Dezember. Die Zeit der Liebe. Der Wärme. Des Lichtes. Der Geschenke und Barmherzigkeit. Der Nächstenliebe, der Hoffnung. Der Monat von der Geburt unseres Befreiers, Jesu. Es ist Weihnachten.
Nein. Lass mich das nochmal wiederholen.
Dezember. Die Zeit der Kälte, der Depressionen. Die Zeit der Dunkelheit und der Angst. Der Monat der Ignoranz aller, die zu arm sind, sich Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu kaufen. Der Monat des Kapitalismus. Der Monat, in dem Freundlichkeit erzwungen wird. Es ist Weihnachten und mir ist das ziemlich egal.
Natürlich freue ich mich über die Geschenke und die Ästhetik, die in diesem Wintermonat herrscht. Nur fällt mir auf, dass Weihnachten ein Fest für die Glücklichen ist. Und ich bin nicht glücklich, glaube ich. Das Fest mit der Familie macht mir Angst. Es macht mir Angst, weil ich beim Geschenke-auspacken nicht weiß, wie ich reagieren soll, geschweige denn, ob ich das alles überhaupt verdiene.
Aber ich sollte mich nicht beklagen, denn in Kongo, Palästina, im Sudan und in Israel sterben Kinder und schwangere Frauen. Junge queere Menschen werden von ihren Familien in dieser heiligsten Zeit des Jahres auf die Straße verbannt... Ich sollte mich wirklich nicht beklagen.
Ich treffe mich heute mit Freunden in einem kleinen Kreativ-Cafe. Es ist hell und warm und so, wie ich es von Weihnachten erwarten würde. Die Wände sind mit Pflanzen behangen und es läuft leise lofi Musik. Es gibt Kaffee, Kakao, Tee und kostenloses Bastel-Material, mit dem man den Tag verbringen kann.
Ich fühle mich sicher dort.
Als ich die Tür zum Cafe öffne, sehe ich sofort Felix' Gestalt an einem Tisch direkt am Fenster sitzen. Er hat schwarze kurze Haare und einen Star Wars Sweater an. Er bemalt Becher.Das muss ich kurz erklären. Becher bemalen ist so ein spezielles Prinzip in dem Café. Du gestaltest und bemalst Papierbecher und der nächste Kunde bekommt einen für seinen Kaffe, Kakao oder Tee.
Als Felix mich bemerkt, lächelt er breit, steht auf und umarmt mich. Ich mag seine Umarmungen. Felix ist ungefähr so groß wie ich seine Arme umgreifen meinen Körper sanft, aber bewusst. Ich fühle mich sicher. Das sage ich ihm auch.
Irgendwann kommen auch Moss und ihr bester Freund Sirius. Moss ist klein, trägt eine eckige Brille und hat knall orange-rote Haare. Sie erinnert mich an den Herbst und eine warme Strickdecke. Sirius ist groß, hat gefärbte grüne Haare und grüne Klamotten an. Dey besitzt eine französische Bulldogge namens King.
Ich umarme auch sie.Wir begrüßen die Verkäuferin. Sie ist unglaublich lieb und kennt uns schon und gibt uns allen einen Kakao aus. Der Kakao ist der beste auf der ganzen Welt.
Während wir Becher bemalen, bemerke ich, dass es mir heute nicht gut geht. Das hatte ich tatsächlich schon heute früh gespürt. Und Moss scheint es auch aufzufallen.
"Ist alles okay?", fragt sie. Ich zucke mit den Schultern und grinse schief.
"Nicht wirklich", antworte ich."Kann ich irgendwas für dich tun?" - Moss
"Brauchst du eine Umarmung?" - Felix
"Ich habe dir Sticker mitgebracht" - Sirius"Awww das ist so lieb von euch", antworte ich und mir kommen die Tränen hoch.
"Ich mag Weihnachten nicht", sage ich. "Es fühlt sich alles so... fake an. Und ich komme nicht damit klar, dass alle so glücklich sind. Es ist halt so, dass im Winter meine Depressionen schlimmer werden und, ja..." Ich habe keine Kraft mehr.
Ich packe Sirius' Sticker aus. Es sind Pilze darauf, eine non-binary Flagge, ein Capybara und eine Katze. Ich schenke dey ein großes Lächeln. Dey hätte das nicht machen müssen, dey hätte mir nichts schenken müssen. Aber ich weiß, dass es deren love language ist. So wie es meine, Moss' und Felix' ist. Vielleicht verstehen wir uns deshalb so gut.
Felix umarmt mich. Ich fühle mich nicht mehr so leer. Ich nehme mir einen Becher und fange an zu malen. Frösche. Ich male Frösche. Ich male jedes Mal Frösche und jedes Mal freut sich die Verkäuferin darüber. Wir reden über unsere Lieblingsserie und tauschen uns aus und lachen und weinen.
Es ist ein schöner Nachmittag. Der Kakao schmeckt und ich habe meine Freunde unglaublich gern.
Als ich 17 Uhr nach Hause gehe, ist es bereits dunkel. Die Geschäfte sind noch offen und die Straßen sind mit Weihnachtsdeko beleuchtet. In den Bäumen hängen Lichterketten und in den Fenstern der Wohnhäuser stehen Kerzen und hängen Weihnachtssterne.
Ich fühle mich wie in einem Fiebertraum. Ein schwarzer Fleck auf einem weißen Hemd. Ich gehöre nicht hierher. Tränen sprießen in meinen Augen. Ich hasse mich dafür. Ich fühle mich so leer. Warum kann ich nicht einfach glücklich sein?
Warum kann nicht jeder Mensch glücklich sein in dieser Zeit? Warum sterben unschuldige Menschen? Warum erfrieren Obdachlose auf den Straßen, weil niemand ihnen hilft? Ich verstehe die Welt nicht.
Aber wenigstens habe ich Freunde. Ich habe einen Safe Space, ich habe Filme und Serien, in denen ich mich zurückziehen kann und ich habe Freunde. Ich habe Freunde und ich liebe sie aus ganzem Herzen.
Plötzlich realisiere ich, dass ich bereits mein kleines Weihnachtswunder besitze.
Und ich glaube, dass ich andere mit dieser Freude anstecken kann.
Als ich also um 17 Uhr nach Hause gehe, lächle ich jeden an, der mir über den Weg läuft. Ich denke an die Kinder im fernen Osten, die leiden und sterben und schwöre mir, mich in Zukunft mehr damit auseinanderzusetzen und auch das Bewusstsein anderer darüber zu schärfen.
Es wird alles gut.
Frohe Weihnachten.
———A/N: hi J ich hoffe, euch hat meine kurze Geschichte gefallen und ich hoffe außerdem, dass sie nicht zu deprimierend war und eine kleine Message rüberbringen konnte.
Falls es euch nicht gut geht, könnt ihr mir immer schreiben. Es ist wichtig mit jemandem zu reden. Ich bin auf Insta über C_arter28 und auf Wattpad immer erreichbar!
Habt noch einen schönen Tag und denkt dran, dass es viele Menschen gibt, die euch lieben und dass es sich lohnt, nicht aufzugeben.____
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24 Lichter | 2023
RandomAlle Jahre wieder - ist es so weit und Weihnachten steht vor der Tür... Alle Jahre wieder - suchen sich alle vorfreudigen Menschen einen Adventskalender... Alle Jahre wieder - komme ich auf die grandiose Idee, die - ganz entspannte und stressfreie...