Kapitel 12 - Vertrauen

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Ich sitze nervös in Frau Smiths Büro, während sie mich mit freundlichen Augen ansieht. In meiner Brust pocht mein Herz so laut, dass ich sicher bin, sie kann es hören. Ich habe mich nie zuvor jemandem außer Mary anvertraut, aber ich habe das dringende Bedürfnis, mit ihr über meine Probleme zu sprechen, da ich einfach nicht mehr kann. 

,,Nathan, ich weiß, dass du in letzter Zeit eine Menge durchgemacht hast. Und ich möchte, dass du weißt, dass du hier sicher über alles sprechen kannst. Ich bin für dich da und akzeptiere dich so wie du bist, ob homosexuell oder nicht." Ihre Worte sind herzlich, aber ich zögere noch. Ich hab einfach zu viel Angst, dennoch tut es gut zu hören, dass sie mich akzeptiert, wie ich bin. Bevor ich es schaffe vielleicht doch was zu sagen, kann ich spüren, wie meine Augen plötzlich ganz feucht werden.

,,Frau Smith, ich... es tut mir leid... ich... es ist einfach so viel..."

,,Es ist okay, du bist hier sicher, wir machen das ganz langsam, in Ordnung?", spricht sie verständnisvoll zu mir und legt ihre Hand auf meine Schulter. ,,Ich bin für dich da, lass einfach alles raus."

Ich nicke nur, dabei schießen mir nur noch mehr Tränen in die Augen. Ich hebe meine Hand und lege sie über meine Augen und reibe mit meinem Daumen und dem Zeigefinger über sie. Ich nehme sie wieder runter, schaue hoch und ziehe schluchzend die Nase hoch. Okay Nathan, du schaffst das, erzähl es ihr einfach, du kannst ihr vertrauen. Ich atme daraufhin tief durch, bevor ich es endlich schaffe, ihr alles zu erzählen. Ich hoffe so sehr, dass dies kein Fehler sein wird und sie mir wirklich hilft.

,,Okay, ich bin bereit", gebe ich mit gesenkter Stimme von mir und atme erneut tief durch. ,,Es ist... also... na gut... puhhh... es geht um meine Mutter", flüstere ich, meine Stimme wird brüchig. ,,Wir hatten Dienstag einen schlimmen Streit, und sie hat mich am Ende geschlagen." Die Erinnerung an diesen Vorfall lässt mich zucken, aber ich kämpfe dagegen an. ,,Letzte Nacht habe ich bei meiner besten Freundin geschlafen. Ich kann nicht mehr nach Hause zu meiner Mutter. Ich hasse sie, und sie hasst mich. Sie sagte mir gestern, dass sie sich wünscht, mich nie geboren zu haben, es war einfach nur schrecklich und mein Vater, er blieb einfach nur still und sah mich verachtend an."

Mit glasigen Augen sieht mich Frau Smith an und nickt verständnisvoll. 

,,Es tut mir leid, dass du sowas durchleben musst, das hört sich wirklich schlimm mit deiner Mutter an. Ich danke dir, Nathan, dass du mir das anvertraut hast. Es ist völlig verständlich, dass du dich nicht wohl bei deiner Familie fühlst, vor allem bei deiner Mutter, wenn sie so gehandelt hat. Deine Gefühle sind wichtig, und du solltest niemals Gewalt oder Misshandlung tolerieren müssen. Und das ist alles so, weil?"

,,Ich schwul bin", antworte ich knapp und sehe zur Seite. Das vor ihr zu sagen, fällt mir unglaublich schwer aufgrund meiner schlechten Erfahrungen. Ich wünschte es wäre anders, nur leider ist das nicht so. ,,Ich muss mir auch seit Jahren diese schrecklichen Therapiesitzungen antun. Ich will das alles einfach nicht mehr, es ist einfach zu schlimm geworden und es fühlt sich, als würde mich etwas immer mehr in die Dunkelheit ziehen. Auch diese Streitereien gehen schon ewig, nur zum ersten Mal hat mich meine Mutter geschlagen... verdammt... bitte helfen Sie mir... ich weiß einfach nicht mehr weiter... selbst vor drei Wochen... ich... ich... versuchte zu springen..."

Die Verzweiflung in mir wird wieder groß und die Tränen bahnen sich ihren Weg auf meine Wangen. Ich halte mir nur noch die Hände vors Gesicht. ,,Es tut mir leid Frau Smith, sie glauben mir gar nicht wie sehr ich mein Leben hasse, erst letzte Nacht hatte ich einen Alptraum von meiner Mutter und meinem Therapeuten... es geht einfach nicht mehr... ich bin fertig..."

,,Shhht, ist okay Nathan, du bist hier sicher", flüstert plötzlich mir Frau Smith ins Ohr und zieht mich fest in ihre Arme. Mir ist das gerade total egal, ob das unprofessionell ist, ich brauche das gerade wirklich. Ich kann gar nicht glauben, dass sie wirklich für mich da ist, ich kann ihr einfach verdammt nochmal vertrauen, Mary hatte recht. 

Gegen den Strom - Nathans Kampf für Akzeptanz (2)  [Band 1]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt