05 -- Zwischen den Welten der Normalität und Magie

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Als Harry den Schrank wieder verlassen durfte, hatten die Sommerferienschon bereits begonnen, und Dudley hatte die meisten seiner Geschenke längst zerstört. Bei seiner ersten Rennradtour hat er beinahe Mrs Figg überfahren, eine schrullige ältere Dame, die zwei Häuser weiter wohnt. Mrs Figg ist nicht mehr so schlimm wie früher, als sie auf meinen Bruder und mich aufgepasst hat. Sie kann eine ausgezeichnete Himbeertorte backen, aber ihre Kekse sind dafür umso schlechter und steinhart.

Da dies wohl der heißeste Sommer der letzten Jahre ist, streifen Harry und ich öfter durch die Straßen von Little Whinging. Gestern Nachmittag habe ich Harry Theo vorgestellt und zusammen sind wir auf dem Hundespielplatz gewesen. Allerdings habe ich ihm nichts von meinem magischem Geheimnis erzählt, und habe auch nicht vor, es ihm so schnell zu verraten.

Eines Tages, als Petunia und Dudley zusammen einkaufen gegangen sind, haben sie Harry und mich bei Mrs Figg zurückgelassen. Mein Bruder war total überrascht, als wir fernsehen schauen durften und sogar Schokoladenkuchen bekommen haben. Auch wenn ich gestehen muss, dass er nicht der beste Kuchen war, konnte man ihn dennoch essen.

An diesem Abend stolziert Dudley im Wohnzimmer unter den Augen seiner Eltern in seiner neuen Uniform herum. Die Uniform besteht aus einem kastanienbraunem Frack, einer orangefarbenen Knickerbocker-Hose und aus einem flachen Strohhut. Außerdem haben sie knorrige Holzstöcke, mit denen die Schüler von Smeltings sich gegenseitig Hiebe versetzen, wenn die Lehrer nicht hinsehen.

Vernon mustert Dudley in den neuen Knickerbockern und grummelt etwas vom stolzesten Augenblick seines Lebens. Petunia bricht in Tränen aus und sagt, sie könne es nicht fassen, dass dies ihr süßer, kleiner Dudleyspatz sei – so süß und erwachsen wie er aussehe.

„Nun sagt doch auch mal was", fordert uns Petunia in diesem Moment auf. Da Harry nicht aussieht, als könnte er etwas sagen, ohne laut loszulachen, übernehme ich das freundlicherweise für ihn.

„Oh ja, wundervoll! Und dieser Hut erst!" Laut dem schockierten Blick meines Bruders muss ich wohl noch an meinem Sarkasmus arbeiten. Bei Vernon und Petunia scheint es die beabsichtigte Wirkung jedoch nicht verfehlt zu haben. Vernon grummelt zustimmend und Petunia bricht erneut in Tränen aus.

Als ich am nächsten Morgen gefolgt von Harry in die Küche gehe, steigt mir ein fürchterlicher Gestank in die Nase.

„Was ist das denn?", fragt mein Bruder Petunia, die am Herd steht und in einer großen Wanne rührt. Was genau es ist, kann ich von hier nicht erkennen. Es ähnelt aber ungefähr einem flüssigen Stinktier und einem Babyelefanten – nur in Miniaturausgabe.

„Deine neue Schuluniform", antwortet Petunia.

„Aha. Ich wusste nicht, dass sie so nass sein muss", grinst Harry mich frech an. Ich grinse zurück.

„Stell dich nicht so dumm an", keift Petunia, während ich mich an den Tisch setze. „Ich färbe ein paar Sachen grau für dich, damit sie genauso aussehen wie die der anderen."

Als Harry sich setzt, kommen Dudley und Vernon die Tür herein und halten sich bei dem Gestank von Harry's Uniform die Nase zu. Das kleine Detail, dass sie es absolut synchron und gleichzeitig machen, entgeht mir dabei nicht. Als sie sich setzten, höre ich die Klappe des Briefschlitz quietschen und die Post auf die Türmatte klatschen.

„Hol die Post, Dudley", sagt Vernon und blättert eine Seite seiner Zeitung um.

„Soll doch Charlie sie holen."

„Hol die Post, Charlie."

„Soll doch Harry sie holen", beschließe ich, das Spiel mitzuspielen.

Ich muss schmunzeln, als Vernon wieder sagt: „Hol die Post, Harry."

>Bitte mach keine Dummheiten, Harry!<

„Soll doch Dudley sie holen."

>Mist! Das ist typisch!<

„Knuff ihn mal mit deinem Smelting-Stock, Dudley."

Harry weicht dem Stock aus und verlässt den Raum.

„Beeil dich, Junge!", sagt Vernon nach einer Weile. „Was machst du da draußen eigentlich? Briefbombenkontrolle?" Er lacht über seinen eigenen Witz, ich verdrehe nur die Augen und Harry kommt durch die Tür hinein, den Blick auf einen Brief gerichtet. Mein Bruder reicht Vernon einen Brief, laut seiner Reaktion (zusammengekniffene Lippen und Augen) vermutlich eine Rechnung, und eine Postkarte.

„Magda ist krank", teilt er Petunia mit. „Hat eine faule Muschel gegessen..."

>Geschieht ihr recht! Sie ist echt eine blöde Kuh! (Zum Glück kommt sie nicht oft vorbei.)<

„Dad!", werde ich von Dudley aus meinen Gedanken gerissen. „Dad, Harry hat da etwas!"

Harry, der gerade dabei ist, den Brief zu entfalten, wird dieser eben von Vernon aus der Hand gerissen. Dann werden wir aus der Küche geschmissen. Das Ende vom Lied ist, dass Harry und Dudley durch die Tür lauschen und ich auf der Treppe sitze und versuche wieder magisch zu sein.

Ich schließe die Augen und stelle mir die Küche vor. Daraufhin konzentriere ich mich auf Vernon und Petunia und darauf, dass ich hören möchte, was sie sagen. Ganz fest denke ich daran, zuzuhören und sie zu belauschen.

Plötzlich spüre ich, wie ein Kribbeln durch meinen Körper strömt und sich in meinem Brustkorb bei meinem Herzen sammelt. Dann durchläuft ein Ruck meinen Körper, als diese Energie durch die geschlossene Tür in die Küche schießt.

Wie durch einen leichten Nebel erkenne ich zwei Personen in der Küche. Die eine hat sich auf einen Stuhl gesetzt, während der andere unruhig durch den Raum wandert und offenbar mit ihr spricht.

„Nein", sagt Vernon. „Nein, wir tun so, als ob nichts passiert wäre. Wenn sie keine Antwort bekommen...", er überlegt.

Verwundert schaue ich mich um. Ich bin mir sicher, dass ich mich keinen Zentimeter bewegt habe und dennoch stehe ich hier. Ich gehe auf Vernon zu und wedele mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum. Anscheinend sieht er mich nicht.

Ich boxe ihn (vorsichtig) in die Seite. Keine Reaktion. Offensichtlich nimmt er mich genauso wenig wahr wie Petunia.

Ich werde aus meinen Überlegungen gerissen, als Vernon fortfährt. Anscheinend ist er fertig mit dem Nachdenken. „Ja, das ist das Beste... Wir tun gar nichts..."

Petunia sieht nicht sehr überzeugt aus. „Aber-"

Vernon unterbricht sie. „Ich will keinen davon im Haus haben, Petunia! Als wir sie aufnahmen, haben wir uns da nicht geschworen, den beiden diesen gefährlichen Unsinn auszutreiben?"

Ich schließe die Augen, um mich auf den Flur zu konzentrieren. Als ich sie wieder öffne, sitze ich erneut auf der Treppe im Flur und kann meine Begeisterung äußerlich nur schwer verbergen Innerlich jedoch strahle ich und feiere eine kleine Party: Ich hatte es geschafft! Auf irgendeine Weise hatte ich es geschafft, Vernon und Petunia zu belauschen!


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Hey, das Kapitel ist mal nicht so lange. Trotzdem hoffe ich, dass es euch ein wenig den Tag versüßen wird!

Liebe Grüße und schönen Sonntag noch!

~1043 Wörter~ ~10.12.2023~

Charlie Dorea PotterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt