"Ihr zieht das jetzt über, habt ihr verstanden ihr kleinen, billigen Schlampen. Sonst wird der Boss euch gleich hier erschießen!"
Ein kleiner, untersetzter Mexikaner mit Akne und Mundgeruch warf uns Kleidung vor die Füße. Wobei Kleidung vollkommen übertrieben war. Ein Fetzen Glitzer und Leder trifft es eher... Er stand vor uns und beobachtete uns mit einem schmierigen Lächeln. Wartend, bis wir uns vor ihm ausziehen und entblößen würden.
Bedrohlich kam ich langsam auf ihn zu. Ich war größer als er und ballte meine Hand zur Faust. Mein Blick war kalt auf seine kleinen schlammfarbenen Augen gerichtet.
Er sah so aus, als ob er mir am liebsten seinen Gürtel zu schmecken gegeben hätte, doch er konnte es sich nicht erlauben uns zu nahe zu kommen. Als ich zwei Schritte von ihm entfernt war, spuckte er mir nur wütend vor die Füße und verschwand fluchend durch den Vorhang, durch den wir hier reingebracht worden sind."Wie heißt du eigentlich?", fragte die rothaarige Schönheit, die die ganze Szene mit großen Augen beobachtet hatte. Sie schnappte sich mit blassem Gesicht und spitzen Fingern einen der beiden Kleidungsfetzen. Den, mit dem Glitzer.
Seit wir hier angekommen sind, hatte ich 26 Männer verwundet und dafür den ein oder anderen Ärger verursacht und auch die ein oder andere Ohrfeige einstecken müssen, was meine Wange mit einem leichten Brennen kundtat. Doch anders wäre ich niemals an so viele von diesen Arschgeigen rangekommen. Höchstens an drei oder vier."Meine Freunde nennen mich swallow", sagte ich und zog den hässlichen Einteiler aus Leder an, den mir Pickeldi hingeschmissen hatte. Widerlich. So etwas würde ich nie tragen.Eigentlich kannte ich niemanden, der so etwas tun würde.
"Schwalbe also?", meinte sie mit brüchiger Stimme und zog ihrerseits ein Oberteil über, das mehr offenbarte, als das es verdeckte.
Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie den Verschluss nicht nicht schließen konnte. Ich trat zu ihr und entwirrte die Fäden und band alles zusammen.
"Mehr verdecken kann ich leider nicht", meinte ich bedauernd und Band eine Schleife.
"Meinst du, wir kommen hier wieder raus?" Ihre Stimme war nur noch ein raues Flüstern, ihre Augen wirkten glanzlos und leer. Im Grunde kannte sie die Antwort bereits. Sie war nicht nur atemberaubend schön. Sie hatte auch etwas im Köpfchen.
Wie sie wohl in diesem Beruf gelandet war?Denn dass sie ebenfalls im Rotlicht arbeitete war nicht zu übersehen. Zumindest für mich nicht. Es war Fluch und Segen zugleich, dass man vor mir kaum etwas verbergen konnte."Naja, eigentlich bin ich nur wegen der Klamotten hier", sagte ich und drehte mich einmal um meine eigene Achse um den Fadenfummel wirbeln zu lassen. "So was kann einem in Harrod's niemand bieten. Aber verrat's keinem", lächelte ich sie verschwörerisch an.
Sie lächelte tatsächlich ein bisschen.
"Du versuchst, mir Mut zu machen. Das ist sehr lieb von dir", doch es war ein trauriges Lächeln. "Bist du auch ein Escort Mädchen?" fragte Merida und musterte mich erneut. Ihr Blick blieb an meinen Tattoos hängen, die meinen ganzen Körper bedecken, außer die Hände und den Hals. Normalerweise waren sie zu jeder Zeit unter meiner Kleidung und meinem Arztkittel versteckt, doch hier ging das schlecht."Nein, eigentlich bin ich Ärztin", meinte ich und setzte mich neben sie auf den Boden.
Sie seufzte schwer. "Aber ich bin eines... Ein Escort Girl."
"Das ist ja kein Verbrechen, solange du es freiwillig machst.... Ähm, ... machst du es freiwillig?", hakte ich vorsichtig nach. Gut möglich, dass sie in dieses Metier genauso hineingestoßen wurde, wie in den Van heute Abend. Sie wird mir sicher kaum ihre Lebensgeschichte erzählen, aber fragen musste ich dennoch.
Aber statt eines stumpfen, hoffnungslosen Glimmens, begannen ihre Augen zu leuchten. Ihr Gesicht strahlte dabei etwas katzenhaftes aus und sie war noch schöner als vorher... Kein Wunder, dass Hinkebein und Co. sie einkassiert hatten. An ihr konnte sicher kein Mann vorbeigehen ohne vollkommen durchzudrehen.
"Nein, ich hatte Geldsorgen, weil mein Dad alles verspielt hatte und meine Mum, naja, die hat es sich in die Vene laufen lassen. Ich konnte nicht studieren. Aber dann habe ich Tamo getroffen und all meine Sorgen waren wie weggeblasen."
Ihre Augen leuchteten bei seinem Namen auf und ihre Wangen röteten sich etwas.
"Jetzt habe ich so viel gespart, dass ich Jura studieren und in einer tollen Wohnung leben kann. Das verdanke ich alles Tamo. "
" Mh, Tamo... deinem Zuhälter...? ", fragte ich trocken.
Ich kannte solche Frauen, die ähnlich dem Stockholm Syndrom, in ihre dominaten und gefühlskranken Zuhälter schockverliebt waren. Es war eine reine Schutzreaktion, um zu überleben und mit der traumatisierenden Situation zurecht zu kommen. Vielleicht war es bei Merida auch so. Also lag bei ihr doch eine pathologogische Störung vor...
Niemand redete so von seinem Zuhälter.
Ich hatte zumindest noch keinen getroffen, der eine solche Lobrede verdient hätte und ich hatte schon mit einigen zu tun gehabt.
Die meisten sind kleine, geldgierige Arschlöcher, die die Frauen nicht gut behandelten.
Ich konnte mir kaum vorstellen, dass dieser Tamo anders sein sollte.
Vielleicht war Merida doch irgendwie ein bisschen gaga im Kopf...
Oder stärker traumatisiert, als ich zuerst angenommen hatte.
Sie musste meinen zweifelnden Blick bemerkt haben, denn sie lehnte sich ein Stück zu mir herüber und sagte: "Ich weiß, was du jetzt denkst. Bei der brennen doch auch nicht mehr alle Kerzen auf der Torte, aber ich meine es ernst. Tamo ist ein guter Boss. Er achtet gut auf uns und er wird mich hier drin nicht hängen lassen."
Ihre Stimme strahlte eine derartige Überzeugungskraft aus, dass ich mich kurz fragte, ob die KO-Tropfen eventuell doch größeren Schaden angerichtet hatten und es juckte mir in den Fingern, noch einmal ihre Pupillenreaktion zu testen."Hör mal, ich will dir jetzt keine Angst machen, aber ... dieser Laden hier ist besser gesichert, als ein Tiffany Geschäft zur Weihnachtszeit." Nicht, dass ich schon mal eines von innen gesehen hätte. Ich hasste shoppen. Malu kaufte uns immer alles. "Er kommt nicht einfach so rein", sagte ich mit Nachdruck.
Ich wollte sie nicht demoralisieren, aber ich konnte auch nicht zulassen, dass ihre Augen die ganze Zeit hoffnungsvoll die Menge nach magic Tamo absuchten.
"Er wird kommen. Vertrau mir, mutige Schwalbe", meinte sie mit einem Lächeln in den Augen, das jedoch sofort in sich zusammen fiel, als wir laute Männerstimmen hörten, die sich uns näherten.
Meridas Gesicht nahm einen ängstlichen Ausdruck an. Zurecht, nur wenige Sekunden später wurden wir gepackt und in einen großen, luxuriös eingerichteten Vorraum gezerrt. Ich warf einen Blick in den Salon, in dem die Mädchen verkauft wurden.
Er war voll mit Männern in teuren Anzügen und Rolex Uhren. Echten versteht sich. Hier hatte es niemand nötig, billige Imitate zu kaufen.Ich scannte den Raum ab. Er war genauso, wie Jules ihn auf den Plänen und Videos eingemessen hatte. Die Mädchen waren an den restlichen Stangen gefesselt und kaum bedeckt. Sie wanden sich und in ihren Augen spiegelte sich der Alptraum, den sie gerade durchlebten. Über meinem Körper breitete sich eine Gänsehaut aus. Diesen Teil hasste ich am meisten. Das Leid zu sehen, diesen Schmerz, diese Angst. All das, was ich auch in den Augen von Jules und Mals gesehen hatte. Vor so vielen Jahren.
Doch heute waren wir hier, um es zu beenden. Ich straffte meine Schultern und atmete tief ein.
Wir würden hier alle heil rauskommen und diese Arschlöcher bluten lassen.Wir hatten lange für diesen Abend trainiert.
Als ich die zwei leeren Stangen sah, die wahrscheinlich für uns reserviert worden sind, drehte ich mich noch einmal zu Merida um.
"Egal, was passiert, sieh ihnen einfach nicht ins Gesicht. Wir kommen hier raus, halt nur den Blick unten", sagte ich beschwörend.
Dann wurde sie unter groben Gejohle in den Raum geführt.
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wild swallow #1
Romance"Was glaubst du, was du hier tust?", fuhr ich ihn an. "Ich rette uns das Leben. Du kannst dich später bedanken, principessa", erwiderte er jovial. Er legte seine große Hand auf meinen Rücken und drückte mich Richtung Ausgang. "Du läufst davon", zisc...