5: Gastfreundschaft

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„Bitte, bitte, bitte! Lasst mich nicht draußen!", flehte ich, während ich mich vor ihm auf die Knie fallen ließ.

Charlie hatte uns soeben die Tür geöffnet, nachdem Dust ein paar Mal geklopft hatte und musterte mich nun mit einem überraschten und gleichzeitig kritischen Blick.

„Du bist lächerlich. Ist dir das eigentlich bewusst?", fragte er und verschränkte seine Arme vor der Brust. Tatsächlich war es mir in diesem Moment vollkommen klar, dass ich mich vor ihm total zum Affen machte, doch es war mir egal - Hauptsache ich musste mir die Zeit nicht allein draußen vertreiben.

Ich meine, was, wenn es in dieser Welt genau solche Irre gab, wie in meiner? Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, was mir alles passieren könnte!

„Na gut, dann komm halt rein", grummelte er, als ich meine Hände bettelnd vor meiner Brust zusammenschlug und ihn mit großen Augen ansah.

„Oh mein Gott, danke!" Überglücklich sprang ich auf und fiel ihm um den Hals. Ja - um den Hals. Doch als ich realisierte, was ich da tat, war es leider schon zu spät.

„Tut mir leid", entschuldigte ich mich rasch, nachdem ich mich von ihm gelöst hatte und mich an den Stellen abputzte, an denen mich sein Körper berührte.

„Das mache ich sicher nie wieder", stellte ich klar und ging anschließend an ihm vorbei, um mir endlich das Haus von innen ansehen zu können. „Wow", kommentierte ich die schöne Vase, welche auf der Kommode beim Eingang stand. „Die sieht ja ewig alt aus!"

Doch gerade, als ich danach greifen wollte, packte Charlie meine Hand. Mann, hatte der einen festen Griff. Ich scheiterte kläglich, mich davon zu befreien. „Finger weg! Greif am besten nichts an und vor allem... Fühle dich hier nicht wie zu Hause", wies er mich zurecht.

„Du bist aber ein freundlicher Gastgeber", scherzte ich ironisch und kniff meine Augen zusammen.

„Ganz genau das bin ich. Und weißt du auch welches Wort in Gastgeber steckt?" fragte er und stemmte seine Hände in die Hüften.

„Geber, weil du mir alles gibst, was ich will?"

„Nein! Gast, weil du der Gast bist und dich gefälligst wie einer benehmen sollst!"

Dust huschte an uns beiden vorbei wobei ihr weißes Kleid durch die Luft wehte, bevor sie in einem der Räume verschwand.

„Ich mache uns Tee!", rief sie uns zu und Charlie schien zu überlegen, ob er ihr nacheilen sollte, um zu helfen. Doch bevor er die Küche überhaupt betrat, fügte sie hinzu: „Ihr könnt es euch schon mal auf der Couch gemütlich machen!"

Charlie verdrehte die Augen; beschloss aber seiner Schwester zu gehorchen und deutete mir, ihm zu folgen. Er beobachtete mich ganz genau, wie ich nach ihm das Wohnzimmer betrat, vermutlich, weil er Angst hatte ich könnte mich umdrehen und doch noch etwas kaputt machen.

Ich ließ mich auf dem Sofa nieder und Charlie setzte sich mit ausreichend Abstand neben mich. Er stützte seine Ellbogen auf seinen Knien ab, während ich ihn erwartungsvoll ansah.

„Und was machen wir jetzt?", fragte ich ihn, nachdem wir eine Weile schweigend nebeneinander gesessen hatten; trotz dass ich mich nicht wirklich mit ihm unterhalten wollte, war mir die Stille zwischen uns unangenehm. „Erzähl mir von deiner Dimension, oder Welt, Plattform wie auch immer du es nennen magst", sagte er schließlich. Doch wo sollte ich anfangen? Es gab so vieles über meine Welt zu sagen, dass ich ihm tagelang von ihr erzählen könnte.

„Also gut", begann ich. „In meiner Welt sieht alles ganz anders aus als hier. Wenn du nach oben siehst, siehst du den Himmel. Der Himmel ist blau und hell aber nicht immer - wenn es Nacht wird, wird er dunkel - zirka so dunkel wie er hier bei euch die ganze Zeit ist - bis in der Früh die Sonne wieder rauskommt." 

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