Die Farben um sie herum wirbelten umher und taumelnd kam die Fünfzehnjährige im kreisrunden Schulleiterbüro wieder zu sich. Sie fand nicht sofort das Gleichgewicht, doch ein fester Griff an ihrem Arm stabilisierte sie. Kurz war ihr noch schummrig, dennoch wurde ihr im gleichen Moment bewusst, dass es ihr Großvater war, der nun neben ihr stand. Der echte Albus Dumbledore und sein Blick aus den gletscherblauen Augen ließ Zoe das Blut in den Adern gefrieren.
Sie öffnete verzweifelt den Mund, für eine Entschuldigung oder eine Ausrede, doch Zoe wollte einfach nichts einfallen. Da wurde der Fünfzehnjährigen peinlich bewusst, dass sie gerade in die intimen Gedanken ihres Großvaters eingedrungen war – und dass er sie dabei erwischt hatte.
„Wie viel hast du gesehen?", fragte er ernst, seine Stimme war streng, aber dennoch gefasst gewesen.
Zoes Herzklopfen wurde immer aufdringlicher. Schließlich fand sie endlich Worte.
„Nur ein paar Szenen ... mit meiner Mutter ...", sagte Zoe mit erstickter Stimme. „Ich ... ich wollte nur ... also ich wollte doch nur ... etwas über sie erfahren ..."
Dumbledore sah sie an und es war, als konnte Zoe seine Wut, seinen Zorn und sogar seine Angst spüren. Er ließ sie los, als er spürte, dass Zoe ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte und als er sprach, klang er vollkommen ruhig.
„Und möchtest du auch sehen, wie deine Mutter stirbt?"
Zoes sah ihren Großvater geschockt an und schüttelte augenblicklich den Kopf.
„Auch diese Erinnerung ist im Denkarium verwahrt!", sagte er ohne Schärfe in der Stimme.
Zoes Mundwinkel zuckten unkontrolliert und sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen schossen. Schließlich wandte sie den Blick von ihrem Großvater ab und lenkte sie auf ihre zittrigen Hände. Tränen tropften auf den Boden. Dumbledore ging zu dem steinernen Becken hinüber und verschloss den Schrank sorgfältig mit einem Zauber.
„Ich möchte nicht, Zoe, dass du je wieder unaufgefordert an diesen Schrank gehst", sprach er mit Nachdruck. „Wenn du irgendetwas wissen möchtest, dann sprich mit mir oder –"
„Das willst du doch gar nicht!", fauchte Zoe plötzlich dazwischen.
Sie war so aufgewühlt von dem Scham- und Schuldgefühlen und gleichzeitig unglaublich wütend, weil ihr von nun an jede Möglichkeit wieder an das Denkarium zu gelangen, verwehrt wurde. Hatte er ihr nicht vor ein paar Tagen erst den Spiegel verboten? Was, bei Merlin, wollte er ihr noch alles wegnehmen? Wie sollte sie ihn irgendetwas fragen, wo sie doch den ganzen Tag alleine war. Nach all dem, was vor wenigen Wochen erst geschehen war. Nach Cedrics Tod, nach dem Verlust ihrer Eltern und der Wiederkehr des Unnennbaren!
Es war die Enttäuschung, die Einsamkeit und auch die vielen verwirrenden Eindrücke der letzten Tage, die diese Wut in ihr angestaut hatten, dass sie nun nichts mehr fühlte außer Zorn, auf den einzigen Menschen, der ihr geblieben war.
„Denkst du, ich merk das nicht?", brüllte Zoe ihren Großvater an und ignorierte die Tränen, die ihr das Gesicht hinab liefen. „Dass du nicht darüber reden willst? Dass du nicht willst, dass ich weiß, was passiert ist! Dass du lieber wegläufst!"
„Zoe, ich weiß –", sprach der Schulleiter beruhigend, doch diese wollte nicht beruhigt werden.
„NEIN! Du weißt gar nichts! Du weißt nicht, wie es ist den ganzen Tag hier alleine zu sein. Und an C-C-Cedric zu denken! Und ..." Ihre Stimme versagte beinahe, doch sie schluckte nur und fuhr fort. „Und ... an alle anderen!"
Zitternd vor Wut stand sie einige Sekunden nur da und sah weder das Mitgefühl noch die Sorge in dem Gesicht ihres Großvaters. Dann machte sie einfach auf den Absatz kehrt und lief aus dem Schulleiterbüro. Zoe achtete nicht darauf, wohin sie rannte. Ihr Kopf war voll mit unzusammenhängenden Bildern. Sie dachte an die Abschlussrede ihrer Mutter, an die weinende Ariana und an Snape, der zu den Füßen ihres Großvaters lag. Tränen vernebelt Zoe die Sicht. Sie stieß schmerzhaft gegen ein Treppengeländer und stolperte die Stufen vielmehr hinab, als dass sie ging. Doch sie blinzelte nur ihre Sicht frei und rannte weiter. So lange, bis ein Stechen ihrer Seiten sie in die Knie zwang. Japsend schleppte sich die Fünfzehnjährige bis zu einer Wandnische, in der eigentlich hätte eine Rüstung stehen sollen, und kauerte sich dort zusammen, schlang die Arme um die Beine und weinte bitterlich. Weinte wegen all dem Schmerz, der auf ihr lastete und all dem Unrecht, das ihr widerfahren war.
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Zoe Dumbledore und die Schatten der Vergangenheit
FanfictionIn den Sommerferien sitzt Zoe in Hogwarts fest. Ihr Großvater ist wegen der dunklen Mächte, die neu erstanden sind, sehr beschäftigt und seine Aufmerksamkeit widmet er dem Zusammenruf einer Widerstandsbewegung. Zoe bleibt dadurch viel zu viel Zeit m...