4. Dezember

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Wintersturm

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Wintersturm

Wasser tropft von meinen Wangen, fließt meinen Hals hinunter und bildet eine Pfütze aus Elend zu meinen Füßen. Ein Herz aus Eis schlägt in meiner Brust so warm und heiß, voll Emotion und droht sich der Außenwelt zu offenbaren. Im warmen Sommerregen wollten wir tanzen, doch streiten wir uns nun im kalten Wintersturm. Verzeih mir, schreit mein Herz, aber meine gefrorenen Lippen verlässt kein Laut. Halte ihn auf, fordert mein Kopf, aber meine schmerzenden Beine bewegen sich kein Stück. Und du schaust nicht zurück, sonst hättest du sie gesehen, die Beweise meiner Liebe. Sie erkämpfen sich ihren Weg von meinen Augen zum Boden.

Zu meinen Füßen hat schon jemand ein Schild aufgestellt: Vorsicht, Rutschgefahr! Ich habe es ignoriert und bin auf Glatteis gelaufen mit dir. Und nun bin ich selbst hier festgefroren und kann dir nur dabei zusehen, wie du elegant aus meinem Leben gleitest, während ich versuche nicht zu stürzen. Während ich versuche, nicht in meinem Kummer unterzugehen.

Selbstmitleid, ich glaube, das ist ein geeignetes Wort für meinen Gefühlszustand. Wo ist nur die Leidenschaft geblieben? Gefroren auf eben jenem Grund, auf dem ich steh'. Wo ist nur dein Vertrauen geblieben? Verflogen in der kalten Winterluft.

Hey, Liebling, darling, dear. Kannst auch du diesen Schmerz spüren? Diese Taubheit? Dieses Nichts?
Zitternd strecke ich meinen Arm aus, will das Nichts ergreifen. Denn Nichts ist mehr als das, was jetzt zwischen uns ist. Ich schließe meine Augen, in der Ferne höre ich die Glocken klingen. 1... 2... 3... Ding... Dong... Ding... Dong... Die letzte Stunde des Tages bricht an, die letzte Stunde der Vorweihnachtszeit. So möchte ich nicht, dass sie endet. So möchte ich nicht, dass wir enden.
"Es ist doch genau wie vor zwei Jahren." Die Wärme meines Herzens hat nun doch endlich meine Lippen erreicht und ich schmetter dir die Worte hinterher. "Ich mag kein Weiß." Das ist Verzweiflung. Hoffnung vielleicht auch. Dreh dich um, bittet dich mein Kopf, während mein Herz gegen die Kälte ankämpft. Und dann bleibst du tatsächlich stehen und drehst dich um. Du bist ein Spiegelbild meiner selbst. "Wie kann man Weiß denn nicht mögen?", antwortest du mir. Auch wenn das Pochen meines Herzens jegliche Worte übertönt, verstehe ich sie doch klar. Auf Glatteis muss ich lernen zu laufen, aber wenn es das bedarf, um dich zu lieben, dann werde ich es tun, in der Hoffnung, dass du da bist, wenn ich fall'. Ich gehe einen Schritt auf dich zu. Raus aus dem Elend meiner Tränen, raus aus der Kälte, raus aus dem Selbstmitleid. "Weiß ist ein Zustand, eintönig und monoton", antworte ich auf deine Frage und gehe einen weiteren Schritt auf dich zu. Mein Atem bildet kleine Wölkchen in der kalten Winterluft und ich bilde mir ein, sie würden wie Herzen aussehen. Mein Herz ist nicht genug für dich. Ich will dir mehr geben, ich will dir mein Alles geben, um dieses Nichts zu vernichten. "Dann lass mich dir zeigen, wie schön Weiß doch sein kann. Wie schön Weiß an dir sein kann!" Aber dieses Mal gehst du nicht vor mir auf die Knie wie damals vor zwei Jahren, sondern fängst an zu rennen. Und ich tue es dir gleich. Ich muss nicht alleine lernen auf Glatteis zu gehen, das können nur wir zusammen. Ich muss dir nicht mein Alles geben, um dieses Nichts zu überwinden, nur einen Teil von mir, denn den anderen Teil gibst du. Ich muss nicht alleine lieben, denn genau wie ich, liebst auch du.

Deine Arme umschließen mich und meine dich. "Ja, ich will", flüstere ich. Ich würde es immer wieder sagen, würdest du fragen. Immer wieder würde ich mich für dich entscheiden. Wäre die ganze Welt gegen uns, ich würde an deiner Seite stehen. "Es tut mir leid", flüsterte ich in die Stille hinein. Ein Hauch warmer Luft an deinem Ohr. Doch ich hoffe, dass dir dies genügt, um die Kälte zu vergessen. Wie um meine indirekte Frage zu beantworten, erwiderst du: "Mir tut es auch leid. Ich wollte dich nicht verletzen." Die Traurigkeit in deiner Stimme legt sich über meinen Körper wie eine Decke aus Eis und unweigerlich versuche ich mich näher an dich zu drängen. "Ich weiß, wir wollten im Sommerregen tanzen, aber... Aber würdest du mir nun die Ehre erweisen?" Du löst dich aus der Umarmung und hältst mir deine Hand fordernd entgegen. In deinen Augen sehe ich die gleichen Eiskristalle glänzen, die einst in flüssiger Form meine Wangen hinunterliefen. Ein Wintersturm der anderen Art, vernichtend, doch gefangen hinter deinen Augen, kann er uns nichts mehr anhaben. Ich frage mich, ob du den gleichen Sturm auch hinter meinen Seelenfenstern siehst? Nur langsam beginnt er sich zu legen, dieser Sturm.

"Ein Tanz auf dem Glasparkett der Natur?", ich lächle in mich hinein, "das würde ich niemals verneinen." Und mit diesen Worten ergreife ich deine Hand. Führe mich in die Zukunft, lass die Vergangenheit in der Kälte zurück und liebe mich im Jetzt. Und während wir langsam unsere Kreise drehen, unter dem klaren Winterhimmel, dessen Sterne allein Zeuge unserer Versöhnung sind, fängt es zu schneien an. Wo ist nur die Leidenschaft geblieben? - Sie ist genau hier, zwischen uns. - Wo das Vertrauen? - Ich sehe es in jeder deiner Bewegungen gespiegelt. - Wir tanzen zu dem Lied unserer Herzen, vereint, nicht zuletzt durch den Mut Probleme zu überwinden. Und während in weiter Ferne die Glocke zum 24. Mal an diesem Tag erklingen, drücke ich meine Lippen sacht auf deine und erzähl dir all die Dinge, die vorher meine Lippen nicht verlassen wollten. Ja, ich liebe dich.

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© Lou | Louroad14

24 Lichter | 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt