Hinter dem Bildschirm

15: Trends sind Trash

Nachdem wir auf einem der Häuser gelandet waren, bestand Tiara darauf, mir Tiktok ein wenig zu zeigen. Gegen meinen Willen natürlich, aber ich hatte die Hoffnung, sie würde mir auch den Turm zeigen, nach welchem mich schon vom Helikopter aus fieberhaft Ausschau gehalten hatte.

,,Mein Liebster ist aktuell leider beschäftigt und ich habe sowieso nichts anderes vor." Sie zog einen rechteckigen Gegenstand aus der Seite ihres Stiefels. ,,Ein Handy!", schoss es mir durch den Kopf, als sie darauf herumtippte.

Im Gegensatz zu den Handys, die ich aus meiner Welt kannte, war dieses dicker und hatte eine kleine Antenne an der Spitze abstehen. ,,Mit einer anderen Geliebten?", platzte es aus mir heraus und ich war selbst überrascht über diese freche Aussage.

Ich hatte mich wohl mehr an Charlie gewöhnt, als ich mir eingestehen wollte.

,,Nein", antwortete sie schnippisch und verzog dabei ihr Gesicht. ,,Er ist in einem Meeting."

Fast wäre mir: ,,ein Meeting mit einer hübschen Blondine" herausgerutscht, doch ich schaffte es gerade noch es mir zu verkneifen.

,,Ein Meeting das einberufen wurde aufgrund einer Krisensituation", klärte sie mich auf, als hätte sie meine Gedanken lesen können.

,,Eine Krisensituation?"

Auch wenn ich eigentlich kein Wort mit dieser Frau wechseln wollte, hatte mich ihre Aussage ein wenig neugierig gemacht.

,,Ja, irgendein 13-jähriges Mädchen hat sich in der anderen Welt umgebracht, weil sie zu blöd war, die ‚Blackout Challenge' auf Tiktok richtig nachzumachen", erzählte sie mir und ich wunderte mich über ihre Gelassenheit.

Immerhin ging es hier um ein junges Mädchen, das gestorben war.

,,Blackout Challenge?"

Von diesem angeblichen Trend hatte ich noch nie gehört.

,,Da würgt man sich selbst, bis man ohnmächtig wird und filmt sich dabei. Aber dieses Mädel hat sich dabei aus Versehen erwürgt."

Das ist einen das Leben kosten konnte, nur weil man einen Trend nachmachen wollte, kam mir absolut skurril vor. Doch dann dachte ich wieder an Bella, die ihr Leben genauso gut auf dem OP-Tisch verlieren hätte können, wegen eines Trends.

Ich hatte das Gefühl, dass mir im Laufe meiner Reise immer mehr Tatsachen über Social Media offenbart wurden, die mir klarmachten, dass das Ganze in Wahrheit doch nicht so toll war, wie ich immer dachte.

„Du verarschst mich", brachte ich hervor, als ich aus meiner Schockstarre wieder zu mir kam. Ein Kind hatte sich wegen eines fucking Trends umgebracht. Wie konnte Tiara auf eine solch schreckliche Nachricht nur so gelassen und kalt reagieren?

„Nein, wieso sollte ich? Mein Liebhaber hat jetzt ganz viel Stress am Hals, weil überall darüber berichtet wird und es bereits einen Rückgang an Tiktok Nutzer gibt. Er muss dieses Problem jetzt lösen und hat somit keine Zeit für mich."

Ein wenig verärgert steckte sie das Handy zurück in ihren Stiefel und seufzte. Was war denn das für eine Welt? Ein 13 mehrjähriges Mädchen hatte sich umgebracht und ihre einzige Sorge war, dass ihr Lover keine Zeit für sie hatte? Das konnte doch nicht wahr sein!

Wie ein Hund lief ich hinter ihr noch und sagte die nächsten paar Minuten nichts mehr. Meine Gedanken drehten sich um das Mädchen und ihre Familie. Eines war doch ganz klar: Man musste etwas unternehmen, dass so etwas Schreckliches nie wieder passierte.

Die Menschen in meiner Welt sollten darüber aufgeklärt werden, wie gefährlich Social Media besonders für Kinder und Jugendliche sein konnte. „Hier ist mein Liebster gerade drinnen", sagte Tiara, nachdem wir eine Weile gelaufen waren und vor einem großen Gebäude standen.