Erinnerungen

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Als die Strahlen der ersten Morgensonne durch das Fenster auf Zoes Bett schienen, war sie bereits hellwach. Schon eine ganze Weile genoss die Fünfzehnjährige die wohlige Wärme ihres Federbettes und kuschelte sich in die Daunenkissen.

Immer und immer wieder dachte sie dabei zurück an die Erinnerung, die sie gestern im Denkarium gesehen hatte. Wie ein Muggelfilm in Endlosschleife sah sie die Begegnung von Gwendolyn und ihrem Vater vor ihrem geistigen Auge. Das perplexe und zaghafte Lächeln ihrer Mutter, als sie nach der Rose griff und Sirius' nervöser Seitenblick, als er sie einlud, zauberten Zoe immer wieder ein Schmunzeln auf die Lippen.

Das waren genau die Erinnerungen, nach denen sich die Fünfzehnjährige sehnte. Sie wollte mehr erfahren, von ihren Eltern, wollte wissen, was für Menschen sie gewesen waren und welche Umstände sie zusammen gebracht hatte. Sie sehnte sich so sehr danach, dass sie unwillkürlich bei jedem Geräusch, das aus dem Büro ihres Großvaters kam, den Atem anhielt und lauschte, in der Hoffnung zu hören, wie er aufbrechen würde.

Im Gegensatz zu all den vergangenen Tagen, in denen sie sich einsam gefühlt hatte, wünschte sich Zoe jetzt eben jene Einsamkeit zurück, um sich in aller Ruhe dem Denkarium im Schrank zu widmen.

Als ihr Großvater schließlich an ihre Zimmertür klopfte und sie zum gemeinsamen Frühstück aufforderte, da war sich Zoe nicht mehr so sicher, ob sie heute noch die Gelegenheit bekommen würde, weitere Erinnerungen zu erkunden.

Das Frühstück schien eine halbe Ewigkeit anzudauern und Zoe lenkte sich mit den Briefen von Hermine und Ron ab, die bereits Pläne für einen gemeinsamen Besuch in der Winkelgasse schmiedeten. Die Slytherin schrieb ihren Freunden nur halbherzig zurück und immer in der Hoffnung, ihr Großvater würde aufbrechen.

Als es dann endlich so weit war, verabschiedete sie sich scheinheilig und wartete einige Weile, bis sie sich sicher war, dass ihr Großvater nicht vorschnell zurückkehrte. Aufgeregt und mit klopfenden Herzen ging sie immer wieder im Schulleiterbüro auf und ab. Lauschte, spähte aus dem Fenster und warf immer wieder nervöse Blicke zu den Porträts der ehemaligen Schulleiter. Diese interessierten sich jedoch nicht für Zoe, dösten in ihrem Rahmen oder waren anderweitig unterwegs.

Schließlich fasste Zoe sich ein Herz, öffnete den Denkariumschrank und zögerte nur kurz, bevor sie ihr Gesicht eilig in das Becken tauchte und dem Gefühl des Fallens beinahe routiniert entgegenwirkte.

„Mr Filch, Sie haben sich um die Stelle des Hausmeisters beworben, wie ich sehe."

Zoe wandte sich zu der Stimme um und erkannte, wie ihr Großvater an seinem Schreibtisch sitzend einige Papiere durchblätterte. Auf dem Stuhl vor ihm saß ein junger und äußerst nervös wirkender Mann Anfang zwanzig.

„R-r-richtig", antwortete dieser, während er die Hände in seinem Schoß knetete.

„Und wie ich ihrer Bewerbung entnehmen kann, sind Sie der magischen Kräfte nicht fähig. Fühlen Sie sich den Aufgaben, die in diesem großen Schloss anfallen, trotzdem gewachsen?"

Bei der Erwähnung seiner Beeinträchtigung ging ein Zittern durch den Körper des jungen Mannes. Er schluckte schwer und nickte nur.

„Sie würden ein Jahr zusammen mit dem jetzigen Hausmeister Apollyon Pringle mit den Arbeitsabläufen betraut werden, bevor Sie seine Stelle gänzlich übernehmen und ..."

Zoe blies gelangweilt Luft durch ihre Lippen und sah sich im Büro um. Doch als sie nichts Interessantes mehr fand. Ging sie einfach so lange weiter, bis sie die Erinnerung verlassen hatte und in die Nächste geriet.

Die Fünfzehnjährige befand sich jedoch noch immer in dem Büro ihres Großvaters und als sie sich umwandte, sprach der junge Dumbledore im strengen Ton: „Wohin gehst du?"

Zoe Dumbledore und die Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt