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Ich saß in dem wohl nobelsten Büro, das ich je gesehen hatte. Es gab ein riesiges Fenster und eine große Wand mit einem Bücherregal. Der Schreibtisch war aus Mahagoni und die Wände in einem Aubergine Ton gehalten. Mir gegenüber saß Melissa Blake, Carters Mutter. Sie hatte ihre blonden Haare zu einer eleganten Hochsteckfrisur frisiert und steckte in einem weißen, eng anliegenden Kleid. Carter, der immer noch fassungslos war, saß neben mir.
„Wie geht es dir, Liebes?" Mrs Blake sah mich besorgt an. Ich musste schrecklich aussehen.
„Meine Nase tut etwas weh, aber das ist schon ok", winkte ich ab.
Mrs Blake lächelte. „Carter hatte schon immer einen harten Schlag. Ich erinnere mich, als er sieben war, hat er einen Jungen so fest ins Gesicht geschlagen, dass..."
„DU HAST KEIN RECHT DARÜBER ZU REDEN!", brüllte Carter plötzlich.
Sowohl Mrs Blake als auch ich zuckten zusammen. Na sieh mal einer an, da hatte jemand seine Stimme wieder.
„Carter, sei nicht immer so impulsiv. Das hat dein Vater dir auch immer gesagt!" Mrs Blake schien sich schnell von dem Schrecken erholt zu haben. „Wollt ihr etwas trinken?"
Ich schüttlete den Kopf. Ich wollte Antworten.
Carter sah ihr geradewegs in die Augen. „Warum hast du das getan?"
„Was mein Schatz?" Mrs Blake schenkte sich eine Kaffee ein.
„Warum hast du deinen Tod vorgetäuscht und deinen Sohn und deine sechsjährige Tochter alleine gelassen?!" Carter stand wieder kurz vor dem Verlust der Beherrschung.
„Das ist eine lange und komplizierte Geschichte, mein Schatz."
„Wir haben Zeit!", erwiderte ich.
Mrs Blake seufzte und nickte. „Nun denn. Vor siebenundzwanzig Jahren, bevor du geboren wurdest, Carter, hatte ich eine Affäre mit einem Mann namens James Cameron. Ich war damals zwar schon mit deinem Vater verheiratet, aber ich habe James sehr geliebt. Es kam, wie es kommen musste. Ich wurde schwanger. Jedoch nicht von meinem Ehemann. Natürlich habe ich behauptet die Kinder seien von ihm..."

"Was meinst du mit 'den Kindern', Mutter?", Carter sah seine Mutter überrascht an.

"Du hattest einen Zwillingsbruder. Es waren zweieiige Zwillinge. Kurz vor der Geburt, fand ich heraus, dass...James unter einem Pseudonym eine Frauenschmugglerbande führte. Ihr könnt euch sicher denken, um welchen Namen es sich handelt."

"Harry Lincoln." Ich nickte.

"Jedenfalls gebar ich die Zwillinge. Doch James hatte einen der Zwillinge für sich gefordert. Sozusagen als Nachkomme für seine Geschäfte. Ich war natürlich nicht einverstanden. Ich wollte nicht, dass eines meiner Kinder in einem kriminellen Umkreis aufwächst. Daraufhin drohte mir James. Er würde sich dann eben ein Kind ins Krankenhaus holen kommen, wenn ich ihm keins geben würde. Ich wollte das unter allen Umständen verhindern. Also willigte ich ein. Einer von James Kontakten arbeitete in der Klinik, in der die Kinder zu Welt kamen. Es war eine Krankenschwester. Sie trug ein, dass einer der Zwillinge tot geboren worden war und übergab ihn dann James. Ich hatte also offiziell nur ein Kind bekommen, mein Mann bekam diese Geschichte natürlich auch erzählt. Fünfzehn Jahre später, wurde ich von ein paar Männern aus James Bande bedroht. Sie wollten auch meinen anderen Sohn haben." Melissa blickte kurz auf und sah Carter in die Augen. "Ich wollte dich nicht auch an ihn verlieren. Es war wie ein Fluch. Ich hatte mich auf ihn eingelassen, doch auch nachdem ich unsere Beziehung beendet hatte, verfolgte er mich immer noch. Die drei Männer, die James auf mich angesetzt hatte, scheuten vor nichts zurück. Sie bedrohten meine Familie auf direkte Weise, brachen mehrmals in unser Haus ein und beschmierten die Wände. Und dann gingen sie sogar so weit und sprachen mit Heather. Sie war erst sechs. Sie kam nach Hause und meinte 'Mommy, draussen haben mich so komische Männer angesprochen. Sie sagten mir, ich solle dir eine Nachricht überbringen!' Ich war natürlich geschockt und verständigte schliesslich die Polizei. Ich konnte ihnen aber nicht die ganze Geschichte erzählen, mein Ruf wäre dahin gewesen. Ich beschloss also mich mit James zu treffen, um ein Kompromiss einzugehen, jedoch war er dazu nicht bereit. Er meinte dein Sohn oder deine Leiche und ich erwiderte meine Leiche. Ich musste wohl eine Kurzschlussrektion gehabt haben, denn ich organisierte kurzerhand jemanden den mir helfen konnte, meinen Tod zu faken. Als vor sechs Monaten, man mich kontaktierte, dass mein  Sohn mich braucht, weil sein Vater im Streben liegt, bin ich gekommen und habe endlich meinen anderen Sohn kennengelernt!"  Melissa wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln und rief dann: "Aaron, kommst du?"

Girl UndercoverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt