21 - Lucky - Russ

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"Ist alles okay?", fragt mich plötzlich Evelyn und holt mich so aus meinen Gedanken.

"Ja, alles super.", sage ich und ringe mir ein Lächeln ab, bei dem ich hoffe, dass es einigermaßen glaubwürdig erscheint. Tut es nicht, denn Evelyn blickt daraufhin noch besorgter drein, als sie es eh schon tut.

"Was ist los, kleine Schwester?", fragt sie und legt mir ihren, in einem dicken Pullover steckenden Arm um die Schulter.

"Ich weiß auch nicht...Aspen spuckt mir die ganze Zeit in meinem Kopf herum und ich weiß auch nicht was ich machen soll. Was wenn sie nicht die Frau ist, die ich wirklich will?", versuche ich die Wahrheit ein bisschen um zu modellieren, da ich ihr diese ja nicht verraten kann. 

"Das kann ich dir leider auch nicht verraten, aber ich kann dir einen Tipp geben. Lass es einfach auf dich zukommen. Sei nicht immer so ängstlich und trau dich auch mal was. Geh Risiken ein. Zumal ich bezweifle, dass Aspen es nicht ernst mit dir meint. Bei den Blicken, die sie dir zuwirft. Und falls sich am Ende herausstellen sollte, dass sie dich an der Nase herumgeführt hat, dann sei es so. Herzschmerz geht vorbei. Du lernst daraus und wirst stärker."

"Danke, Evelyn.", sage ich, während mir der Kopf schwirrt und ich versuche ihr Gesagtes zu verarbeiten. Ich ziehe sie zu mir in eine feste Umarmung. Eine Weile stehen wir so da, bis sie sich von mir löst und auf das in der Ferne leuchtende Hotel zugeht.

"Und jetzt hol sie dir Tiger, bevor ich mich von meinem Mann scheiden lasse und mir das Schnuckelchen schnappe.", sagt sie lachend und zwinkert mir zu. Leise kichernd folge ich ihr.

Zurück im Hotelzimmer, sitzt Aspen auf einem der Sessel und liest in ihrem Buch.

"Na, wieder da?", fragt sie, als ich ganz eingetreten bin. Ein Grinsen ziert ihr Gesicht, während sie unter ihren dichten Wimpern zu mir aufschaut. Die braunen Augen haben noch nicht ganz ihren Glanz, die sie bei ihrer Erzählung über ihren Job hatten, verloren.

"Ach da war so ein Typ in der Lobby, der mich angebaggert hat und meine Nummer wollte. Habe ihm gesagt, dass ich kurz hochgehe meiner Freundin Bescheid sage und wir dann gerne in seinem Zimmer verschwinden können.", sage ich und zucke die Achseln.

Augenblicklich ist der belustigte Blick aus ihren Augen verschwunden. Die Mundwinkel fallen nach unten und das Strahlen aus ihren Augen verschwindet gänzlich. Ihr vorher fröhlicher Blick wird durch ein grimmiges Blitzen in ihren Augen ersetzt.

Amüsiert über den schnellen Stimmungswechsel, drehe ich mich um, um mein Grinsen zu verbergen und mache mich wieder in Richtung Zimmertür.

"Wo willst du hin?!", schneidet Aspens Stimme durch die Stille des Zimmers.

"Eden, ich schwöre dir, wenn du jetzt durch diese Tür gehst-", ihre Drohung wird durch das Geräusch, der ins Schloss fallenden Tür unterbrochen. Mit langsamen Schritten begebe ich mich über den Flur in Richtung Fahrstuhl.

Plötzlich geht die Tür eines Zimmers ruckartig auf. Wütende Schritte stampfen auf dem Teppich. Wenige Sekunden später packen mich große, dunkle Hände und werfen mich über Aspens Schulter.

"Das hättest du wohl gern, Eden.", sagt sie mit einem Knurren in der Stimme und trägt mich wieder in unser Zimmer.

Sobald sie mich auf das große Bett geschmissen hat, kann ich das Lachen, das sich in mir aufgestaut hat, nicht mehr halten und beginne laut los zu prusten.

"Du Biest!", sagt Aspen als sie versteht, dass es niemals einen Mann in der Lobby gab und ich nur versucht habe sie zu reizen.

Das Grinsen kehrt auf ihr Gesicht zurück und zeigt das unwiderstehliche Grübchen. Sie stützt sich mit beiden Armen neben meinem Kopf ab und blickt zu mir herab. Der plötzlichen Nähe bewusst, bleibt mir das Lachen im Halse stecken und ich sehe zu ihr auf. Die braunen Augen wandern langsam zu meinen Lippen. Urplötzlich verspüre ich den Drang mit der Zunge über die Einkerbung ihres Grübchens zu fahren und sie danach zu ihren Lippen wandern zu lassen, die verlockend weich aussehen.

"Warum befinden wir uns so oft in dieser Lage?", fragt Aspen.

Ihre Stimme klingt leicht rauchig und heiser. Meine Gedanken wandern erneut zu unserem Abendessen, was Stunden her zu sein erscheint und meinem Entschluss. Aus irgendeinem Grund muss sie schließlich so einen extremen Stimmungswechsel durchgemacht haben, nur weil ich einen anderen Mann erwähnt habe, sage ich mir.

Ich versuche meine Hände, die danach drängen auf Wanderschaft über ihren Körper zu gehen, bei mir zu halten. Wenn sie mich genauso möchte, wie ich sie, soll sie diesen Schritt machen. Ihre Augen wandern wieder nach oben. Ich sehe das Verlangen darin, welches sie dunkler erscheinen lässt. Sie scheinen das Verlangen und den Entschluss in den meinen sehen zu können. Ihre Hand streicht mir eine verirrte Strähne aus der Stirn. Eine Gänsehaut rieselt über meine Arme und lässt mich leicht erzittern.

Plötzlich tritt in ihre Augen eine Härte, die mich erzittern lässt. Dieses Mal jedoch nicht vor Verlangen. Es scheint als ziehe sie ihre Mauern, die sie in ihrem Inneren errichtet hat, wieder nach oben. Langsam schüttelt sie den Kopf und entfernt sich behutsam von mir. Die Zurückweisung trifft mich wie ein Lastwagen. Mein Magen krampft sich zusammen und Tränen treten mir in die Augen.

Ich bin mir nicht mehr sicher was ich glauben soll. Das Verlangen mich zu küssen, stand ihr auf der Stirn geschrieben. Warum hat sie trotzdem diesen Rückzug gemacht? Mit aller Kraft schlucke ich den riesigen Kloß, der sich in meiner Kehle gebildet hat, herunter, verdränge die Tränen und stehe ebenfalls auf. Mit einem ruckartigen Griff packe ich meine Schlafsachen und marschiere ins Badezimmer.

"Eden, ich-", beginnt Aspen mit brüchiger Stimme. Ich schneide ihre Rede mit dem Knallen der Badezimmertür ab.

Mit feuchten Augen, die das Grün wie nasses Sommerlaub aussehen lassen, schaut mir das braunhaarige Mädchen im Spiegel entgegen. Ich schließe kurz die Augen, hole tief Luft und öffne sie wieder. Nun schaut mir die altbekannte starke Frau, die ihr eigenes Unternehmen aus dem Sand hochgezogen hat, entgegen. Wer bin ich, mich von einer kleinen Zurückweisung unterkriegen zu lassen? Wie Evelyn schon gesagt hat, ich lerne daraus. Es ist mir nun vollkommen klar, dass Aspen mich möchte, doch offensichtlich scheinen gewisse Dinge im Weg zu stehen, die dieses Verlangen blockieren. Ich jedoch, habe nun Gewissheit über ihre Gefühle und kann diesen Urlaub hinter mich bringen, da sie nicht in der Lage scheint die Mauern zu überwinden, die sie selbst hochgezogen hat. Danach können wir beide getrennte Wege gehen und alles vergessen.

Mit einem letzten tiefen Atemzug, wende ich mich vom Spiegel ab und hole mein Telefon aus meiner Hosentasche. Ich habe eine neue Nachricht von Phoenix und eine von Weston. Die meiner besten Freundin lese ich zuerst.

Hey Süße, sorry, dass ich es nicht geschafft habe anzurufen...

Wie läuft's bei dir?

Kurz bin ich verwirrt, was sie meinen könnte bis mir das Date wieder einfällt, auf welches sie mit der Frau gehen wollte. Das Telefonat am See, welches gerade mal einen Tag her ist, scheint wie in weiter Ferne zu schweben. Kurz überlege ich und antworte ihr dann.

Alles gut hier. Müssen bald mal telefonieren und über alles reden! Ich hoffe, du hattest eine Menge Spaß ;) Ich möchte jedes noch so kleine, schmutzige Detail wissen!

Danach lese ich die von Weston.

Was hältst du von Netflix & ultraleckeren, vom fantastischen Hotel gemachten Snacks?

Mit einem Grinsen auf den Lippen antworte ich mit einem kurzen "JAAA". Die Schlafsachen lasse ich auf der Ablage des Waschbeckens liegen, da sie dort niemanden stören.

Mit neuem Elan, stecke ich das Telefon zurück in die Hosentasche und begebe mich aus dem Bad, um zu Weston zu gehen, der mir eben seine Zimmernummer verraten hatte. Aspen hat wieder ihren Platz im Sessel eingenommen. Dieses Mal jedoch ohne ihr Buch. Sobald ich aus dem Bad trete, springt sie auf. Ich beachte sie jedoch nicht, sondern laufe schnurstracks zur Zimmertür.

"Wo willst du hin?", höre ich Aspen in einem sanfteren Ton fragen, als noch vor ein paar Minuten.

Erneut gebe ich ihr keine Antwort, sondern schlüpfe aus der Tür. Dieses Mal beendet das Knallen, der ins Schloss fallenden Tür keinen Satz. Dieses Mal hält sie mich auch nicht auf, als ich zum Fahrstuhl laufe.

Promise MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt