Das 10. Türchen - Roman Bürki und eine Halluzination, die keine ist

11 2 2
                                    

Roman

Ich saß inmitten meiner Freunde und Mitspieler, die sich angeregt unterhielten, während meine Gedanken in die Vergangenheit abschweiften. Ich war jetzt schon lange Single, doch nicht etwa weil ich noch an meiner Ex-Freundin hing. Nein, eher weil es sehr schwer war, jemanden zu finden, die mich nicht wegen dem wollte, was ich darstellte. Doch ich wäre wohl nie mit Nastassja zusammen gekommen, hätte ich nicht meine erste große Liebe verloren. Ich kann mich noch sehr gut an SIE erinnern. Marie Reichert, süße sechzehn, schulterlange dunkelbraune Haare, braune Augen und zuckersüß. Wir kannten uns seit unserem vierten Lebensjahr und waren unzertrennlich gewesen. Doch erst mit vierzehn funkte es richtig zwischen uns. Unsere Zeit als Paar war unglaublich schön und wir hatten es auch nicht eilig intim zu werden. Denn wir waren uns auch so schon sehr nah. Aber wenn Gefühle so stark sind, musste es irgendwann passieren. Wir waren gerade erst sechzehn geworden und es war Weihnachten. Wir trafen uns heimlich, als unsere Familien mit der Verwandtschaft beschäftigt waren.

In dem kleinen Cottage meiner Familie ist es dann passiert. Ich habe nie wieder etwas Schöneres erlebt. Dummerweise haben wir die Verhütung über unserer Leidenschaft völlig vergessen. Und wie es so oft ist, bestraft der liebe Gott die kleinen Sünden sofort. Wie auch bei uns. Doch das Marie es mit dem Leben bezahlen würde, hätten wir niemals gedacht. Als sie bereits im 8. Monat schwanger war, zog ihre Familie weit weg und ich wusste genau, dass es das mit uns war. Italien war schließlich nicht nur ein Katzensprung. Doch trotz der Unkenrufe unserer Familien hielten wir aneinander fest und blieben in ständigem Kontakt.

Wir wollten es wohl nicht wahr haben und uns nicht aufgeben. Doch das Schicksal machte uns einen Strich durch die Rechnung. Ich hörte von einem Tag auf den anderen nichts mehr von Marie und sorgte mich sehr um sie und unser Baby. Ihre Eltern reagierten auch nicht auf meine Anrufe und Nachrichten. Obwohl meine Familie hinter mir stand, konnten sie auch nichts ausrichten. Es dauerte ganze vier Monate bis mich Maries Vater anrief. Seine Worte habe ich nie wieder vergessen. „Es tut mir unsagbar leid, mein Junge. Marie hat es nicht geschafft und eure Tochter ist kurz darauf gestorben. Es tut uns sehr leid, das wir uns erst jetzt melden. Aber der Schmerz und die Trauer ... das verstehst du doch?"

Ich hatte kein Wort herausgebracht und mein Handy an meine Mutter weiter gegeben, die sich für den Anruf bedankte und auflegte. Dann nahm sie mich in ihre Arme und versuchte mich zu trösten. Doch das war zu diesem Zeitpunkt unmöglich gewesen. Ich hatte die Liebe meines Lebens und unser Baby verloren. Da konnte mich nichts trösten.

Die ersten Jahre waren der absolute Horror für mich gewesen und dann kam noch dazu, dass ich nicht wusste, wo die beiden begraben lagen. Maries Eltern verwehrten mir eine Antwort, was ich überhaupt nicht verstehen konnte. Auch meine Eltern waren richtig sauer. Aber machen konnten wir trotzdem nichts. Selbst als ich Nastassja drei Jahre später kennen lernte, war der Schmerz über meinen Verlust noch immer existent. Aber auf Anraten meiner Familie, die sie alle gern hatten, ließ ich mich darauf ein. Was wäre wohl geschehen, wenn Marie nicht gestorben wäre? Vielleicht könnten wir dann bis heute eine glückliche Familie sein. Dann hätte ich meine Ex wohl nie kennen gelernt. Doch missen möchte ich die Zeit mit ihr auch nicht, so übel war sie ja nicht. Sie hat mir immerhin über den Schmerz hinweg geholfen.

Da holte mich mein bester Freund Daniel aus meinen trüben Gedanken. Er schüttelte mich etwas und rief immer wieder meinen Namen. Ich erwachte aus meiner Starre und sah ihn an. „Alles in Ordnung, Roman? Du warst ja richtig weggetreten!", fragte er mich besorgt. Auch die anderen standen um uns herum. Sie sahen ebenso besorgt aus. Das tat mir leid, das wollte ich doch nicht. „Sorry Jungs, ihr müsst euch keine Sorgen machen. Ich war nur in Gedanken", redete ich mich schnell heraus.

Sie nickten zwar, aber ich hatte das Gefühl, das sie mir nicht wirklich glaubten. Eine Stunde später gingen alle bis auf Daniel und irgendwie beruhigte mich das erst einmal. Doch kaum schloss sich die Tür hinter den anderen, lauerte er schon und sah mich so an, als könnte er in meinen Kopf hinein sehen. Ich wich ihm aus und ging in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Natürlich folgte Daniel mir und verlangte eine ehrliche Antwort. „Es ist so wie ich es gesagt habe. Du kannst mir glauben, es geht mir gut. Auch einen Kaffee?" Ich dachte erst, er würde nicht nachgeben. Doch er nickte. „Okay, ja Kaffee klingt gut", sagte er und so machte ich uns zwei Kaffeebecher fertig und reichte ihm einen. Meinen nahm ich ebenfalls mit ins Wohnzimmer. Ich versuchte meine Gedanken von der Vergangenheit frei zu machen, bevor ich erneut in so eine Situation geraten konnte. „Zocken?" Ich sah Daniel an, doch er schüttelte nur den Kopf. „Wollen wir nicht lieber zum Weihnachtsmarkt?", fragte er mich und ich willigte ein. Bevor wir aber los konnten, klingelte es.

Adventskalender 2023Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt