Aurela

8 1 6
                                    

Die Augen des dunklen Prinzen folgten mir. Jeder meiner Bewegungen. Sicher hatte er Angst vor mir. Angst, dass ich ihn auch gleich eliminieren würde, wie all die Männer, die hier am Boden lagen. Angst, vor dem Monster in mir...

Dieser Gedanke versetzte mir einen kleinen Stich, obwohl ich nicht verstand, warum.

Er wäre dumm, wenn er anders denken würde. Schnell wischte ich diese trübseligen Gedanken bei Seite. Wir waren hier noch nicht fertig und auch noch nicht außer Gefahr.

"Also, was machen die zwei Sahneschnitten hier, Schwalbe? Nicht, dass ich was dagegen hätte...", Malu zwinkerte dem Typ mit der merkwürdigen Perücke schalkhaft zu. Ich nehme mal an, das war ein mutiger Tarnversuch, um hier reinzukommen...

"Hast du schon gehört, dass ich heute Abend verabredet bin?", plapperte sie munter weiter. "Ich steh übrigens total auf Chinesisch", sagte sie zu ihm und warf ihm noch ein Lächeln zu.

Ich hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging, doch nach einigen Sekunden, zog er sich die Perücke vom Kopf und lächelte sie belustigt an.

"Ich hoffe, du weißt chica, dass das das merkwürdigste Date überhaupt werden wird. Chinesisch geht in Ordnung."

Malu, von seiner offensichtlichen Zustimmung, aus dem Konzept gebracht, kam etwas ins Straucheln.

"Ähm, also", begann sie, doch ich musste das hier unterbrechen. So amüsant ich es auch fand.

"Ihr müsst uns helfen. Die Mädchen müssen losgebunden und nach draußen in unseren Truck gebracht werden. Dort kann ich sie medizinisch versorgen", meinte ich knapp und widmete mich den Fesseln eines der bewusstlosen Mädchen.

Es war ein Befehl und keine Bitte. Ich wusste um meinen fordernden Ton, der mir eigentlich, nach dem, was ich gerade getan hatte, nicht zustand. Dennoch mussten wir den Zeitplan einhalten. Jules wartete auf uns. Wir hatten hier schon für genug Aufsehen gesorgt. Wir würden nicht mehr lang alleine sein.

Ich wusste nicht, was ich von den beiden Männern erwarten konnte. Ich ging davon aus, dass sie erst ihre Fragen beantwortet haben wollten. Dass sie erst Forderungen stellten. Eine Gegenleistung erwarteten. Dass sie wissen wollten, was und warum das hier gerade passiert war. Dass sie sich weigern würden, zwei verrückten Mörderinnen, wie uns zu helfen. Jeder wollte immer irgendwas im Gegenzug. Geschenke und Gefallen wurden nicht mehr ohne Hintergedanken gemacht.

Womit ich nicht gerechnet hatte war, dass die beiden meiner Aufforderung Folge leisten würden. Ohne zu Zögern.

Bevor sich der dunkle Prinz den Mädchen zuwandte kam er zu mir und zog sein Jackett und sein schwarzes Hemd aus. Ich war gerade dabei gewesen eines der Mädchen freizubinden, doch der Anblick seiner breiten, muskulösen Brust brachte mich dermaßen durcheinander, dass ich mich mit dem Strick vollkommen verhedderte. Es waren nicht nur die Muskeln, die meinen Atem stocken ließen, es waren auch die vielen Narben und die Tattoos, die meine Blicke praktisch magnetisch anzogen. Am liebsten hätte ich mir alle Tattoos in Ruhe angesehen, doch das war vollkommen doof... Hallo! Aurela! Wach endlich auf! Als ich bemerkte, dass ich ihn angestarrt und meinen Daumen in der Schnur eingewickelt hatte, war es schon zu spät. Er hatte es ebenfalls bemerkt und grinste mich großspurig an. Seine weißen, leicht schiefen Zähne blitzten auf.

"Gefällt dir, was du siehst, principessa?"

So ein eingebildeter Pinsel, dachte ich wütend.

"Tja, das kann ich nicht beurteilen", gab ich kurz angebunden zurück und befreite meinen Daumen. "Dein riesiges Ego hat mir die komplette Sicht versperrt. "

Er lachte tief, während er sich das Jackett wieder anzog und mir sein schwarzes Hemd gab. Sein Lachen vibrierte in der Mitte meines Körpers wider. Es war ein schönes Geräusch und ich wette, er tat es nicht allzu oft.

"Hier", seine Stimme war rau und tief, seine Augen unverwandt auf mich gerichtet. "Zieh dir das über."

"Ich brauche das nicht." Das war ja nett, aber als ob wir nicht größere Probleme hatten, als meine magere Kleidung.

"Aber ich brauche es, principessa. Ich kann mich nämlich nicht konzentrieren, wenn du weiter so vor mir rumläufst. Ich will nicht, dass dich jemand so sieht", seine Stimme wurde noch ein Ticken rauer, was etwas Merkwürdiges in meinem Magen anstellte und er hielt mir auffordernd sein Hemd hin.

"Ich habe gerade einen ganzen Clan gelöscht, die Glock in einer Hand hat noch fünf Schuss und meine Schwester da hinten hat heute ihr Lieblingsjagdmesser dabei. Das heißt, du schaffst es keine drei Schritte Richtung Tür... Und du machst mir ernsthaft Vorschriften?", kühl musterte ich ihn. Ich war empört, aber ich gönnte es ihm nicht, ihm das auch noch zu zeigen.

"Dann erschieß mich von mir aus, principessa. Aber so verlässt du definitv nicht diesen Raum", seine Stimme war dominant und seine Augen wurden hart.

Ein Teil von mir jubelte ihm zu und war überaus erfreut, dass er offensichtlich gar keine Angst vor mir hatte. Im Gegenteil.

Der andere Teil in mir wollte ihm in die Schulter schießen für seine Arroganz.

"Warum?" Warum war es für ihn so wichtig? Wieso war es ihm nicht einfach egal, wie ich hier rausspazierte? Von allen Dingen, die wir im Moment erledigen mussten, war dies die unwichtigste von allen und doch war mir diese Frage heraus gerutscht.

Er kam mir noch einen Schritt näher. Ich spürte die Wärme seiner nackten Brust und schluckte. Seine Augen waren dunkel und unverwandt auf meine gerichtet. Seine große tättowierte Hand strich sanft eine Strähne aus meiner Stirn. Sein Atem wurde etwas unregelmäßiger. Die Ärztin in mir beobachtete das besorgt. Hatte er wegen posttraumatischen Stress jetzt doch Kreislaufprobleme?

Er lehnte sich ein Stück näher zu mir und ich roch Kiefernnadeln und den Geruch seiner salzigen Haut. Ich starrte mit großen Augen zu ihm hinauf. Er war wirklich ein Riese... Mein Herz schlug so heftig in meiner Brust, dass ich meinte, er müsste es hören. Unbewusst lehnte ich mich ihm ein Stück entgegen, bis wir nur noch Millimeter voneinander getrennt waren.

"Warum? Ich sage es dir kleine Prinzessin. Weil dieser Anblick von heute an nur noch für mich bestimmt ist. Und für niemanden sonst", flüsterte er rau, sodass nur ich es hören konnte.

Vollkommen aus der Fassung gebracht, griff ich nach dem Kleidungsstück. Ich hörte Malu im Hintergrund leise prusten. Er trat einen kleinen Schritt von mir zurück, ohne jedoch den Blick abzuwenden.

"Ich hätte dich einfach den Sprinklern überlassen sollen", murmelte ich leise grummelnd und zog sein Hemd über. Es roch nach ihm und fühlte sich warm und weich an. Als ich es mir bis oben hin zugeknöpft hatte fühlte ich mich tatsächlich viel besser und auch ... sicherer. Ich hasste es, meinen Körper zu zeigen. Aus diesem Grund ging ich auch nie ins Schwimmbad. Das Gefühl von Stoff auf der Haut war einfach wundervoll. Ich schloss kurz die Augen.

"Immer wieder gern principessa", kam es amüsiert aus seiner Richtung.



wild swallow #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt