Kapitel 3 - Zeitvertreib

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"Ab wann war die Straße gestern Abend gesperrt?", fragte Liam und klebte die Karten mit Tesafilm an einen Schrank, der größer war, als Harrys ganze Wohnung in London.

"Oh, gute Frage... Ich vermute ab 6:30pm? Genau kann ich das nicht sagen. War hier im Pub. Ein geselliges Bier...", lächelte Barns, als sei er ein frecher kleiner Junge, den man bei einem Streich erwischt hätte.

"6:30pm... Da wurde das Opfer von William Tomlinson gefunden.", rief Zayn allen in Erinnerung.
"Warum hat der sich untergestellt? Ich meine, wenn er in Aussicht hatte, dass der da stundenlang ausharren muss?", Frage Liam und besah sich den Weg von der Mühle zur Bäckerei auf dem Bild.

"Oh, das hatte er nicht in Aussicht. Die Stürme hier sind immer intervallartig. Und bevor man einen Dachziegel auf den Kopf bekommt, sollte man warten. Das bringen wir schon den Kindern bei.", erklärte der pensionierte Polizist nachsichtig, als könnten solche Städter wie sie hier draußen keine zwei Stunden ohne Hilfe überleben.

"Okay. Wen haben Sie denn hier alles im Pub gesehen?", fragte Zayn und versuchte, nicht allzu genervt zu klingen.

"Och, Roswitha, die Eigentümerin stand hinter der Theke. Ihr Mann, Edgar, hat in der Küche gearbeitet. Aber ich habe ihn zwischendurch zwei Mal gesehen. Einmal hat er ne Kiste Cola gebracht und einmal hat er kurz mit Roswitha gesprochen. Ich saß da mit Walter und Benjamin. Wir sind oft zusammen da und-"
"Walter und Benjamin?", unterbrach in Zayn direkt.
"Oh, Walter McGener. Er hatte hier den letzten Lebensmittelladen. Wurde vor 15 Jahren geschlossen. Er hat danach im Laden in der Stadt gearbeitet. Ist seit zehn Jahren in Rente. Und Benjamin Furst hat die Schlosserei. Sein Sohn soll sie übernehmen. Der Knabe gehört auch nicht mehr in den Betrieb. Aber der Junge hat noch nicht zugesagt."
"Ah okay. Und sie saßen die ganze Zeit zusammen?"
"Ja. Naja, außer einer war mal zur Toilette. Aber sonst waren wir die ganze Zeit da... Hm.. Hinten in der Ecke saßen noch Margot Rusth und Abby Millton. Die sind aber um 5pm etwa gegangen. Sie sind schon immer Freundinnen. Jetzt kurz vor der Rente. Rund zehn Jahre jünger als ich. Nette Mädels."
"Hm..  und sind die netten Mädels öfter da?"
"Es kommt vor. Sie stehen dem Frühlingsfestkomitee von Pole Depab vor. Da treffen sie sich oft. Ist immer super organisiert das Fest."
"Frühlingsfest?", fragte Zayn und blickte zweifelnd hinaus in den Herbststurm.
"Oh, nach dem Frühlingsfest ist vor dem Frühlingsfest. Unser Ort lebt. Wir pflegen das Vereinswesen.", erklärte Peter stolz.
"Ah ja... War Jim wo mit dabei?", fragte Zayn und gab sich wirklich Mühe anerkennend zu klingen.
"Aber natürlich. Feuerwehr-, Fußball-, Sport-, Musik-, Heimat- und Verkehrsverei-"
"Ich wollte nicht alle Vereine aufgezählt haben, sondern nur die, in denen Jim Mitglied war."
"Ja, da war ich doch dabei, mein Junge.", lachte der pensionierte Polizist rau.
"Oh.", machte Zayn nun wirklich ziemlich verdattert.
"Jim war also sehr engagiert im Dorf?", machte Liam weiter.
"Ja. Alle machen das. Ich sag ja: nur gute Leute. Jeder ist für jeden da."
"Hatte Jim Feinde?", fragte Liam weiter , trat von der Karte zu einem der breiten Ledersessel, setzte sich und lehnte sich zurück. Der Regen trommelte inzwischen laut gegen die Fensterscheiben.

"Nein! Wir sind hier auf dem Land. Hier hat man keine Feinde. Sind doch nicht in Hollywood.", erklärte Peter, als sei das absolut abwegig.
"Jemanden, mit dem er nicht so gut, wie mit allen anderen auskam?", fragte Liam das gleiche, nur weniger provokativ weiter und verschränkte die Arme.

Harry stand möglichst unbeteiligt herum. So hatten sie schonmal zusammen agiert. Zayn, Liam und er. Und es hatte sehr gut funktioniert. Damit es klappte, musste er aber gerade unbedingt die Klappe halten. Damit Barns hinterher mit ihm arbeiten wollen würde, weil er keinen Bock mehr auf Liam und Zayn hätte.

"Na, vermutlich. Aber nichts, weswegen man jemanden umbringt. Wir sind eine Gemeinschaft. Wenn es Ärger gibt, klären wir das und weiter geht's.", meinte Peter mit einer wegwerfenden Handbewegung.
"War Jim mal in Ärger verwickelt?", wollte Liam noch immer nicht locker lassen.
"Ach, nein. Jim war immer ein guter Junge.", seufzte Peter und sein Blick glitt zwischen dem glücklichen Selfie und dem Bild der Leiche betroffen hin und her.

"Seine Eltern: Was machen die?"
"Seine Mutter Debbie ist Arzthelferin. Sie arbeitet in der Praxis. Sie ist übrigens auch im Frühlingsfestkomitee. Jaha.. Wir sind ja froh, so lange Dr. Rocdot noch macht. Er ist ja auch schon weit inne 70. Der einzige Arzt im Umkreis von 20 Kilometern... Die alten Leute haben doch kein Auto und ein Bus fährt nur zwei mal die Woche. Dann geht's uns schlecht, wenn Dr Rocdot aufhört... Der Vater von Jim, Brian, arbeitet in der Stadt bei der Verwaltung. Gute Leute. Hören Sie, Sie verschwenden hier ihre Zeit.", murmelte Peter und schien gedanklich noch dabei zu hängen, was wäre, wenn der Arzt in den Ruhestand gehen würde.

"Ach, es ist eh Sturm und wir kommen nicht weg. Wir sehen das als Zeitvertreib.", sprach Zayn mit einem ironischen Grinsen.
"Über was streitet man sich denn, so ganz allgemein, hier im Ort?", fragte Liam nochmal allgemeiner.
"Ach, Kleinigkeiten. Wenn wer die Straße zuparkt zum Beispiel, kann es mal Theater geben, wenn es den Leuten zu gut geht und sie nichts anderes zu tun haben, als sich aufzuregen. Oder wenn wer was ungefragt ausleiht und nicht innerhalb eines Jahres zurückgibt oder so. Lapalien. Unstimmigkeiten eben. Neulich ging es um einen Zaun, der dringend gestrichen werden sollte. Nichts Dramatisches."
"In Ordnung... Ich denke, das war es erstmal.", seufzte Liam und Peter stand langsam auf und ging zur Tür.

"Einen schönen Abend Ihnen dann noch und danke für ihre Hilfe.", sprach Harry freundlich.
Peter nickte ihm knapp zu und ging.

"Einen schönen Abend Ihnen dann noch und danke für Ihre Hilfe..", äffte Zayn ihn nach.
"Ey, er macht mit.", sprach Harry, sah dann aber Zayns breites Grinsen und schlug seinem Kollegen spaßhaft gegen den Oberarm, der belustigt schnaubte.

"Toll. Wir sind genau so weit wie vorher. Jim wurde kaum erschlagen, weil er einen Zaun nicht rechtzeitig gestrichen hat.", seufzte Liam.
"Nein, das denke ich auch nicht. Aber wir wissen: der Mörder kommt aus Pole Depab.", murmelte Harry und betrachtete die Luftaufnahme des Orts.

So. Wir fangen mal ganz sachte mit dem Ermitteln an. 😅
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

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