Aurela

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Regel Nummer 1: Wir beschützen einander und wenn wir etwas tun, dann tun es entweder alle oder keiner. Keine Alleingänge oder Geheimnisse. Niemals.

Ich würde bei Gefahr mein Leben für die beiden geben. Niemals würde ich zulassen, dass ihnen weh getan wird.

Jede von uns würde das für die andere tun. Wie gesagt, wir nahmen Regel Nummer 1 sehr ernst. Wir waren Schwestern. Im Herzen und im Geiste.

Die beiden kabbelten sich noch eine Weile weiter, während ich mich wieder der Straße zuwandte. Die Männer waren mittlerweile davon getorkelt und die Bar geschlossen. Anscheinend hatte es hier nicht nur Cola und ein Bier gegeben.

Alles lag nun still vor mir. Einen kurzen Moment lang war es gespenstisch ruhig. Es war durchaus möglich, dass wir uns in der falschen Straße befanden. In diesem Land gab es tausende, wie diese, doch ich wusste, über welche Fähigkeiten Jules verfügte. Es war nicht untertrieben, als Malu sie eine Göttin nannte.

Sie war die liebste und sanfteste von uns. Sie liebte jedes Tierbaby, das Malu anschleppte, wie ihr eigenes. Sie backte und kochte für alle und mit ihren großen braunen Rehaugen sah sie aus, wie Bambi.

Aber ich kannte niemanden, der besser und brutaler das world wide web und auch das Darknet für sich nutzen und knechten konnte, wie sie. Sie war im Stande, jede Kamera anzuzapfen, jeden Mailverlauf, jedes Telefongespräch und jede Akte zu besorgen, die es gab. Eine Firewall war für Julina nur eine Tür, die sie noch nicht geöffnet hatte.

Unsere Welt heute war digital und das Leben vieler fand online statt. Julina war diejenige, die jeden schmutzigen Fußabdruck finden und zurückverfolgen konnte, egal, wie undeutlich er auch war.

Und sie war dabei nicht weniger gnadenlos als Malu.

Julina hatte nicht wenige einflussreiche Männer mit ein paar Nullen und Einsen in den Ruin getrieben. Ihre Opfer hatten sich, ohne zu wissen, wie ihnen geschieht, in einem Shitstorm aus hasserfüllten Nachrichten wiedergefunden. Sie wurden durch die Klatschpressen gezogen und Julina sorgte dafür, dass das auch so blieb, indem sie den Informationsfluss mit wenigen Klicks steuerte und kontrollierte. Keines ihrer Opfer erholte sich davon. Freunde weg, Partner weg. Haus, Job, Prestige, das ganze Leben: weg.

Jules gab erst Ruhe, wenn sie die Akte mit einem Wort schließen konnte: „Suizid"

Und „unser Problem" auf diese Art beseitigt war.

Wie gesagt. Wir waren alle ziemlich im Eimer.

Aus diesem Grund gab es Regel Nummer 2: Wir machen diese Arschlöcher fertig, weil wir nicht wollen, dass noch mehr Frauen und Mädchen das durchmachen müssen, was wir erlebt haben. Und weil es das ist, was wir gut können. Und weil es traurigerweise auch das ist, was wir in unserem Inneren alle brauchen, um uns ganz zu fühlen. Wir sind offensichtlich alle nicht so der Psychocouch Typ.

Wobei wir uns wieder bei unserem fragwürdigen seelischen Gesamtzustand befinden würden.

Daraus ergibt sich wie von selbst Regel Nummer 3.

Männer haben unser Vertrauen nicht verdient.

Natürlich weiß ich, dass es auch ganz tolle Männer gibt. Liebe Männer, solche, die heiraten und Babys haben möchten und all das. Ich habe sie studiert, von der Ferne. Im Einkaufszentrum oder im Krankenhaus. Aber ganz im Ernst: Welcher von diesen Magazin Typen würde eine von uns als Frau haben wollen?!

Und die Gegenfrage: Welche von uns dreien könnte bei so einem Mann sie selbst sein?! Denn das der Harley Quinn mäßige Teil einfach zu uns gehört und bei der normalen Bevölkerung nicht ganz so gut ankommt, haben wir schon vor langer Zeit festgestellt.

wild swallow #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt