen. Klüger wäre es, die mir verbleibende Zeit so gut wie möglich zu nutzen, bevor es nur noch bergab in Richtung Feuergrube ging. Und ich hatte bereits eine vage Idee, wie ich das anstellen würde. Die Idee war längst nicht ausgereift, denn bisher enthielt sie kaum mehr als dreißigtausend Euro, einen Sombrero, eine Menge Alkohol und diverse halblegale und illegale Glücklichmacher. Der Rest würde sich dann schon finden. Hatte es immer.

»Marika«, rief Elion von unten, »in fünf Minuten brechen wir auf!« Seine Stimme klang nach wie vor rau und kratzig. Schmerzhaft.

»Komme gleich!«, brüllte ich zurück, trat aus dem Badezimmer und begann halbherzig, die vier oberen Zimmer zu durchsuchen, auch wenn ich mir sicher war, dass Elion nicht wirklich annahm, ich würde etwas Nützliches finden. Die Laken auf den Betten waren mottenzerfressen, die Schränke bis auf einige hölzerne Kleiderbügel leer. Probehalber nahm ich einen von ihnen in die Hand und schwang ihn wie eine Waffe hin und her.
»Was mach ich hier eigentlich«, murmelte ich und warf den Kleiderbügel frustriert auf das Bett hinter mir. Ich hatte keine Ahnung, wie man kämpfte. Wenn ich versuchen würde, mit einem Kleiderbügel auf Idrin und Höllenhunde loszugehen, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich mir am Ende den Metallhaken selbst ins Auge rammte.

Daimonion: Dunkle WasserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt