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Meine Mutter kam plötzlich in mein Zimmer. Ich bemerkte sie anfangs nicht, da ich gedankenversunken auf das Bild starrte. Sie berührte mich an meiner Schulter, was mich zusammenzucken ließ. „Bin ich etwa so gruselig, dass du dich immer vor mir erschrecken musst?" fragte meine Mutter belustigt und wuschelte mir durch die Haare, was ziemlich oft geschah. Ich richtete genervt meine Haare wieder und schmunzelte. „Nein, nein, ich war nur so in Gedanken versunken, dass ich dich gar nicht reinkommen gehört habe."

„Wenn das so ist..." Sie lächelte und schaute mit aufs Foto. Sie lehnte ihren Kopf an meinen und seufzte. „Wie friedlich dein Vater und ich da noch waren." Ich nickte. „An genau das habe ich auch gerade gedacht." Meine Mutter wechselte das Thema: „Wie hast du es eigentlich schon wieder geschafft, dass dein Vater so sauer auf dich ist?" fragte sie sanft, während sie sich auf mein Bett setzte.

„Er findet es so schlimm, dass ich gestern Abend komplett übermüdet eingeschlafen bin." Ich verdrehte die Augen. „Du weißt doch, wie er momentan ist," meinte ich dann noch. ~Warum kann nicht alles wie früher sein?~ fragte ich mich traurig und sah auf den Boden. „Es wäre wirklich schön, wenn wir das alles mal wieder hinkriegen würden wie früher, da hast du schon recht." Ich erschrak – konnte meine Mutter jetzt Gedanken lesen oder was? Weiter ging ich aber nicht darauf ein, ich wollte zurück zu dem Foto, eher gesagt zum zweiten Foto, das ich entdeckt hatte. Das Bild, auf dem meine Eltern geheiratet hatten. Das Ganze ist schon zehn Jahre, zehn Monate und drei Tage alt. Ja, ich kann mir dieses Datum wirklich gut merken, es war einer meiner Lieblingstage. Ich war vier Jahre alt, als sie sich verlobten. Auf dem Foto sieht man sogar mich daneben stehen. Kleine Melina, mit einem Blumenstrauß und einem komplett weißen Kleid, strahlend vor Freude. Meine Mutter erzählte mir früher immer, wie glücklich ich war, als sie sich das „Ja-Wort" gaben.

Dass ihre Ehe nach noch nicht mal zehn Jahren so den Berg runtergeht, war nicht geplant. Man sah meiner Mutter deutlich an, dass sie dies ziemlich mitnahm. Verständlich, denn sie hat meinen Vater echt gern, sonst hätten sie schließlich auch nicht geheiratet.

Ich holte das Foto aus dem Karton und setzte mich damit neben meine Mutter. „Guck mal," sagte ich lächelnd und hielt es ihr vor das Gesicht. Meine Mutter nahm es mir sanft aus der Hand und schaute lächelnd drauf. „Wie schön das damals war," sagte sie. Eine Träne rollte ihr das Gesicht hinunter, die sie sich schnell wieder wegwischte. Ich stand auf und setzte mich auf ihren Schoß. „Hey, sei nicht traurig, wir kriegen das sicher wieder hin!" meinte ich aufmunternd zu meiner Mutter und umarmte sie. „Ich hoffe es," murmelte sie nur leise und umarmte mich ebenfalls.

Ich entschied mich, die beiden Fotos wieder zu verstauen und meine Mutter auf bessere Gedanken zu bringen, doch wie ich das anstellen sollte, wusste ich nicht. „Und dein Vater ist so sauer, weil du eingeschlafen bist?" fragte sie mich dann. „Naja, so ungefähr. Ich habe es halt gestern nicht mehr geschafft, weiter aufzuräumen. Jetzt sieht es schon besser aus, aber vorhin ist er fast über einen Karton gestolpert," erzählte ich ihr dann noch etwas genauer. „Du brauchst dich nicht stressen, wir haben genug Zeit. Wenn dein Vater anderer Meinung ist, sag ihm das ruhig," meinte sie und stand langsam wieder auf. „Leb dich in Ruhe ein. Das Bad findest du übrigens, wenn du den Flur weiter geradeaus läufst und dann die erste Tür rechts, die man sieht." Mit diesen Worten verließ sie auch schon mein Zimmer.

Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen. Sie tat mir schon echt extrem leid. Aber was soll man machen. Vielleicht sollte ich ihnen helfen, aber ich habe ja eigentlich gar nichts damit zu tun, dass die zwei so einen Krach haben. Zumindest sollte ich es versuchen, dachte ich, denn so konnte es langsam nicht mehr weitergehen. Ich strich mir durch meine Haare, die ziemlich verknotet und sich ekelhaft anfühlten. ~Thema Bad, ich sollte echt mal duschen gehen.~ Ich stand wieder auf und ging aus dem Zimmer, um das Bad zu suchen.

Ich öffnete die Badezimmertür und schaltete das Licht an. Wie zu erwarten war auch das Bad, wie alles andere in diesem Haus, riesengroß. Rechts stand ein Waschbecken, das für zwei Personen reichte, etwas weiter hinten eine große Badewanne. Ich dachte grinsend, dass ich dort sicher auch gemeinsam mit meiner Mutter reinpassen würde, und setzte mich auf den Badewannenrand. Neben der Badewanne stand eine begehbare Dusche, jedoch ohne Duschvorhang. Ich runzelte die Stirn; so gut fand ich das nicht, aber man konnte ja auch abschließen.

Nachdem ich mit Duschen fertig war, ging ich aus dem Badezimmer in mein Zimmer, suchte mir neue Sachen raus und zog mich um. Da mich aber meine nassen Haare nervten, blieb ich nicht lange in meinem Zimmer, sondern ging zurück ins Badezimmer. Ich suchte in den Schubladen der Schränke nach einem Föhn, den ich auch schnell fand. Ungefähr fünf Sekunden später waren meine Haare komplett trocken und perfekt durchgekämmt. Vor Schreck ließ ich den Föhn fallen. Omg, was war das denn bitte?!

Meine Mutter hörte das laute Geräusch und kam kurz danach ins Badezimmer gestürmt. „Geht's dir gut? Was ist passiert? Ist dir etwas runtergefallen?" fragte sie mich hektisch, während sie mich von Kopf bis Fuß auf Verletzungen absuchte, ohne fündig zu werden.

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SkyfallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt