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So wirklich überzeugt war ich von dem Ort trotzdem nicht. Klar, es gibt ein Meer, und das Haus sieht echt riesig aus, aber ich werde sicher meine Heimat schrecklich vermissen. Dort hatte ich zumindest einen Freund – okay, eigentlich nur einen aktiven Freund, mit den anderen hatte ich nicht mehr wirklich Kontakt. Aber was soll's, ich hatte zumindest einen. Hier werde ich erstmal komplett alleine sein, nur mit meinen Eltern. Naja, es sind ja keine Gleichaltrigen, mit denen ich Spaß haben kann. Manchmal, ja wirklich manchmal, haben wir echt Spaß miteinander, aber momentan...

Vielleicht hat mein Vater ja recht, und mir wird es irgendwann hier gefallen. Ich hoffe einfach mal, dass wir eine gute Schule für mich finden, wo ich Freunde finde und die nicht alle so respektlos zu mir sind. Immerhin hatte ich diese Schule hinter mir gelassen – es muss eben immer etwas Positives geben, und das schien es zu sein. Mir fiel nämlich im Moment nichts Besseres ein.

Ich betrat das Haus, meine Koffer hinter mir herziehend. Meine Mutter erwartete mich bereits, und wir schleppten gemeinsam meine Sachen nach oben. Sie zeigte mir schnell das Zimmer und öffnete die Zimmertür. Als ich mein Zimmer betrat, ließ ich meine Koffer auf den Boden fallen und tänzelte ein wenig glücklicher als vorhin herum. Wow, wie groß es hier ist, dachte ich. So groß hatte ich es mir nicht vorgestellt. Ich dachte eher an ein kleines Zimmer – vielleicht sogar kleiner als mein altes Zimmer. Aber damit hatte ich mich völlig verwirrt.

Ich entdeckte einen Balkon und lief sofort dorthin. Der Ausblick auf das glasklare Meer und den sandigen Strand von hier oben war wirklich wunderschön. Der wolkenlose Himmel schien beinahe noch ein helleres Blau zu haben als Zuhause.

Ich setzte mich auf den Sessel, der bereits im Zimmer stand, und konzentrierte mich für ein paar Minuten auf meine Gedanken. Doch kurz darauf wurde ich aus meinen Überlegungen gerissen, als mein Vater ins Zimmer kam: „Du hast ja noch nicht einmal angefangen auszupacken! Na komm schon, wir wollen uns doch nachher noch ein bisschen in der Gegend umschauen. Wenn du nicht langsam anfängst, wird das heute nichts mehr. Also beeil dich bitte!" Er musterte das Zimmer, runzelte die Stirn und fuhr fort: „Das sind nicht alle Koffer, Melina! Du hättest zumindest die anderen schon längst in dein Zimmer bringen können. Jetzt mach schnell und hol die restlichen Koffer aus dem Auto!" Mit diesen strengen Worten drehte sich mein Vater um und verließ mein Zimmer.

Augen verdrehend erhob ich mich aus dem Sessel und begab mich wieder hinunter zum Auto. Unten angekommen, öffnete ich erneut den Kofferraum, um wie von meinem Vater aufgetragen die letzten Koffer in mein Zimmer zu bringen – schließlich wollte ich nicht noch mehr Ärger riskieren. Als ich die restlichen Koffer herausgeholt hatte, stieß ich mir den Kopf am Kofferraum. Schnell wich ich zur Seite aus und rieb mir die schmerzende Stelle. Die Koffer hob ich nun wieder auf, denn vor Schreck hatte ich sie zuvor versehentlich fallen gelassen. Zum Glück waren sie geschlossen, sonst hätte ich wahrscheinlich wirklich Ärger von meinen Eltern bekommen. Aber zum Glück war das nicht passiert. Auf den Koffern saß ein weißer Vogel, der mich erschreckte, und ich ging erneut ein paar Schritte zur Seite .

Ich musterte den Vogel. Er sah aus wie eine Schneeeule, aber was sollte so eine hier zu suchen haben? Sind Eulen nicht eigentlich eher nachtaktiv? Vorsichtig ging ich einen Schritt auf sie zu und hielt ihr meine Hand hin. „Wer bist du denn?", fragte ich die hübsche kleine Eule leise, um sie nicht zu erschrecken. Die Eule flog kurz hoch und landete dann auf meinem Kopf. Ich kicherte leise und blieb ruhig stehen. Kurze Zeit später hörte ich weitere Vögel landen – vermutlich vom Baum hinter mir. Die kleine Eule auf meinem Kopf drehte ihren Kopf um und flog los zu den anderen Vögeln. Ich winkte ihr hinterher. „Bis hoffentlich ganz bald, Vogel!", rief ich ihr zu, während ich meine Koffer nahm und zurück zum Haus schleppte.

Die Vögel flogen noch Richtung Meer, bevor ich endgültig das Haus betrat. Stimmt, zum Meer möchte ich auch unbedingt bald mal gehen! Aber kein Stress – wir sind gerade erst angekommen, es bleibt noch genug Zeit, um uns hier umzuschauen. Das dachte ich mir, während ich meinen Vater mit einem nicht so gut gelaunten Gesichtsausdruck auf mich zukommen sah. „Da bist du ja endlich!", schnauzte er mich an, als ich gerade die Tür hinter mir schloss. „Los, komm schon. Beeil dich mal. Was hast du denn so lange draußen getrieben, hm?" Er runzelte die Stirn und wandte sich dann schnell wieder von mir ab, um sich den Umzugskartons im Flur zuzuwenden.

Ich lief die Treppen wieder hoch und hievte meinen Koffer hinter mir her. Als ich endlich in meinem Zimmer ankam, schloss ich die Tür. „Er nervt echt manchmal", dachte ich und ließ die Koffer los, bevor ich mich auf mein Bett schmiss. Mein Vater hatte während meiner Zeit draußen bei dem Vogel wohl noch mehr Umzugskartons in mein Zimmer gestellt – Yippie, noch mehr zum Ausräumen, wie ätzend. Ich starrte eine Weile die Wand vor mir an, bevor ich mich schließlich entschied, aufzustehen und mich den Kartons zu widmen. Wirklich interessant war das Ganze nicht, und ich ließ mich ziemlich oft von neuen Geräuschen draußen ablenken. Das war wirklich viel spannender, als Kartons auszuräumen und für alles einen Platz zu finden.

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