»Hey Bruderherz, wo wolltest du noch mal deinen Schreibtisch haben?«
»Direkt unter dem Fenster.«
Aslan und Halit nicken und heben das schwere Möbelstück wieder hoch. Metin, der in der Küchentür steht und alles beobachtet, schaut ihnen sehnsüchtig nach.
»Wie viel ist noch im Auto?«
»Die Möbel sind jetzt alle oben«, antworte ich. »Es fehlen noch die Kartons.« Ich trage einen davon in Metins neues Zimmer und stelle ihn an die Seite. Während Metins Brüder wieder nach unten verschwinden, gehe ich zu ihm in die Küche.
»Ich kann auch noch einen kleinen Karton nach oben tragen. Dann sind wir schneller fertig«, bietet er zum wiederholten Mal an.
»Nichts da«, schimpfe ich. »Wenn der Arzt sagt, du darfst nichts Schweres heben, dann gilt das auch für ›kleine‹ Kartons!«
Er seufzt resigniert und verschränkt wie ein trotziges Kind die Arme vor der Brust. »Ich hasse das!«
Metin ist seit ein paar Tagen aus der Reha zurück. Er hat abgenommen. Seine Haut ist blass und fahl, um seinen Mund hat sich eine harte Linie gebildet. Alles Folgen der Schmerzen, die ihm die Verletzung eingebracht hatte. Trotz allem ist seine Laune aber erstaunlich gut. Abgesehen von jetzt gerade, wo er zum Zuschauen verdammt ist, während seine Brüder, Nilay und ich seine Sachen in die Wohnung tragen. Aber die Anweisungen der Ärzte sind deutlich. Metin muss sich weiter schonen, wenn er keine Folgeschäden davontragen will.
Mit einem Lächeln im Gesicht schließe ich die Lücke zwischen uns und lege meine Arme um seine Taille. Sofort zieht er mich noch näher, vergräbt seine Nase in meinem Haar und atmet tief ein.
Zufrieden brummt er. »Hiervon hingegen werde ich aber garantiert nie genug bekommen.«
Ich lehne mich an ihn und genieße für einen Moment die Wärme und Geborgenheit. Was genau das jetzt zwischen uns ist, haben wir noch nicht ganz definiert. Nach der Sache mit Tino bin ich noch vorsichtiger geworden. Oft genug habe ich nachts Alpträume oder Flashbacks, in denen ich glaube, dass er hinter mir steht und mich angreifen will. Aber Metin gibt mir den Raum und die Zeit, die ich brauche. Was ich ihm sehr hoch anrechne. Ich gestehe, ich freue mich sehr auf die gemeinsame Zeit, die nach seinem Einzug bei mir vor uns liegt.
Felix ist ausgezogen. Offiziell ist er erst wegen einer dringenden Familienangelegenheit abgereist und hat dann spontan entschlossen, eine Weltreise zu machen und auszuziehen. Dass Metin sein Zimmer übernimmt, war danach nur die logische Konsequenz.
Es gab viele Veränderungen in den letzten Monaten. Neben Metins Einzug gibt es noch eine, auf die ich mich besonders freue. Noch vor einem halben Jahr erschien es mir wie ein unerreichbarer Traum. Doch in wenigen Wochen werde ich tatsächlich mein Psychologiestudium beginnen können. Kurz nach dem Bewerbungsgespräch im Frühjahr habe ich die Zusage für das Brückenbauer-Stipendium bekommen. Jetzt steht meinem großen Traum nichts mehr im Weg.
Ein leises Räuspern dringt aus dem Flur. Nilay steht dort mit einem Karton im Arm und grinst uns an. »Sorry, ich wollte nicht stören, aber die Postbotin hat was für dich abgegeben, Lu.«
Sie deutet auf den Stapel Briefe, der auf dem Karton liegt. Ich löse mich von Metin und nehme ihr den Stapel ab.
»Ach, und ihr solltet mal runtergehen und dem Kater ›Hallo‹ sagen. Der schleicht schon die ganze Zeit um unsere Beine herum. Aber lasst euch ruhig Zeit. Schön weitermachen!« Sie zieht von Dannen, stellt die Kiste ins Zimmer und verlässt winkend und pfeifend die Wohnung.
Metin murmelt etwas Unverständliches, dann schaut er neugierig auf den Stapel Briefe. Schnell blättere ich sie durch. Eine Rechnung, Werbung, Infos von einer Versicherung und ... eine Postkarte. Ich nehme sie heraus und lege den Rest auf den Tisch.
Die Postkarte ist geschmückt mit Fotos von schneeweißen Traumstränden vor azurblauem Himmel, saftig grünen Palmen, die sich im sanften Wind wiegen, und einem atemberaubenden Sonnenuntergang, der den Himmel in allen erdenklichen Rottönen erstrahlen lässt. Der Name ›Barbados‹ prangt in großen, schwarz umrandeten Lettern über den traumhaften Bildern. Mit einem Gefühl von Fernweh drehe ich die Karte um und beginne, die handgeschriebenen Zeilen auf der Rückseite zu lesen.
›Liebe Mitbewohnerin, ich sende dir herzliche Grüße aus dem Paradies. Es ist eigentlich ganz nett hier. Ich verbringe meine Zeit mit entspannen, schreiben und Leute beobachten. Bisher eine sehr erfolgreiche Recherchereise. Keine Sorge, von Kreuzfahrtschiffen halte ich mich fern. Und Eisberge gibt es hier sowieso nicht. Grüße, Felix.‹
»Was meint er mit Kreuzfahrtschiffen und Eisbergen?«
Ich habe Mühe, das Lachen zu unterdrücken, das in mir aufsteigt, und beiße mir auf die Innenseite meiner Wange.
»Ein kleiner Insider unter uns«, winke ich ab. Schnell lege ich die Karte zur Seite. »Was hältst du davon, wenn wir unseren fleißigen Helfern eine Stärkung besorgen?«
Metin nickt eifrig, sichtlich froh, endlich etwas zu tun zu haben.
»Dann lass uns gehen!«
Er greift nach meiner Hand und unsere Finger verschränken sich. Es ist ein schönes Gefühl. Eines, an das ich mich schnell gewöhnt habe und das ich nicht mehr missen möchte. Genau wie die Menschen um mich herum.
Und in Momenten wie diesen erinnere ich mich an Felix Worte und seine Mission. Es war ein holpriger Weg mit vielen Stolpersteinen und viel Chaos, aber am Ende hat er seine Mission tatsächlich erfüllt. Ich habe mein Glück gefunden und bin endlich dort angekommen, wo ich immer hinwollte.
・ENDE・
⫸ 39.922 Wörter
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The Devil's Roommate
Paranormal| Urban Fantasy Drama | Lucia Hertzog steckt in der Klemme. Sie braucht dringend einen neuen Mitbewohner und nimmt den erstbesten an, der sich bei ihr meldet: Felix Schwarz. Was sie nicht weiß: Felix ist der Teufel höchstpersönlich, der nach Jahrtau...