59. Kapitel: Dunkle Wasser

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»Haltet ihr das wirklich für eine gute Idee?«

»Nein«, beantworteten Simon und ich Salmas Frage wie aus einem Munde.

Der Magus zwinkerte verschwörerisch zu mir hinauf, dann konzentrierte er sich wieder darauf, weiße quadratische Elektroden knapp unterhalb meines linken Schlüsselbeins aufzukleben. Aus jedem ragten drei Kabel, rot, grün und gelb, hingen schlaff an mir herab, vereinten sich auf halbem Weg zu jeweils drei dickeren Kabeln und mündeten wiederum in drei kleinen handlichen Geräten, die neben mir auf der Pritsche standen. Simon hatte mir erklärt, was genau sie messen sollten: Ein EMF für die Messung elektromagnetischer Strömungen, ein Pul-irgend-etwas für die Herzfrequenz, sowie eine grüne Leiterplatte, in dessen Mitte ein bräunlicher Stein klebte. Letzteres hatte Simon stolz verkündet, habe er selbst entwickelt, um Signaturen sichtbar zu machen. »Dieses kleine Baby kann das, was Elion kann. Also so gut wie. Es ist noch nicht ganz ausgereift«, hatte er gemurmelt, die erste Elektrode vorsichtig unter die Samadu geschoben und auf meine Hand geklebt. »Es sollte deine Signatur erfassen, vorausgesetzt du hast eine. Mit ihr haben wir vielleicht eine Chance, die Energie in dir zu klassifizieren. Das würde uns ein ganzes Stück weiterbringen.«

Ich hatte mit mühsam aufrecht erhaltener Lockerheit mit den Schultern gezuckt und dann mein Hemd ausgezogen. Würde schon schiefgehen. Irgendwie.

Nun klebte ein gutes Dutzend dieser Elektroden an meiner linken Körperhälfte und meiner Hand und ich kam mir einmal mehr vor wie ein Versuchskaninchen. Eines, das sich freiwillig für ein Experiment gemeldet hatte, dessen Ausgang ungewiss war.

Nervös nestelte Salma an den beiden Kameras herum, die Simon am Rand des rostigen Eisenwaschbeckens aufgestellt hatte: eine zur Übertragung normaler Bilder und des Tons, die andere zur Erfassung von Wärmequellen. »Meint ihr dann nicht, wir sollten lieber auf Elions Rückkehr warten?«

Ich konnte mir ein ungläubiges Lachen nicht verkneifen. Das war wohl mit Abstand das Letzte, was wir tun sollten, wenn wir Antworten finden wollten.

Auch Simon schnaubte. »Definitiv nicht! Ich sehe es genau vor mir, wie er uns zuerst einen ellenlangen Vortrag über Risikokalkulationen hält, bevor er jeden von uns einzeln in eine dieser Zellen verfrachtet, damit wir in Ruhe über unsere unverantwortliche Idee nachdenken können.«

Simon hatte für den Versuch eine der entlegenen Eisenzellen ausgewählt, mit denen ich bereits Bekanntschaft hatte machen dürfen. Abgesehen davon, dass hier so gut wie niemals jemand vorbeikam, würde das Eisen das Ding in mir zur Not in Schach halten. »Das Eisen muss eine Wirkung darauf haben, sonst würde die Samadu bei dir nicht funktionieren«, hatte der Magus versichert. »Wir wollen nicht, dass es die Kontrolle übernimmt, sondern es nur ein bisschen hervorkitzeln, um seine Beschaffenheit zu studieren, mehr nicht. Dafür sind die Eisenzellen wie geschaffen.«

Ich glaubte zwar nicht, dass sich das Ding in mir kitzeln ließ, hatte aber genügend Vertrauen in mir zusammengekratzt, um zuversichtlich zu nicken. Wie gesagt: Würde schon schiefgehen.

»Fertig.« Simon richtete sich auf und musterte kritisch sein Werk, die Elektroden und Kabel, und dann mich. »Wie besprochen: Ein Wort genügt, Marika, und wir holen dich sofort hier raus.«

»Ich weiß.« Fröstelnd hob ich die Schultern. In der Zelle war es empfindlich kalt, und da ich wegen der Elektroden nur noch ein schwarzes Tanktop am Oberkörper trug, zitterte ich am ganzen Körper. Stoisch ignorierte ich mein pochendes Herz ebenso wie die Möglichkeit, dass ich nicht nur wegen der Kälte zitterte. Wir hatten Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit niemand zu Schaden kam. Salma und Simon würden mich nicht aus den Augen lassen. Dazu diente ein Tablet, das ihnen sämtliche Bilder und aufgezeichneten Daten anzeigte, während sie vor der Zelle Stellung bezogen – direkt hinter der verschlossenen Eisentür mit dem unterarmdicken Riegel, den sie vorsorglich schließen würden. Keiner von uns gab sich der Illusion hin, dass das hier nicht auch gewaltig nach hinten losgehen konnte, und obwohl niemand es offen aussprach, herrschte zwischen uns die stillschweigende Übereinkunft, in diesem Fall auf die einzige verbleibende Option zurückzugreifen, die uns dann noch blieb: Darauf vertrauen, dass Nabor und Hieronymus mehr wussten als wir und sie mit ihrer Annahme, Elion könne das Ding in mir im Zweifelsfall kontrollieren, richtig lagen.

Daimonion: Dunkle WasserWo Geschichten leben. Entdecke jetzt