Kapitel 1 - Einöde

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Die Fahrt dauerte gefühlt unendlich lang und irgendwie hatte Harry auch das Gefühl in der Vergangenheit zurück zu reisen. Schon vor über einer halben Stunde war er von der Autobahn abgefahren und war seither durch zwei Orte gekommen mit alten Häusern und je höchstens einem Geschäft darin. Alles wirkte in die Jahre gekommen. Nahezu jedes Gebäude und jeder Zaun könnte einen neuen Anstrich oder mehr vertragen. Selbst die Straße hatte zahlreiche Schlaglöcher - und das war hier wohl die Hauptverkehrsstraße. Sie war so schmal, dass er eben die Luft angehalten hatte, als ein Traktor ihm entgegen gekommen war. Es hätte gepasst, aber besonders viel Platz konnte nicht dazwischen gewesen sein.

Zwischen den Orten gab es nur Wälder, Wiesen und Felder. Nichts sonst. Ein wenig hügelig war es. Man sah hier und da in völliger Einsamkeit einen Bauernhof stehen.
Es könnte schön sein. Abschalten, ganz weit weg von der Hektik und der Fülle der Großstadt. Aber mit dem Wissen, dass man zu einem Mordschauplatz fuhr, wirkte es eher trist und trostlos. Das Wetter war passend grau in grau.

Immer Mal wieder sah Harry abgeknickte Bäume und als er mehr aus den Hügeln heraus und wieder Richtung Fluss fuhr, sah er, dass die Felder teils unter Wasser standen. Als habe das Grundwasser ordentlich hochgedrückt. Auf einem Feld schwammen ein paar Enten und teils waren ganze Seen entstanden.

Es musste hier wohl wirklich ordentlich gestürmt und sehr viel geregnet haben.

"Na toll...", murrte er, als sein Radio nur noch rauschte. Keine Ahnung, was die hier draußen für Sender hörten. Gut, dass er ein Ladekabel fürs Handy bei hatte. Sonst würde er sich vorkommen wie in der Wildnis.

Es kam ein weiteres Dorf, welches hauptsächlich aus alten Bauernhöfen zu bestehen schien. Noch ein paar Einfamilienhäuser dazu. Fertig.

Vor einem Haus saß ein alter Mann und sah sehr misstrauisch sein Auto an und blickte auch kurz Harry ins Gesicht. Toll. Der würde jetzt wahrscheinlich erstmal zwei Stunden grübeln, wer er denn wohl war.

Nach dem Ort bemerkte Harry selbst im Auto den starken Wind. Die Bäume neigten sich alle stark zur Seite. Und die grauen Wolken schienen nur noch darauf zu warten, endlich losregnen zu können.

Hoffentlich würde er vorher am Ziel ankommen. Inzwischen fuhr er lieber nach der Beschilderung. Sein Navi hatte eben schon nichts mehr so ganz richtig angezeigt.

Er bog rechts ab und sah bereits am Horizont einen Kirchturm und ein paar Dächer aufrakten, sobald er über eine Kuppe gefahren war.

Pole Depab lag direkt am Fluss.
Harry fuhr ganz langsam. Vor ihm war einiges los. Klar. Der ganze Cirkus von der Spurensicherung und einige Ermittler rannten hier wohl herum. Aber da war noch mehr.

Ein Mann in Feuerwehruniform nickte ihm zu, als langsam der Regen einsetzte. Mit Traktoren waren die ein Stück weiter wohl dabei, die Gullis sauber zu kriegen, damit das Wasser zumindest in der Theorie abfließen könnte. Hier vorn war eine überspülte Brücke. Der Feuerwehrmann stand bis zu den Knien im Wasser. Dort, wo Harry her musste.

Der Mann winkte ihn vorwärts, sodass Harry langsam wieder anfuhr und langsam über die Brücke rollte. Durch den kleinen Anstieg dahinter musste er immerhin nicht  länger durchs Wasser fahren.

Er fuhr noch ein Stück weiter der Nase nach, bis er tatsächlich vor einem Haus seine Kollegen Zayn Malik und Liam Payne erkennen konnte.
Er parkte direkt neben einem anderen unauffälligen Dienstwagen.

"Hey!", rief er rüber und war sofort patschnass.

"Hey Styles. Komm, wir packen eben mit an. Wir sind hier im Gasthaus untergebracht.", brüllte Payne. Der Wind pfiff unangenehm, sodass man automatisch brüllen musste.

So viel hatte Harry nun nicht zum Schleppen aber so brauchte er kein weiteres Mal gehen. Es hatten Sekunden gereicht, um völlig zu durchnässen.

"Wow. Was ist denn hier los?", fragte Harry, sobald sie in einem muffigen Windfang standen.

"Frag bloß nicht. Als wir heute morgen ankamen, mussten wir mir von einem Traktor über die Brücke gezogen werden. Wir hatten unseren Ruf schon weg, bevor wir einen Fuß aus dem Wagen hatten.", brummte Malik und reichte Harry einen klobigen Schlüssel.

"Sind alle nebeneinander. Wie auf Klassenfahrt.", schmunzelte Payne.
"Aber immerhin mit Einzelzimmern. Bad auf dem Flur. Das ist das Luxuriöseste, was es hier gibt.", murrte Zayn Malik wenig begeistert.
"Was ist das Schlimmste?", fragte Harry und spürte, wie sich kalte Regentropfen ihren Weg in seinen Nacken suchten.

"Keine Ahnung. Vermutlich kackt man da dann noch im Hinterhof auf den Misthaufen.", brummte Malik.

-

Das Zimmer war... Den niedrigen Erwartungen entsprechend. Es war alles Recht muffig. An der Wand hing ein gemaltes Bild von einer Rotte Wildschweinen, die alle im Schnee wohl nach Nahrung suchten. Sah man das Bild zu lange an bekam man vermutlich Hunger und fror.
Das Bett knatschte etwas, aber es hatte die dickste Decke, die Harry jemals gesehen hatte. Auch das Kissen war sehr voluminös.
An der Wand hing ein Kreuz.

-

Harry ging wieder hinunter. Die Treppenstufen waren reichlich ausgetreten und der Handlauf abgegriffen. Es musste toll ausgesehen haben, als das hier damals alles neu gewesen war.

"Der Sturm ist gerade zu stark. Vorerst sitzen wir hier drinnen fest. Komm mit. Es gibt ein Herrenzimmer für privatere Runden. Da haben wir vorerst unser Quartier.", erklärte Malik und ging an einem Barraum vorbei, voran.

"Seit wann stürmt es hier?", fragte Harry und dachte an die unter Wasser stehenden Felder und umgekippten Bäume auf dem Weg hier her.

"Seit gestern Abend. Eigentlich sollte es wohl erst in der Nacht losgehen. Hat mehrere Leute überrascht. Zwischendurch lässt es mal nach, wie vorhin. Aber sobald der Sturm wieder zu stark wird, muss man rein. Da fliegen Dachziegel und Mülltonnen durch die Gegend.", erklärte Malik, während Harry sich die Fotos auf dem großen Tisch in der Mitte ansah.

"Was haben wir denn bisher? Ich weiß nur, dass ein 28 Jahre alter Mann getötet wurde?", fragte Harry.
"Ja. Jim Mictiv.", sprach Liam und zog ein Foto zu Harry heran.
Ihm sah ein junger Mann mit braunen Locken und braunen Augen entgegen. Er hatte ein paar Sommersprossen und ein verschmitztes Grinsen im Gesicht. Das Bild war ein Selfie.

Liam zog ein weiteres Bild heran. Dort sah man den gleichen Mann. Er lag auf staubigem Boden. Ein wenig Laub war um ihn herum zu sehen.
Er trug eine Jeans und einen dunkelgrünen Anorak und sah ein bisschen aus, als würde er schlafen. Wäre da nicht die Blutlache um seinen Kopf...

Uah, ich beschreibe ja sonst immer sehr wenig von der Umgebung usw und dachte, ich probiere das Mal aus, das zu beschreiben. Ich hoffe es war lesbar.
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

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