Der vergessene Freund
Wenn der Schnee fällt, die Tannen beginnen, durch die Kälte zu sprossen und eine kühle Luft die Natur ergreift, dann kommt die Zeit des Jahres, welche ihre Geheimnisse mit sich bringt. Man erzählt sich viele Geschichten, manche glauben an Magie, andere wiederum streiten sie ab. Auch jene Erzählung ist nur eine von vielen und ob sie wahr ist, muss jeder mit sich selbst ausmachen. Ich bin lediglich der Erzähler, welcher jene Geschichte einst ebenso zum ersten Mal vorgelesen bekommen und entschieden hat, sie zu Papier zu bringen. Aber beginnen wir am Anfang:
Unsere Geschichte führt uns zurück ins Jahre 1976, einem Jahr, in dem der elfjährige Atticus Atlas White, der sich zu dieser Zeit im noch wandelnden Houston Amerikas befunden hatte, die schönste Zeit des Jahres allein in einem Waisenhaus verbrachte. Es war Winter, draußen herrschte eine eisige Kälte und Weihnachten stand vor der Tür. Der kleine Junge lehnte am alten Fensterbrett seines Zimmers und blickte hinauf zu den Sternen.
Der Polarstern, der hellste Stern des Sternbildes kleiner Bär, leuchtete in einem hellen Licht auf ihn herab und er erinnerte sich an das, was ihn sein Vater einst erzählt hatte. Er solle sich niemals verloren fühlen, denn dort, wo jener Stern am Himmelszeit seine kleine Sonne der Nacht präsentierte, würde er sein. Er wäre am Nordpol, er wäre an jenem Ort, an welchem der Weihnachtsmann mit seinen kleinen Helfern - den Wichteln und Elfen - alles vorbereitete. Er würde ihm dort helfen und eines Tages, wenn er sein Leben in vollen Zügen gelebt hatte, würde er ihn wieder sehen. Das waren wenige seiner letzten Worte zu ihm gewesen, bevor er eine Reise angetreten hatte, auf die ihn Atticus hatte nicht begleiten können. Es waren seitdem zwei Jahre vergangen, zwei Jahre, in denen er es gemieden hatte, an seinem neuen zu Hause Freunde kennenzulernen oder überhaupt versuchte, mit anderen zu kommunizieren. Wenn es Essen gab, dann kam er, aß still und mit gesenktem Blick seine Speise. Wenn er morgens früh geweckt wurde, um sich auf den Weg in die Schule zu machen, tat er dies ebenso leise und unbemerkt, dass man nicht selten davon sprach, wie der Junge einem Geist glich. Er war da und gleichzeitig Welten entfernt. Sein einziger
Rückzugsort waren seine Träume, in welchen der Unfall nie geschehen war und er glücklich mit seinem Vater am steinernen Kamin saß und
während dem Lauschen des knisternden Feuers eine heiße Schokolade mit genau drei Marshmallows trank.
In einer Woche war die schönste Zeit des Jahres, aber im Gegensatz zu den anderen Kindern im Heim war er traurig und müde von den vielen Gedanken. Gähnend stützte er sich vom Fensterbrett ab, kletterte den kleinen Nachttisch, auf welchem er zuvor gestanden hatte, hinunter und schlug den Weg in Richtung Bett ein, das neben den anderen stand und in welchen bereits schon alle seelenruhig schliefen. Der hölzerne Boden knarzte unter seinen Schritten und auch die Matratze quietschte kurz laut auf, als er sich auf sie setzte. Seine meerblauen Augen, welche im schwachen Schein der Kerze glänzten, sahen sich im dezent geschmückten Zimmer um. An den Wänden hingen Bilder von seinen Zimmergenossen, ein paar Weihnachtskugeln waren an einem Tannenstrauch, der von einer Schnur und einem Nagel befestigt war, angebracht. Die Kerze befand sich in einer aus Glas gefertigten Laterne und stand auf dem zweiten Nachttisch am Ende des Raumes. Irritiert verzog er das Gesicht, als ihm auf einmal ein nur allzu bekannter Geruch in die Nase stieg: Zimt. Vor noch zwei Jahren hatten er und sein Vater jedes Jahr zusammen Zimtplätzchen gebacken und jedes Mal hatte die Wohnung nach einer Mehlschlacht nach Zimt gerochen. Aber hier hatte es noch nie danach geduftet. Plötzlich vernahm er das leise Läuten von Glöckchen und die Tür zum Zimmer öffnete sich langsam. Fragend zog er eine Braue hoch und auch wenn er ein wenig Angst hatte, dass er sich plötzlich wie in einem Traum vorkam und sich wie aus dem Nichts die Tür öffnete, rutschte er von der Kante seines Bettes, lief auf Zehenspitzen auf die Tür zu und hielt seinen braunen Teddybären fest in der Hand, welchen er sich schnell geschnappt hatte, bevor er vom Bett runter war. Je näher er der Tür kam, desto heller wurde das Licht, das ihn umgab und sobald er über die Schwelle getreten war, explodierte das Licht in tausende Funken, die nun wie Regen auf ihn hinab fielen. Er streckte eine Hand nach ihnen aus und seine Haut begann, unter dem Lichterregen angenehm zu kribbeln. Im nächsten Moment befand sich Atticus in einem Raum, der ihm fremd war. Überall hingen Zuckerstangen und Weihnachtskugeln. Der perfekt aussehende hölzerne Boden war von bunten, weihnachtlichen Teppichen geschmückt und eine wohltuende Wärme nahm ihn in die Arme. Er erblickte einen Tisch, auf welchem Zimtplätzchen standen. Es verwunderte ihn, dass sie genau so aussahen, wie jene von ihm und seinem Vater. Sie hatten die Plätzchen stets mit einem Stern aus Zuckerguss dekoriert und bunte Streusel darauf platziert. Den Bären fest an seine Brust gedrückt, ging er ein paar Schritte auf den ebenso aus Holz gemachten Tisch zu und blieb schließlich dicht vor ihm stehen.
Erst jetzt, so nah vor er sich mit der
erst jetzt
aufgeregt zu
dem Essen, bemerkte er die rote Tasse, in welcher drei Marshmallows in heißer Schokolade schwammen. Verwundert rieb
linken Hand grob über die Augen, doch auch nachdem er sie erneut öffnete, befand er sich noch immer im Raum, den er zuordnen konnte: Der Junge befand sich im Wohnzimmer seines alten Hauses. Mit einem Mal begannen seine Augen
leuchten und als er sich im Raum hoffnungsvoll umsah, auf der Suche nach seinem Vater, der wie ein Held für ihn gewesen war, entdeckte er stattdessen ein blau-gelbes Wesen, das neben an der Wand befestigten Socken stand und ihn
neugierig ansah. Aus Schreck ließ er den Bären zu Boden fallen und stieß mit dem Rücken nach hinten gegen den Tisch.
Sekunden vergingen, in denen sich die beiden nur ansahen, bis das fremdartige Wesen begann, einen Schritt auf ihn zuzumachen. Der Junge wollte anfangs vor ihm zurückweichen, aber ein Gefühl von Vertrautheit ließ ihn in seiner
Bewegung innehalten. Wenn er das Wesen vor ihm so betrachtete, dann konnte es durchaus einem kleinem Drachen ähneln. Seine blauen Schuppen wurden am Schwanz von gelben Steinen benetzt, ebenso wie an den
Seiten seines Gesichts. In der Mitte dessen leuchtete ebenso ein gelber Stein, der einem Diamanten glich. eigentlich verwirrende nicht das Tier selbst, sondern dass es auf seinem Kopf eine glitzernde, rote Mütze trug, weißer Ball aus Wolle hing und bei jeder Bewegung wie eine Glocke klimperte. Atticus' Blick fiel auf die Augen welche in einem wunderschönen Flieder strahlten, umrahmt von blauen Tropfen des Meeres. Ihm fiel auf, dass
Allerdings war das
an deren Ende ein
des Geschöpfes,
das Wesen
aufzuheben und
und riss den Bären
seinem Nachthemd. Der Junge ließ es zu und setzte sich auf den aus Leder angefertigten Stuhl vor dem Tisch. Noch nie hatte er sich auf einem derart teuren und gemütlichen Stuhl, wohl eher Sessel, befunden. Der Drache schob ihm den Teller und die Tasse zu und sah ihn auffordernd an. Doch hingegen dessen Vorstellungen, nahm sich Atticus zwar ein Plätzchen, bot es dem ihm fremden Geschöpf an und wartete geduldig.
schüchtern die Pranken vor sein Gesicht hielt und nervös mit dem Fuß tippte. Mutig beschloss er, seinen Teddy ihn dem Drachen hinzuhalten. Fragend neigte dieser den Kopf und ehe sich Atticus versah, war das Wesen bei ihm
schnell an sich. Es betrachtete das Kuscheltier von allen Seiten, gab es ihm schließlich wieder zurück und zog an
Es war, als wären zwei unterschiedliche Welten aufeinander getroffen und als wäre dies ein Versuch, den noch jungen Atticus aus seiner Trauer hinaus zu helfen, damit er wieder erfahren konnte, wie es war, glücklich zu sein. Er kam nicht um den Gedanken herum, ob dies eine Art Nachricht von seinem Vater sein könnte, denn egal, wie fern er ihm physisch war, so schien er ihm umso näher in genau diesem Moment. Wer jetzt glaubte, dass dies nun das Ende der Geschichte war, so irrte sich dieser, denn es war der Anfang gewesen, in denen das drachenartige Wesen, welches nur eines von vielen war, begonnen hatte, einsamen und verlorenen Kindern zu Weihnachten wieder Freude zu bringen. Es war da, schon lange vor Atticus, während es alle anderen nicht waren und half ihnen, über sich selbst hinaus zu wachsen. Aber eine Sache war der Haken jener Erzählung, denn nachdem die Kinder Weihnachten in glücklicher Erinnerung behielten, vergaßen sie den eigentlichen Grund dafür und erinnerten sich teilweise nur noch an einen wunderschönen Traum. Sie vergaßen ihre kleinen, neugewonnenen Freunde, ebenso wie der junge Atticus Atlas White, aber hielten am Gefühl fest, niemals allein zu sein, ganz gleich wie alt sie waren und wo sie sich befanden. So blieb das vom Weihnachtsmann geschickte Geschöpf der vergessene Freund in vielen Geschichten, denn der wichtigste Teil der weihnachtlichen Magie - des Zaubers, war sein Geheimnis.____
© | -heartdevil-
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24 Lichter | 2023
RandomAlle Jahre wieder - ist es so weit und Weihnachten steht vor der Tür... Alle Jahre wieder - suchen sich alle vorfreudigen Menschen einen Adventskalender... Alle Jahre wieder - komme ich auf die grandiose Idee, die - ganz entspannte und stressfreie...