Kapitel 7

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Felix

Im Rückspiegel beobachtete ich, wie Jane immer kleiner wurde und als ich um die Ecke bog, war sie verschwunden. Sie nach all der Zeit wiederzusehen, war krass für mich. Auch wenn sie sich mit den Jahren verändert hatte, erkannte ich immer noch den Menschen in ihr, der sie war, als ich mich in sie verliebt hatte. Ihre Augen, ihr Lachen, die Art, wie sie mit ihren Händen gestikulierte, wenn sie etwas erzählte ... All das war gleich geblieben.

Ich fuhr zurück nach Kreuzberg. Während der Regen weiter erbarmungslos auf meine Windschutzscheibe peitschte, untermalten alte Hip Hop Beats den Vibe. Ein paar Straßen vor meiner Wohnung bog ich links ein und kam einige Meter weiter zum Stehen. Ich stieg aus dem Wagen aus und klingelte an der braunen Haustür vor mir.

„Ja?", hörte ich die Stimme meines Bruders in der Gegensprechanlage.

„Ich bin's.", entgegnete ich und sofort ertönte der Summer.

„Was geht?", begrüßte mich Julian, als ich mit dem Fahrstuhl auf der Etage seiner Wohnung ankam. „Hast gar nicht Bescheid gesagt, dass du kommen wolltest."

„War auch eher spontan. Ich muss dir was erzählen.", erklärte ich und trat durch die Wohnungstür. „Lass ma' direkt auf den Balkon, eine rauchen."

„Okay.", nickte mein Bruder.

Wir stellten uns unter die kleine Überdachung auf seinem Balkon und fingen beide an, uns eine zu drehen, als Julian das Wort ergriff.

„Du bist n bisschen neben der Spur, kann das sein? Was is'n passiert?"

„Jane.", sprach ich, während ich den Filter zwischen meinen Lippen fixierte. „Ich hab' sie wieder gesehen."

Julians Augen weiteten sich. „Wie? Wo?"

„Sie ist Juniorprofessorin an der Humboldt. Soziologische Theorie."

„Häh?", machte er verdutzt. „Hatte sie nicht angefangen, Psychologie zu studieren?"

„Yo.", entgegnete ich, während ich den ersten Zug der Kippe einatmete. „Keine Ahnung, warum sie gewechselt hat. Jedenfalls leitet sie jetzt einen meiner Grundkurse."

„Ist ja krass.", murmelte Julian.

„Weißt du, was noch viel krasser ist? Als ich vom Büro aus nach Hause gefahren bin, stand sie am Engelbecken.", sprach ich weiter. „Sie stand da einfach, mitten im Regenschauer, klitschnass. Sie meinte, sie hätte da was zutun gehabt, aber das nehme ich ihr nicht ab."

„Du hast mit ihr geredet?", fragte er überrascht und ich nickte.

„Hab sie mit nach Hause genommen und ihr frische Klamotten gegeben."

„Ganz ohne Hintergedanken, versteht sich.", gab mein Bruder in sarkastischem Ton zurück und sah mich skeptisch an.

„Dicker, hätte ich sie da einfach stehen lassen sollen? Ich wollte ihr nur helfen.", verteidigte ich mich.

„Hättest sie ja auch nach Hause fahren können."

„Wollte sie nicht.", erklärte ich. „Keine Ahnung, warum nicht. Später hat ihr Typ angerufen und dann hab ich sie eben nach Hause gebracht."

The Diary of Jane - Felix Lobrecht FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt