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„Und? Hast du mit ihr geredet?", fragt Hailey, als Jay im Großraumbüro der Wache eintraf und sie ihm in sein Büro folgte.

Aufgrund einer schweren Schussverletzung war Voight mittlerweile in den vorzeitigen Ruhestand gegangen und Jay hatte die Leitung der Einheit übernommen.

Halstead hängte seine Jacke an den Haken, ehe er die Tür schloss und Hailey kurzerhand an seinem Schreibtisch Platz nahm.

Seit Voights vorzeitigem Renteneintritt schienen die Hierarchien sehr flach zu sein.
Im Gegensatz zu Hank verbrachte Jay eher weniger Zeit in seinem Büro und hielt sich die meiste Dauer im Großraumbüro der Wache auf.

„Irgendwie gefällt mir Maddys Verhalten nicht."

„Inwiefern?", wollte Hailey von ihrem Ex Partner wissen, aber Jay zuckte nur nachdenklich mit den Schultern.

„Sie hat letzte Nacht extrem schlimm geträumt. Sie hat geschrien und war klatschnassgeschwitzt."

„Hast du mit ihr darüber geredet? Hat sie die erzählt worüber der Traum war?"

Jay seufzte schwer, bewegte dann den Kopf nach vorn. Die Lage seiner Tochter ging ihm recht nahe.

„Ich glaube, sie hat mich sterben sehen. Verlustängste, das übliche. Das würde sie nie zugeben, aber ich denke, dass es in diese Richtung ging. Aber auch ansonsten habe ich ständig das Gefühl, dass irgendetwas nicht mit ihr stimmt. Immer diese Kopfschmerzen, manchmal wirkt sie völlig abwesend. Dann sagt sie wieder, ihr ist schwindlig. "

Hailey sah sichtlich ergriffen auf ihren Mann.

„Denkst du, sie wirft heimlich irgendwas ein?"

„Ich hab keine Ahnung. Wir müssen das weiter beobachten. Wegen der anderen Geschichte hat sie sich zwar entschuldigt und wir konnten auch relativ offen darüber sprechen, aber irgendwie nimmt das keine gute Entwicklung an."

„Du glaubst dass sie uns nicht vertraut."

„Ich weiß nicht, ob da nicht noch mehr ist, wovon wir nichts mitbekommen. Sie redet gerade noch so viel, dass ich sie nicht beim nächsten Therapeuten anmelde."

„Vielleicht sollten wir erziehungstechnisch einen anderen Film fahren", dachte Hailey lautstark nach und Jay sah sie skeptisch an.

„Was meinst du damit?"
Hailey legte den Kopf schief, bewegte ihn schließlich von einer in die andere Richtung. Unentschlossen sah sie ihren Ex-Mann an.

„Vertrauen schafft man nicht, indem man alles verbietet. Wir hatten in letzter Zeit extrem wenig Zeit für sie. Vielleicht sollten wir daran ansetzen. Sie wird jedenfalls nicht weniger auffällig, wenn wir weiterhin Überstunden schieben und sie am Wochenende bei Freunden unterbringen."

Jay nickte düster.

Dass sich die Gelegenheit bald von ganz allein ergeben würde, ahnte er noch nicht.

„Lass uns mehr Zugeständnisse machen. Auch wenn wir uns weiterhin gut absprechen sollten. Wenn sie nicht merkt, dass sie auf uns zählen kann, besteht das Risiko, dass sie uns entgleitet und wir sie verlieren. Das wird in den nächsten Jahren nicht leichter werden."

„Was hältst du davon, dass wir mal wieder was gemeinsam machen? Irgendwas, das sie auch gut findet."
Hailey nickte ihrem Chef und ehemaligem Partner vielsagend zu. Das klang nach einem guten Plan...

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Als Maddy am Nachmittag die Wache betrat, lag ihre Laune im Keller.
Sie hatte Adam und Kim nur im vorbeigehen gegrüßt und auch Jay fiel auf, dass sie sichtlich unzufrieden wirkte.
Nach zwei Stunden, in denen sie ihrer schlechten Laune Ausdruck verliehen hatte, begab er sich zu ihr in den Aufenthaltsbereich.
Hailey war noch unterwegs, um eine Zeugenbefragung durchzuführen.

„Hand aufs Herz. Was war los? Welche Laus ist dir heute in der Schule über die Leber gelaufen?"
Frustriert sah der Teenager seinen Vater an.

„Gar keine. Ich hab einfach Kopfschmerzen, das ist alles", brummte das Mädchen, aber das schien ihr Jay keineswegs abzukaufen.

„Für gar keine siehst du ziemlich sauer aus", hielt er ihr schließlich das Widerspiel, weshalb sie schwermütig seufzte.

„Na, ja Nayelis Oma ist gestorben. Und am Sonntag ist doch das Pinkkonzert. Da wollten wir gemeinsam hin. Nun wird das ja nichts mehr und jetzt habe ich niemanden, der mich begleitet."

„Klingt nach einem Problem."

Maddy nickte ihrem Vater zu.

„Was mache ich denn jetzt?"

Jay lächelte geheimnisvoll, legte sich vorerst aber noch nicht fest. Er wollte seine Gedankengänge erst mit Hailey besprechen.

„Darüber reden wir heute Abend nochmal, okay?"
Sie nickte verstehend. Aus ihrer Perspektive war das Konzert so gut wie gelauen.

„Hilfst du mir dann, die Karten im Internet einzustellen, um sie weiterverkaufen zu können? Das war mein gesamtes Erspartes."

„Mal sehen. Jetzt habe ich erstmal zu arbeiten, okay? Fängst du schon deine Hausaufgaben an?"
Sie nickte verstehend, stand dann auf und lief zu ihrer Schultasche. Jay lächelte schelmisch, ehe er den Raum verließ und noch einmal ins Büro trat, wo Kim und Adam bereits die neusten Bilder eines Verdächtigen des aktuellen Mordfalls anhefteten.

„Hails, hast du mit Maddy schon etwas spezielles fürs Wochenende geplant?"
Verwundert sah ihn seine Ex Partnerin an, schüttelte mit dem Kopf.

„Wieso? Wie kommst du darauf?"

„Weil ich sie ansonsten zu diesem Pink Konzert begleiten würde. Nayelis Oma ist gestorben und allein können wir sie ja nicht gehen lassen. Oder wolltest du sie begleiten?"
Uptons Blick wurde entsetzt. Sie schüttelte abwertend mit dem Kopf.

„Du hast die breiteren Schultern. Das Alter, in dem ich unsere Tochter Huckepack tragen kann ist vorbei", entgegnete sie grinsend, weil sie den Sachverhalten, dass Jay ihre gemeinsame Tochter nun sogar zum Konzert begleiten wollte, obwohl er ihr den Besuch der Veranstaltung noch vor zwei Tagen verbieten wollte, schon etwas amüsant fand.

„Was grinst du so? Dass wir mehr gemeinsam unternehmen sollten, um Vertrauen aufzubauen, kam von dir. Das war nicht meine Idee."
Aber Hailey schüttelte nur mit dem Kopf und hielt an ihrem Lächeln fest.

„Du bist und bleibst ein Buch mit sieben Siegeln, Jay Halstead", war ihr einziger Kommentar, ehe sie unter seinen verblüfften Blicken abzog.

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Maddy war Jay um den Hals gefallen, nachdem er ihr verkündet hatte, dass er sie zum Pinkkonzert begleiten würde.
Beim letzten Mal, als sie derart in Begeisterungsstürme ausgebrochen war und sich auf diese überschwängliche Weise gefreut hatte, war sie 10 gewesen und er hatte ihr erlaubt, dass sie sich zum Geburtstag das neue IPhone wünschen durfte.

Das Smartphone, das bei beiden Eltern für reichliche Diskussionen gesorgt hatte, war lange ein schwieriges Thema gewesen und schien es auch heute noch zu sein.

Es war nicht zuletzt Jay, der die Sache mit Skepsis betrachtete, denn so toll die Idee auch schien, dass ihre Tochter zu jeder Zeit erreichbar war. Umso gruseliger wirkten all die Apps und Möglichkeiten, die das neue Gerät mit sich brachte. In gewisser Weise hatten sie sich immer auf ihre Tochter verlassen können, aber der mediale Einfluss in dieser Form, stellte die Eltern vor ganz neue Herausforderungen.

Die 13 Jährige saß gerade an ihrem Schreibtisch und machte Hausaufgaben, als Jay den Kopf zu ihrer Zimmertür hinein steckte.

„Ich hab gerade einen Anruf bekommen. Ich muss nochmal aufs Revier. Kommst du hier alleine klar?"
Etwas widerwillig sah sie ihn an.

„Kann ich nicht mitkommen?", sah sie ihn fragend an und verschloss den Stift mit ihrer Kappe.
Jay sah sie etwas genervt an, legte den Kopf schief.
Hätte er im Nachhinein gewusst, wie sich die Fahrt entwickeln würde, hätte er sich nie darauf eingelassen.

„Also gut. Auch wenn ich nicht wirklich kapiere, was daran so spannend ist", brummte er.

„Ich muss nochmal mit Mom sprechen. Von Frau zu Frau."
Amüsiert sah er sie an, nickte dann mit dem Kopf. Er wusste nicht, was es damit auf sich hatte, aber er ahnte, dass irgendeine Frauengeschichte zwischen Hailey und ihr war.
Da sie aufgrund des Konzerts das ganze Wochenende bei ihm verbringen würde, hatte er nicht nein gesagt.

Nur kurz darauf saßen sie im Wagen und fuhren in Richtung Wache. Da Jay noch immer im Dienst war, hatte er sein Funkgerät eingeschaltet.

Sie waren gerade in eine Seitenstraße nahe der Lincon Road abgebogen, als ein Funkspruch eintraf.

„Schießerei in der Tuckson Street. Gibt es Einheiten, die sich in der Nähe befinden?"
Jay sah verbissen in den Rückspiegel. Die Straße war nur wenige Minuten von ihrem Standpunkt entfernt. Allerdings hatte er Maddy im Wagen. Unter normalen Umständen hätte er sofort über Funk bescheid gegeben, aber nun zögerte er.

„Was ist? Warum nimmst du den Funkspruch nicht an?"

„Weil ich keine Polizistin auf der Rückbank sitzen habe", murmelte er ironisch. Er hatte nicht einmal eine zweite kugelsichere Weste. Die Fahrt war nicht ausgelegt, um in einen Schusswechsel zu geraten.

„Du könntest in einer Seitenstraße parken und mich dort raus lassen."

„Es ist schon dunkel draußen", entgegnete er. Anhalten tat er aber doch.
Eigentlich hatte er ähnliche Gedankengänge gehabt. In Momenten wie diesen wurde Jay wieder klar, wie clever sie doch schien. Man merkte immer wieder, dass ihre Eltern bei den Cops waren.
Letztendlich nahm Jay die Funkmeldung doch entgegen. Dann brachte er das Fahrzeug zum stehen, entschloss sich aber für ein anderes Vorgehen.

„Du wartest hier. Ich gehe zu Fuß zum Einsatzort", griff er nach seiner kugelsicheren Weste, die sich auf dem Rücksitz befand. Maddy zog ein unzufriedenes Gesicht, denn erfahrungsgemäß konnten solche Einsätze ewig dauern.

Sie sollte recht behalten, denn Jay kam erst einmal nicht mehr wieder. Nach einer halben Stunde wurde die 13 Jährige zunehmend ungeduldiger. Intelligent wie sie war, drehte sie den Schlüssel im Schloss herum, sodass der Polizeifunkt, der mit dem Funkgerät gekoppelt war aktiviert wurde und was sie dann hörte, ließ ihr Herz zunehmend höher schlagen.

„Wir brauchen Verstärkung. Weitere Einheiten zur Tuckson Road angefordert. Das Funksignal zum Officer ist abgebrochen. Ich wiederhole: Das Funksignal ist abgebrochen."

Die 13 Jährige wusste, was das bedeutete. Vermutlich war ihr Vater in Gefahr.

In diesem Moment konnte sie sich nicht mehr länger zurück halten. Sie öffnete den Wagen, schloss kurz darauf die Tür und steckte den Schlüssel ein. Mittlerweile war es stockdunkel draußen und die Gegend in der sie sich befanden war nicht die lukrativste, die es in Chicago gab.

Sie kam an einer Brückenunterführung vorbei. Zu ihrer Panik musste der Teenager feststellen, dass sich weit und breit kaum Menschen befanden. Vermutlich hatten sie aufgrund der Gefahren fluchtartig den Platz verlassen. Und dann, wenige Minuten später, als sie sich der Unterführung näherte, sah sie es.
Ihr Vater lag zitternd auf dem Boden. Ganz in der Nähe ein zweiter Mann, bei dem es sich offenbar um den Täter handelte.
Ab diesem Moment begann Maddy zu rennen.

Instinktiv griff sie nach ihrem Smartphone und wählte den Notruf. Wie ihr ihre Mutter einst erklärt hatte, vergaß man in derartigen Situationen leicht, was von oberster Priorität war.

Nachdem sie Hilfe angefordert hatte, ließ sie ihr Iphone in der Hosentasche verschwinden, begab sich zu ihrem Vater.

„Dad? Dad, was ist mit dir?"

Benommen lag Jay auf der Straße. Allem Anschein nach war er angeschossen worden.

„Dad, rede mit mir. Mach die Augen auf!", ruckelte sie ihn unaufhörlich an.
Stöhnend hielt er sich die Rippen, wimmerte vor Schmerzen.

„Was machst du hier, verdammt? Ich hab dir gesagt, du sollst im Wagen warten", hörte sie ihn unter den Qualen keuchen, während sie panisch au ihn sah.

Instinktiv öffnete sie sein Hemd. Verdammt, er hatte doch diese kugelsichere Weste getragen.

Seine Kleidung war blutverschmiert. Schwer atmend lag er vor ihr. Sein unruhiger, rasselnder Atem vermischte sich mit den Sirenen des Krankenwagens, die zunehmend näher kamen. Jay lag auf dem kalten Asphalt der Straße.
Maddy betätigte die Laschen an seiner Weste, wie sie es einst beim Erstehilfekurs gelernt hatte, suchte seine nackte Brust nach Kugeleinschüssen ab. Doch da war nichts. Nur viel Blut und eine große Wunde, die aber nicht durch die Haut gegangen war.

„Ich seh nichts. Es ist nicht durchgegangen. Sie sind gleich da, Dad. Der Krankenwagen ist gleich hier" sagte sie panisch, während sie seine Hand hielt und mit weit aufgerissenen Augen auf ihren Vater sah...                             

fighter (Chicago PD fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt