Kapitel 1

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Sicht Elly

„Frau Doktor Winter, hätten Sie heute mal eine Minute für mich?" Höre ich die Klinikleiterin Frau Imhof sagen. „Ja natürlich, Frau Imhof. Ich habe dann gleich noch zwei OPs, aber danach komme ich zu Ihnen ins Büro." Antworte ich freundlich. „Sehr schön. Ich habe nämlich einen kleinen Anschlag auf Sie vor." Fährt Sie mit einem Zwinkern fort und geht dann weg.

Sie hat einen Anschlag auf mich vor? Na da bin ich ja mal gespannt.

Die zwei OPs verliefen ohne Komplikationen und nun stehe ich mit meiner Kollegin und Freundin Dr. Selina Reich im Bereitschaftsraum. „Gehen wir noch in die Cafeteria? Ich hätte Lust auf ein Stück Torte." Fragt sie mich. „Würde ich gerne, aber ich muss noch zu Frau Imhof." Antworte ich Selina. „Was will den die Klinikleiterin von dir?" Fragt sie verwundert. „Ich hab keine Ahnung." „Du kannst ja dann nachkommen, ich bin sicher eine Weile dort." Sagt Selina und verlässt den Raum. Ich begebe mich auf den Weg zum Büro der Klinikleiterin. Dort angekommen bleibe ich kurz stehen und klopfe zwei Mal an. „Herein." Ertönt es, und ich öffne die Türe und trete ein. „Ah, Frau Dr. Winter. Wie schön, dass Sie es einrichten konnten. Bitte setzten Sie sich." Ich mache wie mir befohlen wurde. „Sie wollten mich sprechen?" Beginne ich. „Ja, das stimmt. Ich wurde angerufen und gefragt, ob ich Sie für ein Monat entbehren könnte. Und ich habe zugesagt." „Aha." Kommt es nun monoton von mir. Schön, dass Sie über meinen Kopf hinweg entscheidet. „Natürlich nur, wenn Sie das möchten. Aber ich dachte mir, Sie sind ja aus Erfurt und da möchten Sie sicher wieder mal etwas Zeit in ihrer alten Heimat verbringen." „Erfurt? Oh." „Ist Ihnen das etwa nicht recht?" Fragt Sie nun verwundert. "Doch doch, es ..." beginne ich und werde zugleich unterbrochen. „Sehr gut. Die Formalitäten kennen Sie ja. Dann sind Sie ab Montag für vier Wochen in Erfurt beschäftigt." „Und das ist kein Problem? Ich mein nur wegen dem Personalmangel und.." „Nein, überhaupt nicht. Das ist alles geregelt." Na toll. Da komm ich jetzt wohl nicht mehr raus. „Okay super, danke, ich freu mich sehr." Antworte ich mit einem halb aufgesetzten Lächeln und verlasse darauf hin das Büro. Oh Mann! Nicht Erfurt. Ich hatte mir echt geschworen, nicht mehr ans Johannes Thal Klinikum zurückzukehren. Nach allem, was geschehen war, was mit Matteo Moreau geschehen war und was nicht geschehen war. Will ich mir das echt nochmal antun? Die Hoffnung? Die Abweisung?

„Scheiße" schreie ich und werfe ein zerknülltes Papier scharf weg. „Elly, was ist passiert?" Fragt mich Selina sanft. Ich hab gar nicht gemerkt, dass ich schon wieder in der Cafeteria angekommen bin. „Ach nichts." Antworte ich etwas wütend und verlasse das Klinikum in Richtung Park. Dort sehe ich eine freie Bank und setze mich darauf. Ich atme tief ein und aus. Ich bin trotzdem noch wütend. Ich weiß gar nicht genau warum oder auf wen. Auf Imhof? Auf Erfurt? Darauf, dass die Klinikleiterin über meinen Kopf hinweg entschieden hat? Auf Moreau?

„Hey Elly." Höre ich jetzt die sanfte Stimme von Selina. „Ist etwas passiert?" Fragt sie vorsichtig nach. „Nein, eigentlich nicht." Antworte ich, etwas beherrschter als vorhin. „Dann verstehe ich nicht, wieso du so wütend bist." „Ich auch nicht." Sage ich. „Also? Was war bei der Imhof?" Fragt meine Freundin neugierig nach. „Du bist ganz schön neugierig, weißt du das?" „Natürlich." Antwortet sie und grinst. „Frau Imhof hat mich für ein Monat nach Erfurt verliehen." „Aber das ist doch super!" Freut sich Selina. „Oder nicht?" „Ich weiß nicht so recht." Antworte ich unsicher. „Erfurt ist doch deine Heimat, Elly. Du hast doch dort tolle Freunde von denen du mir immer vorgeschwärmt hast. Und das JTK hat einen tollen Ruf." Listet sie auf. „Ja schon, aber da ist noch etwas anderes." „Uh, etwa ein Mann?" Fragt sie wie gewohnt neugierig nach. „Womöglich sogar ein anderer als Beat?" „Selina, bitte." „Also ja. Na komm schon Elly, erzähl mir was dich bedrückt. Vielleicht kann ich dir helfen." Bittet Selina mich. Ich weiß auch nicht warum, aber ich habe ihr tatsächlich noch nie von Matteo erzählt. Wollte nach meinem letzten Erfurt Aufenthalt nicht darüber reden und hab versucht, es zu verdrängen. Doch es hat sowieso nicht geklappt.

„Also gut. Ich erzähls dir. Aber bitte übertreib nicht gleich." Stimme ich ein. „Versprochen." Sagt sie und versiegelt sich dazu symbolisch die Lippen. „ Also. Es gibt da tatsächlich jemanden. Dr. Matteo Moreau. Er war in meiner Anfangszeit als Assistenzärztin einer meiner Oberärzte und irgendwie haben wir schon immer gut zusammengearbeitet. Matteo ist zynisch, oberflächlich, arrogant und sarkastisch." Beginne ich. „Und den magst du? Das hört sich so gar nicht nach dir an." „Naja, es ist ja auch nur eine Schale, das weiß ich. Ich hab damals seine Karriere gerettet, in dem ich als Assistenzärztin seine Hand operiert hat. Es war ein sehr komplizierter Bruch und er ist mit mir die ganze Nacht diese OP durchgegangen. Er hat mich aufgeweckt, weil anscheinend ich die einzige war, die seine Hand operieren konnte." „Hast du es geschafft?" „Ja klar, sonst wäre ich jetzt wohl nicht mehr am Leben. Dann, bevor ich nach Boston gegangen bin, hat er mir sein erstes Stethoskop geschenkt." Ein Lachen entfährt mir. Selina schaut skeptisch. „Ein paar Jahre später hat er dann im Gegenzug dazu meine Karriere gerettet. Du weißt schon, meine Fraktur an der Hand." „Ja, die ist in Erfurt operiert worden. Ich kann mich erinnern. Mit einem Knochenersatzstoff, oder?" „Ja. Sein Knochenersatzstoff. Ich war tatsächlich seine erste Probandin. Er hat wirklich alles versucht, hat alles gegeben und war kurz davor aufzugeben. Weil er mich nicht zum ‚Versuchskaninchen seiner Forschung' machen wollte. Aber ich hab darauf bestanden. Er hätte wirklich alles Menschenmögliche gegeben, um mich zu retten. Da war mir dann klar, er mag mich. Und zwar auf menschlicher Ebene. Das gibts bei Dr. Moreau nicht oft. Und ich ihn. Natürlich haben wir nicht miteinander geredet. Ich hab ihn dann ca. zwei Jahre nicht gesehen und dann bin ich vor einem halben Jahr wieder in Erfurt gewesen." Fahre ich weiter fort. „Und danach bist du total komisch zurückgekommen. War das wegen diesem Moreau?" Fragt Selina. Oh Gott, war das so offensichtlich? „Ja. Sein Lächeln, als er mich wieder gesehen hat. Er hat sich wirklich gefreut. Wir haben so viel zusammengearbeitet und es war so schön. Dann hat mir der Klinikleiter Herr Berger ein Angebot für eine Oberarztstelle gemacht. Matteo hat das mitbekommen und war dann total komisch. Er hat gemischte Signale gesendet. Ich war mir wirklich unsicher, ob ich das Angebot annehmen sollte. An meinem letzten Tag hab ich Matteo dann gefragt, ob ich bleiben soll und hab ihm auch gesagt, dass er der einzige Grund wäre, wieso ich geblieben wäre." „Und? Was hat er geantwortet?" „Nichts. Er hat nichts darauf gesagt." Antworte ich traurig und merke, wie es mir immer noch einen Stich im Herzen verpasst. „Nicht dein ernst. Das kann nicht das Ende sein." Antwortet Selina entsetzt. „Naja, scheint aber so." „Weiß Beat davon?" Fragt sie nun. „Von Matteo? Nein!." „Dass du ein Monat in Erfurt bist." Oh, daran hab ich noch gar nicht gedacht. „Nein, auch noch nicht." Ein Klingeln ertönt. „Das ist meins. Ich muss." Dann steht sie auf, drückt mich an der Schulter und geht weg. Scheiße, Beat. An den hab ich noch gar nicht gedacht. Wieder einmal. Dann klingelt auch mein Handy und ich muss wieder zurück in den Dienst. Vielleicht gut so, denn so kann sich mein Gedankenkarussell nicht so schnell weiterdrehen. 

Karussell der Liebe - Mattelly FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt