Kapitel 11 - Bei der Mühle

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Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her.

"Was ist das?", fragte Harry, weil sie die ganze Zeit mechanische Geräusche hörten.
"Das sind die Pumpen. Die freiwillige Feuer versucht die Straße frei zu kriegen.", erklärte Louis, als wäre das selbstverständlich.
"Wie alt sind die Pumpen?", fragte Harry verwirrt.
"Keine Ahnung. Vermutlich so hundert Jahre. Es gibt sehr viel leisere, wo das jemanden stört. Aber hier.. naja....", schmunzelte Louis.

"Wie weit ist die Brücke von hier weg?", fragte Harry.
"Hm... Wenn man da lang geht so 15 Minuten? Keine Ahnung. Da vorne bin ich nie."
"Hilft da keiner von der anderen Seite?"
"Nein. Erst nach ein paar Tagen, wenn die Lebensmittel knapper werden."
Harry nickte minimal verstört und sie gingen weiter.

"Wenn man hier lang geht, kommt man direkt bei der Mühle raus.", erklärte Louis irgendwann und zeigte auf einen winzigen Trampelpfad.
"Der ist nicht auf unserer Karte.", murmelte Harry. Er hätte ihn ohne den Hinweis nicht bemerkt. Man musste direkt zwischen Brombeerbüschen entlang starksen.

"Der ist auf keiner Karte.", meinte Louis nur achselzuckend.

"Können wir...?", fragte Harry.
"Nach dir.", murmelte Louis und folgte Harry. Tatsächlich musste man nur zwischen zwei riesigen Holunderbüschen hindurch. Dahinter war der Weg dann sehr viel besser zu betreten und nach knapp zehn Minuten standen sie vor der Mühle.

Louis stockte sichtlich.

"Wir müssen da nicht rein.", stellte Harry schnell klar. William hatte ja gesagt, dass Louis sehr sensibel war und er wollte den Jungen lieber nicht in irgendeinen Zustand bringen, der ärztliche Hilfe erforderte, während hier noch immer kein Mensch hin kommen konnte.

"Es ist... Er wollte das ja nicht, weißt du? Er hatte ja bestimmt irgendwas anderes vor..."
"Weißt du von seinen Plänen?"
"Nein."
"Louis, irgendwas macht dir Angst. Ich wüsste gern was."
"Irgendjemand hier hat einen Menschen getötet. Und wir begegnen dem ganz normal, weil wir ja nicht wissen, dass er das war."
"Das ist richtig. Aber es hilft auch nicht einfach jeden zu verdächtigen."
"Das ist es auch nicht, was mich erschreckt. Irgendjemand hier hat einen Menschen getötet und er begegnet uns allen ganz normal...", murmelte Louis.
"Ja, der Gedanke kann einem Angst machen. Aber viele Täter blenden ihre Tat aus, weißt du? Als hätten sie sie nicht begangen. Gerade bei Taten aus dem Affekt heraus. Dadurch wirken sie auf uns unschuldig und sie fühlen sich auch so."
Louis nickte nur knapp.

"Du hast bei unserem ersten Gespräch gesagt, dass du Angst hast, das Gleiche zu machen, was für Jim den Tot bedeutete. Was genau meintest du damit?"
"Nichts bestimmtes. Jim wird sich ja kaum so verhalten haben, wenn er gewusst hätte, was das für ihn bedeuten könnte... Es sei denn er wusste es. Aber das weiß ich ja wiederum nicht.", erklärte Louis, als sein Handy klingelte.

Schnell ging er ran: "Ja?.. Ich bin mit Chilli raus... Äh, nein Mr Styles ist bei mir... Nein, wir haben uns nur unterhalten... Nein, alles okay... Gerade bei der alten Mühle, aber wir gehen-... Wir gehen-... wir geh-... Wir gehen da nicht rein... Musst du nicht... Nein... Nein, das ist nicht nötig... Wieso fragst du mich, wenn du es eh machst?... ja... Ja... Ja, ich warte hier. Bis gleich."

"Oh, kein gutes Gespräch?", fragte Harry und gab sich gar nicht erst die Mühe so zu tun, als habe er nicht gelauscht.

"Mein Bruder... Er ist manchmal etwas sehr beschützerisch. Er hat Angst, dass ich irgendwie einen Anfall kriege wegen Mama und Papa und so."
"Aber das tust du nicht?"
"Manchmal vermisse ich sie so doll, dass es sehr sehr weh tut. Aber deswegen breche ich jetzt nicht zusammen. Opa hat immer gesagt, man muss stark sein. Man darf sich nichts anmerken lassen...", erklärte Louis und Harry wollte ihm nur zu gern sagen, dass Traumatherapeuten und Psychiater und alle anderen einem damals 8 Jahre altem Jungen definitiv etwas anderes gesagt hätten und ihn nicht direkt zu einer Verdrängung aufgefordert hätten. Aber was würde Louis das jetzt helfen? Also lächelte er nur möglichst nichtssagend.

"Du sollst hier warten?", fragte er dann.
"Ja...", murmelte Louis.
"Hast du Mal was von Jim und Geld mitbekommen?"
"Nein. Ich wüsste nicht... Aber William ist ja gleich hier. Dann kannst du den fragen. Der weiß bestimmt besser Bescheid."
"Hat dein Großvater noch viele lichte Momente?", fragte Harry. Er musste die letzten Minuten noch nutzen.
"Nein. Inzwischen ist er... Ich weiß nicht. Es ist, als würde er in einer anderen Zeit leben. Ich weiß nicht, wann er mich das letzte Mal erkannt hat. Er freut sich manchmal, wenn er mich sieht, weil er denkt, dass ich mein Vater bin. Und manchmal schimpft er doll, weil... Keine Ahnung. Ich weiß es nicht."
"Wird er aggressiv? Körperlich meine ich?"
"Schon manchmal. Aber sein Körper ist gebrechlich. Also wenn man nicht zu nah dran geht...", murmelte Louis.
"Seit wann ist der dement?"
"Die Diagnose kam vor fünf Jahren. Aber es ging davor schon eine Weile. Er... Wollte das nicht einsehen. War genervt, wenn wir dann nicht die Wäsche im Geschirrspüler gelassen haben und sowas."
"Da warst du 13."
"Ja."
"Hat man... Gab es nie Überlegungen, ob du nicht vielleicht besser woanders aufgehoben wärst?"
"Nein. William war ja schon Erwachsen. Da konnte ich hier bleiben. Seit er zwanzig ist, hat er meine Vormundschaft gehabt."
"Vorher wollte er hier weg?"
"Keine Ahnung, ob er so richtig wollte. Er hat sich auf mehrere Ausbildungsplätze beworben. Eben auch weiter weg. Aber er wollte mich ja dann nicht mit Opa allein lassen und seine Freunde und alle waren ja auch immer hier. Da macht man sich so eine Entscheidung nicht so leicht."
"Deswegen willst auch du bleiben?"
"Wo sollte ich sonst hin auf der Welt?", fragte Louis, als sich William zu Fuß näherte.

"Hey. Alles okay, Lou?", fragte William abgehetzt.
"Ja."
"Wieso bringen Sie ihn hier hin? Muss ich was wissen?", fragte William an Harry gewandt argwöhnisch.
"Nein. Alles in Ordnung. Ich war bei den Smiths und ihr Bruder kam daher. Mir war nach frischer Luft."
"Okay. Das kann ich verstehen.", brummte William.
"Aber wissen Sie vielleicht was von Jim und Geld?", fragte Harry dann.
"Hm... Vorm halben Jahr hatte sein Wagen einen Motorschaden.  Da war er sehr knapp."
"Wie knapp?"
"Ich hab ihm ein zinsloses Darlehen angeboten. Durch die Bäckerei und das Pflegegeld von Opa... Wir schwimmen nicht im Geld, aber für meinen besten Freund hätte ich das gemacht."
"Dann haben Sie ihm eine größere Summe geliehen?", fragte Harry.
"Nein. Er hatte Angst, das könne doch irgendwie unsere Freundschaft belasten. Er war da sehr vorsichtig. Eine Weile später hat er einen neuen Motor gekauft und meinte, das ginge schon. Er hatte wohl eine andere Geldquelle aufgetan. Ich hab nicht weiter gefragt, weil es ihm so unangenehm gewesen ist.", erklärte William und Harry nickte langsam.

Tja, kein Geld von William.
Bis dann.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

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