Während meine Gedanken immer wieder um Metin kreisen, plaudert Tino unbeeindruckt drauf los und erzählt ausführlich von einem Projekt, das er heute erfolgreich zum Abschluss gebracht hat. Ich bemühe mich, ihm aufmerksam zuzuhören und angemessen zu antworten, aber es fällt mir schwer, mich auf seine Worte zu konzentrieren. Ich muss morgen unbedingt mit Metin reden, um das entstandene Missverständnis endgültig auszuräumen. Es beschäftigt mich sehr, dass ich ihn verletzt habe, und ich möchte nicht, dass diese Sache zwischen uns steht.
»Hey, bist du überhaupt bei mir?«
Ertappt zucke ich zusammen. »Es tut mir leid, aber es war ein sehr anstrengender Abend.«
Die tiefe Falte auf seiner Stirn glättet sich ein wenig. »Erzähl mir von deinem Tag.«
Ich atme tief durch, schiebe alle Gedanken an Metin beiseite und versuche zu lächeln. »Ich habe dir doch neulich von dem Stipendium erzählt, für das ich mich beworben habe. Ich bin eine Runde weiter. Als Nächstes kommen die Vorstellungsgespräche und dann wird endgültig entschieden.«
»Das ist ja großartig!« Er greift über die Mittelkonsole und legt seine Hand kurz auf meine. »Ich habe ja gesagt, du bist was Besonderes. Und ich bin mir ganz sicher, dass du auch die letzte Hürde nehmen wirst.«
Seine Worte tun gut und lassen mein Herz schneller schlagen. »Danke, Tino.«
»Aber da ist eine Sache, die ich mich letztens schon gefragt habe. Es ist ja nicht so, dass dieses Stipendium die einzige Finanzierungsmöglichkeit wäre. Wie sieht es mit anderen Stipendienprogrammen oder Bafög aus?«
Ich seufze tief. »Ich habe mich für andere Stipendien beworben, wurde aber abgelehnt. Und Bafög ... Ich habe viel Negatives darüber gehört und ...« Ich breche ab.
»Aber nicht jeder macht damit schlechte Erfahrungen.«
»Ja, ich weiß. Aber es ist nur ein Darlehen und ich würde mich hoch verschulden. Und dann ist da noch die Unsicherheit, weil es bei der Bearbeitung der Anträge immer wieder zu Verzögerungen kommt. Das ist mir alles zu unsicher und ich habe gelernt, Dinge selbst zu regeln und Verantwortung zu übernehmen. Außerdem habe ich einiges gespart und bin über dem Freibetrag, was mir wieder Nachteile beim Bafög bringen würde. Also ... Nein, ich habe lange darüber nachgedacht, aber für mich ist das keine Option. Auch wenn es der schwierigere Weg ist, will ich unabhängig bleiben.«
Ein weiterer Grund, den ich aber für mich behalte, ist die Angst vor dem bürokratischen Aufwand und vor den Erinnerungen, die er in mir wecken könnte. Ich fürchte, ständig daran erinnert zu werden, was ich verloren habe. Der Ärger mit den Erbschaftsangelegenheiten nach dem Tod meiner Familie war sehr schwer für mich und ich war froh, als er endlich vorbei war. Das noch einmal durchzumachen, ertrage ich nicht. Ich will es alleine schaffen, auch um mich zu schützen.
Tino überlegt kurz und nickt dann. »Ja, das kann ich nachvollziehen.« Er zieht meine Hand zu sich und führt sie an seinen Mund, ohne dabei den Straßenverkehr aus den Augen zu verlieren. »Wenn du mich lassen würdest, könnte ich dir helfen. Dann müsstest du nicht bis spät in die Nacht in diesem Club arbeiten.«
»Ich mag meinen Job«, protestiere ich. »Außerdem kann ich das nicht annehmen. Aber es ist sehr nett von dir, dass du es mir anbietest.«
Er wirft mir einen schnellen, aber sehr intensiven Blick zu. Sagt aber nichts mehr.
Ein paar Straßen weiter lenkt Tino seinen Audi routiniert in eine Parklücke, die mehr Gehweg als Straße ist. Zu meiner Überraschung habe ich ihm tatsächlich verraten, wo ich wohne. Zumindest den Namen der nächsten Straßenecke, denn für die U-Bahn hatte ich einfach keine Energie mehr. Mit dem Auto dauert die Fahrt zu dieser späten Stunde mindestens zwanzig Minuten weniger.
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The Devil's Roommate
Paranormal| Urban Fantasy Drama | Lucia Hertzog steckt in der Klemme. Sie braucht dringend einen neuen Mitbewohner und nimmt den erstbesten an, der sich bei ihr meldet: Felix Schwarz. Was sie nicht weiß: Felix ist der Teufel höchstpersönlich, der nach Jahrtau...