14 - June - becks

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Mitten in der Nacht werde ich von einem anhaltenden Brummen geweckt. Schlaftrunken öffne ich die Augen und versuche die Ursache ausfindig zu machen. Ich brauche nicht lange und bemerke den schweren, mir direkt in mein Ohr schnarchenden Bär mit braunen Haaren. Friedlich liegt Aspen neben mir. Beziehungsweise halb auf mir. Mein linker Arm ist komplett unter ihrem Gewicht vergraben und kribbelt schon. Ihre langen Wimpern berühren sanft ihre Wangen. Ein Arm liegt unter ihrem Kopf, der andere ist um ihre eigene Hüfte geschlungen. Sie hat Ähnlichkeiten mit einem Kleinkind. Einem Kleinkind mit Schnupfen, dass in der Nacht an einer extrem verstopften Nase leiden muss oder von Bären träumt.

Nicht gerade sanft stoße ich ihr meinen Ellenbogen in die Seite.

"Rutsch rüber du Fettsack.", flüstere ich ihr erbost zu.

Blinzelnd öffnet sie die honigfarbenen Augen. Ha! Honig...Bär...warum war mir das nicht sofort klar?!

"Ich hoffe es gibt einen guten Grund warum du mich aus meinen wunderbaren Träumen holst. Gerade wurde es interessant.", sagt sie und zwinkert mir zu. Ihre Stimme klingt verschlafen und rauchig. Schauer rieseln mir sanft über die Arme und Bilder, die ich nicht näher erläutern werde, schießen mir durch den Kopf.

"So wie es sich angehört hat, ging es um Flugzeuge oder Bären. Jedenfalls laute, brummende Dinge."

Mit einem letzten vernichtenden Blick zu ihr, drehe ihr den Rücken zu und schließe die Augen.

Ich höre die Decke rascheln als auch sie sich umdreht und von mir wegrückt. Ich brauche nicht lange, um einzuschlafen und erwache erst wieder im Morgengrauen als die Sonne gerade beginnt auf den Spitzen der Berge zu scheinen.

Meine Schwester, die den Tag geplant hat, sitzt mit einer großen Landkarte am Frühstückstisch. Zusammen mit meiner Mutter studiert sie diese eingehend.

"Wenn wir zu der kleinen Hütte wollen, müssen wir aber da lang. Der Wasserfall ist jedoch in der anderen Richtung und ich hatte den Kindern versprochen, dass wir in dem warmen Bergwasser baden gehen können.", sagt sie und deutet dabei auf irgendeinen Punkt mitten im grünen Nichts.

"Das können wir doch auch an einem anderen Tag machen. Ich habe heute extra eine Weinverkostung gebucht und die kann man nicht verschieben.", hält meine Mutter dagegen.

"Wieso geht ihr nicht mit den Kindern zu dem Wasserfall und wir gehen mit Mum, Dad, Sage und Atlas zu der Verkostung?", schlage ich meiner Schwester vor und deute auf mich und Aspen, welche sich neben mir ihr drittes Brötchen reinstopft. Die Frau kann vielleicht essen. Und dann sieht man ihr das nicht mal an!

Schließlich lässt meine Schwester sich überzeugen und geht mit ihrem Mann und den Kindern in ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Auch ich verabschiede mich von allen und mache mich auf den Weg ins Zimmer.

Gerade als sich die Türen des Aufzuges schließen, schnellt eine olivfarbene Hand mit schlanken Fingern dazwischen und stoppt die Tür am Zugehen. Die Tür öffnet sich erneut und ein hochgewachsener Mann mit einer Kappe auf dem Kopf tritt hinein. Seine schwarzen Haare linsen unter der Mütze hervor und sind so lang, dass sie ihm fast auf die breiten Schultern fallen, die von einem roten Pullover bedeckt werden. Die Kappe verdeckt die Hälfte seines Gesichts, sodass ich ihn erst erkenne als er den Kopf hebt.

"Weston?", frage ich verwundert darüber, was er hier zu suchen hat.

"Eden? Was machst du denn hier?", fragt er scheinbar genauso verwundert.

"Das könnte ich dich auch fragen."

Die Türen des Aufzuges schließen sich in dem Moment, in welchem ich Aspen aus der Richtung des Restaurants kommen sehe. Für einen kurzen Moment haben wir Blickkontakt, dann ist die Tür geschlossen und der Aufzug fährt los.

"Ich bin geschäftlich in der Gegend und hier in dem Hotel untergebracht. Meine Eltern brauchen mich gerade auf dem Weingut. Es scheint sich wohl eine Gruppe zur Verkostung angemeldet zu haben, aber der Führer ist kurzzeitig krank geworden, also musste ich einspringen."

"Das Weingut ist hier in der Nähe?", frage ich. Dabei fällt mir auf, dass wir noch nie wirklich über seine Eltern geredet haben. Ich bin oft bei Festen dabei, aber über ihre Arbeit reden sie bei diesen nicht gern. Neben seinem Job bei der Seattle Times arbeitet er gelegentlich auf dem Gut seiner Eltern.

"Ja. Habe ich dir das nicht erzählt?"

"Ich kann mich nicht daran erinnern. Naja, jetzt weiß ich es. Und ich kann dir sogar sagen, welche Gruppe du heute rumführen und deren Fragen du dich stellen darfst.", sage ich und grinse ihn an. 

"Sag mir nicht, dass ich wieder das Vergnügen mit deiner Mutter habe?", ich höre die spielerische Genervtheit aus seiner Stimme. Weston kennt meine Mutter nun auch schon eine Weile und weiß wie sie manchmal tickt.

"Oh doch! Und mich gibt's auch noch dazu."

Der Aufzug hält an meiner Etage und die Türen öffnen sich mit einem Ankündigungston.

"Dann sehen wir uns wohl später, Weston.", sage ich und steige aus. Ich winke ihm kurz zu und mache mich dann in Richtung meines Zimmers den langen Flur entlang.

Sobald ich um die Ecke gebogen bin, die in den Flurabschnitt zu meinem Zimmer führt, sehe ich Aspen an der Tür lehnen. Sie scheint die Treppen genommen zu haben. Und war ganz schön schnell...

Die Hände in den Hosentaschen sieht sie unter dichten, schwarzen Wimpern zu mir auf. Ihr Blick, der mich den ganzen Weg bis zur Tür verfolgt, macht mich nervös.

Ich hole die Schlüsselkarte aus meiner hinteren Hosentasche und dränge sie zur Seite, damit ich aufschließen kann.

"Wer war das vorhin im Aufzug?", fragt sie als ich versuche die Tür zu öffnen. Mit einem Klicken geht diese schließlich auf.

Ich schiebe das schwere Eichenholz auf und trete ins Zimmer. Aspen direkt an meinen Fersen.

"Versuchst du jetzt die eifersüchtige Freundin zu spielen?", versuche ich sie aufzuziehen und blicke sie über die Schulter an.

"Ich habe lediglich nachgefragt, weil ich um dein Wohl besorgt bin. Der Typ sah mir nicht ganz geheuer aus.", erwidert Aspen.

Die Arme vor der Brust verschränkt, steht sie da und lässt das Alphamännchen raushängen.

"Du brauchst dir keine Sorgen machen. Das war mein Nachbar."

"Da wäre ich mir nicht so sicher, wenn er dir sogar in einem Hotel außerhalb von Seattle auflauert."

"Eigentlich geht dich das nichts an, aber seinen Eltern gehört das Weingut in der Nähe und er hilft heute dort aus, weswegen er sich ein Zimmer in dem Hotel hier gebucht hat.", sage ich, blicke ihn ein letztes Mal an und verschwinde ins Bad.

"Und jetzt komm mal von deinem Alphamann-Trip runter."

Ich höre nur noch ihr böses Murmeln, bevor ich die Badezimmertür hinter mir schließe.

Promise MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt