Kapitel 9 - Was ist los?

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Ich sitze lauschend auf der Treppe und höre aus der Küche, die Stimmen meiner besten Freundin und ihrer Eltern. Die Spannung in der Luft ist fast greifbar, sie lässt mein Herz regelrecht höher schlagen.

,,Ich verstehe nicht, warum ihr nie zufrieden mit meinen guten Noten seid. Ich arbeite so hart für sie."

Der Klang ihrer Stimme ist so verzweifelt, das kann einfach nicht der erste Streit sein. Das macht aber keinen Sinn, sie schreibt immer gute Noten und ist perfekt vorbereitet, ich verstehe nicht, warum sie sich streiten. 

,,Wir wollen nur das Beste für dich, und das bedeutet, dass du 1er schreiben solltest", fügt ihr Vater mit einer mittlerweilen erhöhten Stimme hinzu.

,,Du könntest so viel mehr erreichen, wenn du dich nur anstrengen würdest", gibt ihre Mutter sanft von sich.

Ich spüre den Schmerz und die Verzweiflung in Marys Stimme, und es bricht mir das Herz. Ist das gerade der Ernst ihrer Eltern? Sie soll nur Einsen schreiben? Ich... das ist einfach nur unglaublich, ich bin fassungslos. Schon leicht wütend kralle ich mich am Treppengeländer fest und versuche tief durchzuatmen um ruhig zu bleiben. Und ich dachte das nur meine Eltern schlimm wären.

,,Ihr versteht das nicht! Ihr setzt mich so unter Druck, dass ich kaum atmen kann!", verteidigt sie ihre Noten schon fast schreiend. Ich kann schon spüren, wie sich langsam Tränen in ihren Augen bilden.

,,Druck?", fragt ihr Vater erbost und setzt kurz schnaufend ab. ,,Wir setzen dich nur unter Druck, weil wir wissen, dass du mehr kannst!"

,,Es ist schwer für uns, zuzusehen, wie du dich selbst unter deinem Potenzial hältst."

,,Ich habe Angst vor euch, vor euren Erwartungen. Ich fühle mich, als ob ich niemals gut genug sein werde."

Mary ihre Stimme ist mittlerweile von Tränen erfüllt, ich kann spüren wie verzweifelt sie ist. Leider kenne ich das nur zu gut.

,,Du bist unsere Tochter, und wir lieben dich. Alles, was wir tun, ist für deine Zukunft."

Die Worte des Vaters wirken wie ein trüber Trost. Die Tränen meiner besten Freundin vermischen sich mit den Emotionen in der Küche, und ich fühle mich hilflos, während ich weiterhin auf der Treppe sitze und die Familienkrise miterlebe. Ich wünschte, ich könnte was tun, aber ich darf mich da nicht einmischen. Es ist aber auch einfach nicht verständlich, ich meine Intoleranz, gut okay. Aber weil es nicht nur Einsen sind, werden die Noten derartig kritisiert? Ich verstehe das einfach nicht.

,,Ihr könnt meine Entscheidungen nicht für mich treffen! Ich möchte mein eigenes Leben leben, nicht das, was ihr für mich plant!", entgegnet sie mittlerweile wütend ihren Eltern.

,,Du bist noch zu jung, um zu verstehen, was das Beste für dich ist. Wir sind deine Eltern und wissen, was richtig ist."

,,Wir wollen nur, dass du glücklich und erfolgreich wirst. Warum verstehst du das nicht?", bringt ihre Mutter ein, ich kann die Verzweiflung in ihrer Stimmung förmlich hören. Oh Mary, warum hast du nur nie was gesagt, das sind mehr als nur Probleme, die deine Eltern haben.

,,Ich möchte, dass ihr mich einfach einmal unterstützt, anstatt immer nur zu kritisieren!", ruft sie verzweifelt vor Tränen erfüllt durch die Küche und setzt kurz ab. ,,Ihr erstickt mich! Ich kann nicht atmen, wenn ihr mich ständig erstickt!"

,,Das reicht! Du wirst uns jetzt Respekt zeigen und aufhören, so respektlos zu sein!", schreit ihr Vater erbost auf und schlägt mit voller Wucht auf den Tisch.

,,Wir haben alles für dich geopfert, und das ist der Dank, den wir bekommen?", fügt nur die Mutter hinzu, ich kann die Kälte in ihrer Stimme hören, wie kann man nur so sein.

Gegen den Strom - Nathans Kampf für Akzeptanz (2)  [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt