Aurela

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Langsam schritt ich in Richtung des Transportes

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Langsam schritt ich in Richtung des Transportes. Ich schwankte leicht, um zu symbolisieren, dass ich angetrunken war und damit noch leichter zu überwältigen als ohnehin schon.

Ich trug ein knielanges, funkelndes Kleid und mörderisch hohe Absatzschuhe.

Sie waren tatsächlich mörderisch, da Julina ein paar Extras eingebaut hatte und wir sie so lackiert hatten, dass sie aussahen, wie echte Louboutins.

Ich hoffte, dass ich sie aus dem Grund zur Versteigerung anlassen konnte, einfach, weil sie verdammt teuer aussahen.

Das funkelnde Kleid war Malus Werk. Es erfüllte keinen besonderen Zweck, außer, dass sie ziemlich versessen auf alles Glitzernde und Glänzende war. Sie nannte es „Bling-Bling-Schwäche". Eigentlich hätten wir sie Elster nennen sollen und nicht Rabe.

„Du bist fast bei dem Transporter. Ich hab dich immer im Blick", erklang Julinas Stimme in meinem Ohr.

Es war schön zu wissen, dass sie bei mir war, doch ich hatte keine Angst. Dieses Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr empfunden. An dieser Stelle war nur Leere, die ich mit Wut und moralisch fragwürdigen Handlungen füllte.

Diese Scherben konnten nicht zusammengesetzt werden. Es war die dunkle Seite in mir.

In jeder von uns.

Wenige Schritte von dem Transporter entfernt blieb ich stehen und stützte meine Arme leicht auf meine Knie. Es sollte zeigen, dass ich eine Pause benötigte und kurz verschnaufen musste. Vielleicht musste ich mich auch übergeben. Egal, was ich tun würde, ich wäre in diesem Moment auf jeden Fall schutzlos.

Wenn ich jemanden entführen würde, würde ich jetzt angreifen.

Und genau das taten sie auch.

Ich hörte, wie zwei Autotüren geöffnet wurden und schnelle Schritte näher kamen. Ich schärfte meine Sinne. Ausgehend von dem Klang, Rhythmus und dem Schrittmuster waren es zwei Männer. Der eine war leicht adipös und der zweite sprang mit beiden Beinen gleichzeitig aus dem Sprinter.

Ich konnte hören, dass er Probleme beim Laufen hatte und eines der Beine sich vermutlich nicht richtig abspreizen ließ, was einen geregelten Bewegungsablauf verhinderte.

Dysplasia coxae congenita. Hüftdysplasie.

Perfekt. Der wäre mit einem gezielten Tritt außer Gefecht gesetzt und würde nirgendwo mehr hingehen können. Oder Mädchen entführen können. Und Speckis Kondition würde es mir ebenfalls leicht machen.

Schon spürte ich, wie mich zwei paar verschwitzte Hände packten. Sie waren routiniert. Geübt in dem widerlichen Tagwerk, was sie vollbrachten.

Ich spürte, wie die Wut in mir erwachte .

Der eine packte mich am Genick und drückte mir derbe mit der anderen Hand ein mit Chloroform getränktes Tuch an die Nase. Während ich im Geiste die Sekunden zählte, spürte ich das zweite paar Hände meinen Unterbauch packen.

Ich gab ein überraschtes Röcheln von mir und sackte kraftlos in mich zusammen. Mit diversen Atemübungen und Atemtechniken konnte ich die Luft bis zu zwei Minuten anhalten. Kein Weltrekord, aber hierfür reichte es allemal.

Nach fünf Sekunden nahm Specki das Tuch von meinem Gesicht und Hüftdysplasie hob mich schwerfällig hoch und trug mich zum Kofferraum des Sprinters.

Die beiden waren definitiv nicht in Bestform. Ihr einziger Vorteil bestand darin, dass sie zu zweit waren. Und höchstwahrscheinlich tat die Beretta 92, die unter dem schmuddeligen Hemd von Hinkebein hervorschaute, im Ernstfall ihr Übriges.

Obwohl ich wusste, dass wir diese kleinen Bastarde dann bluten lassen würden, hasste ich das Gefühl seiner Hände auf meiner Haut.

Seine speckigen Finger, die zu lange an meinem Oberschenkel verweilten. Sein Knoblauchatem, den ich in meinem Nacken spürte, als er genüsslich an meinem Haar roch. Diese Momente waren die Schwierigsten für mich. Die, in denen ich darum kämpfte, nicht die Kontrolle über mich zu verlieren und ihnen hier und jetzt das Genick zu brechen. Kurz und schmerzlos. Eigentlich ein Geschenk für die beiden, denn ich konnte auch anders.

Ich atmete ruhig weiter und gab mir Mühe, meinen Körper völlig ohne Anspannung hängen zu lassen, wie es in der Regel nach einer Chloroformeinwirkung immer wäre. Der Sprinter bestand nur aus einem kleinen Fahrerhaus und einem großen Laderaum. Unsanft wurde ich an eine der Seitenwände gedrückt.

Ich ließ meinen Kopf zur Seite sacken und ignorierte das Streicheln rauer Hände über meine nackten Oberschenkel.

Das Kleid war nach oben gerutscht und entblößte viel Haut. Nur mit Mühe konnte ich das Ballen meiner Fäuste vermeiden. Sollte seine Hand noch höher wandern, würde ich ihm alle proximalen Phalangen brechen, die er hatte. Scheiß auf den Einsatz. Jules würde sie wieder finden können.

Das war unsere inoffizielle Regel Nummer 4 bei nächtlichen, geheimen Touren: Nie wieder würde eine von uns Berührungen aushalten müssen, die sie quälten. Nie wieder!

Seine Hand an meinem Oberschenkel war noch kein Grund unseren Plan zu gefährden, aber wenn sie zwischen meine Beine wanderte schon. Nur eine Sekunde, bevor ich aus meinem vermeintlichen Koma erwachen und ihm einen Anus praeter verpassen wollte, rief ihm Specki etwas auf Mexikanisch zu.

Ich konnte nur ein paar Brocken verstehen, da er aufgrund einer Dysarthrie sehr stark nuschelte. Aber sinngemäß sollte Hinkebein einen Zahn zulegen und endlich neben ihn in die Karre springen.

Die Hand entfernte sich und die Ladetür wurde zugeschlagen. Nachdem Hinkebein eingestiegen war und der Transporter sich röhrend in Gang gesetzt hatte, wagte ich es, meine Augen einen Spalt zu öffnen und mich im Laderaum umzusehen. Trotz des schummrigen Lichts konnte ich noch vier weitere Körper ausmachen. Die drei, die mir am nächsten lagen, waren junge Mädchen zwischen neun und elf Jahre alt. Ihre kleinen zarten Körper zeigten einige Kampf- und Kratzspuren. Sie hatten sich gewehrt, bevor sie in Kontakt mit dem Chloroform gekommen sind.

Innerlich jubelte ich wegen ihres Mutes und gleichzeitig drehte sich mir der Magen um. Noch so jung.

Die vierte Person, war eine junge Frau. Ihr Alter konnte ich nicht schätzen, da ihr Gesicht von langen Haaren in einem eindrucksvollen, dunklem Rotton verdeckt wurde. Durch die Betäubung schliefen sie noch, aber in spätestens ein einer halben Stunde würden sie aufwachen. Die Konzentration des Betäubungsmittel war schwach gewesen. Nur so gering, damit eine lautlose, reibungslose Entführung möglich war.

Am liebsten würde ich den Puls der vier kontrollieren, doch aufgrund der regelmäßigen Atemzüge schienen sie keine negativen Folgen oder allergischen Reaktionen aufzuweisen. Wenn ich daran denke, wie ich mich gefühlt hatte, als ich damals aufgewacht bin...

Schnell verdrängte ich diesen Gedanken. Nicht heute. Nicht jetzt. Diese Erinnerung würde mich jetzt nicht schwächen. Ich würde mich nicht davon aus dem Konzept bringen lassen.

Die Mädchen hier erwartete nicht mein Schicksal. Ich war bei ihnen. Und Mals und Jules. Wir würden ihnen helfen. Das hier war nicht die letzte Station ihres Lebens. Ich prüfte unauffällig meine Spielzeuge. Schuhe, Schmuck, Fingernägel. Alles noch intakt. Ich schloss die Augen wieder und lehnte mich etwas bequemer an die Wand des Vans.

Jetzt hieß es warten, bis wir die Endtstation erreicht hatten.

Dann konnte der eigentliche Spaß beginnen.

wild swallow #1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt