𝟙𝟚・Ein schwarzer Tag

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Die Sonnenstrahlen dieses herrlichen Frühlingstages tanzen auf den gepflasterten Wegen des ruhigen Wohnviertels. Ich schließe die Augen und spüre, wie der frische Wind sanft durch mein Haar streicht. Der Sommer kündigt sich an, überall ist er zu riechen und im Konzert der vielen Vögel zu hören. Ein Gefühl der Geborgenheit überkommt mich, als ich den vertrauten Weg von der Bushaltestelle nach Hause gehe.

Die Haustür steht einen Spalt offen, als würde sie mich schon erwarten. Im Türrahmen erscheint meine Mutter mit einem warmen, zärtlichen Lächeln.

»Lucia, da bist du ja!«, ruft sie und ihre Stimme klingt wie eine Melodie in meinem Kopf. Sie streicht mir mit dem Daumen über die Wange und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Das Gefühl erzeugt einen wohligen Schauer bei mir.

Ich trete ein, lasse meinen Schulrucksack an der Garderobe zu Boden fallen und schlüpfe aus meinen Schuhen. Die vertraute Geräuschkulisse erfüllt das Haus - das Knarren der Holzdielen, wenn mein kleiner Bruder oben herumtobt und das Motorengeräusch des Düsenjets nachahmt, mit dem er gerade spielt.

»Beeil dich, Fabio«, ruft Mama nach oben, in ihrer Stimme schwingt eine Mischung aus Zärtlichkeit und Ungeduld. »Wir müssen gleich los, sonst kommen wir zu spät.«

Die Worte erinnern mich daran, dass meine Mutter noch einen Termin in der Stadt hat. Mein Vater und mein Bruder wollen mitfahren, um Schuhe für Fabio zu kaufen. Er ist aus den aktuellen herausgewachsen.

Mein Vater sitzt am Tisch, die Zeitung vor sich ausgebreitet, eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand. Er blickt auf und sein Gesicht wird von einem Lächeln erhellt, das sich warm in meiner Brust ausbreitet.

»Hallo, Schatz«, begrüßt er mich. Seine Augen sind voller Stolz und Liebe - Emotionen, die ich so schmerzlich vermisse.

Es ist ein gewöhnlicher Tag. Ein Tag wie jeder andere und gleichzeitig einer der schrecklichsten meines Lebens. Die Atmosphäre ist von einer heiteren Gelassenheit durchdrungen - jeder von uns ist in seine tägliche Routine versunken. Ich höre das Lachen meines kleinen Bruders, höre, wie meine Mutter ihn wieder zur Eile ermahnt, sehe, wie mein Vater über diesen wenig erfolgversprechenden Versuch lächelt - alles erscheint mir so real, dass ich fast vergesse ...

... dass es nur ein Traum ist.

Als ich an diesem Morgen aufwache, brauche ich nicht auf den Kalender zu schauen, um das Datum zu wissen

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Als ich an diesem Morgen aufwache, brauche ich nicht auf den Kalender zu schauen, um das Datum zu wissen. Der Traum hat es mir bereits verraten.

10 Jahre sind seit dem Tage vergangen, an dem das Schrecklichste geschah, was man sich vorstellen kann. Es ist 10 Jahre her, dass ich meine Familie verloren habe. Und seit 10 Jahren habe ich in der Nacht davor immer den gleichen Traum. Einen Traum, der sich genau so abgespielt hat. Es sind die letzten Stunden, die ich gemeinsam mit meiner Familie verbracht habe.

In all den Jahren habe ich mich immer wieder gefragt: Hätte ich etwas anders machen können? Hätte ich es verhindern können? Wäre es ihnen genauso ergangen, wenn sie später losgefahren wären? Wenn ich mit ihnen gegangen wäre? Wenn ich meinen Vater überredet hätte, an einem anderen Tag zu fahren? Hätte ich dann wenigstens seinen und Fabios Tod verhindern können?

The Devil's RoommateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt