𝟡・Brücken bauen

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Ich sitze in der Küche, mein Blick konzentriert auf das Handy in meiner Hand. Schon seit einiger Zeit schreiben Tino und ich uns Nachrichten. Angefangen hat alles mit einem herzlichen ›Guten Morgen‹ und der gegenseitigen Versicherung, dass wir den vergangenen Abend sehr genossen haben. Inzwischen sind wir bei ziemlich belanglosem, wenn auch sehr lustigem Smalltalk angelangt. Und jedes Mal, wenn das Handy vibriert und die neueste Nachricht von ihm ankündigt, macht mein Herz einen kleinen Sprung. Ich bin ganz froh, allein in der Küche zu sein, denn so muss ich niemandem das blöde Grinsen erklären, das sich in mein Gesicht eingefressen hat.

Ich fühle mich merkwürdig leicht und zugleich unruhig. Es ist ein Gefühl, das ich nicht wirklich einordnen kann. Es ist als ob ich schwebe, gleichzeitig zittere und doch stillstehe. Es ist total schön, aber irgendwie macht mir das Ganze aber auch Angst. Auch wegen meiner Vergangenheit habe ich keine große Erfahrung in Sachen Beziehungen. Ich bin keine Jungfrau, aber ich konnte mich bisher nicht wirklich emotional auf meine bisherigen Partner einlassen. Die Verpflichtungen, die Erwartungen ... all das hat mir immer nur Stress bereitet. Ich hatte genug damit zu tun, nicht selbst unterzugehen und habe daher eine Schutzmauer um mich herum errichtet. Und bisher hatte ich auch nie etwas vermisst.

Aber bei Tino ist es irgendwie anders. Und mit ihm ist es das erste Mal, dass ich mich nach Nähe sehne. Ich sehne mich danach, seine Hand zu halten, mit ihm zu lachen und meine Gedanken und Gefühle mit ihm zu teilen. Und vielleicht - ganz vielleicht auch noch mehr.

Irgendwann lege ich das Handy zur Seite und widme mich meinem eigentlichen Vorhaben: den Bewerbungsunterlagen für das Stipendium. Mein altersschwacher Laptop steht schon aufgeklappt vor mir, und ich habe – bevor Tino mich abgelenkt hat – gerade angefangen, meinen Lebenslauf zu aktualisieren und mein Motivationsschreiben zu verfassen. Letzteres hat es in sich. Ich habe schon welche geschrieben, aber es hat mir jedes Mal alles abverlangt. Und sonderlich erfolgreich bin ich damit bisher auch nicht gewesen. Ich denke über jedes Wort nach, will mit jeder Zeile überzeugen, zeigen, wer ich bin und was in mir steckt. Und frage mich gleichzeitig, ob das wirklich das ist, was die Leute von der Stiftung lesen wollen.

Plötzlich zuckt ein greller Blitz über das Display meines Laptops und der Bildschirm wird schwarz. Hektisch versuche ich, ihn durch Drücken verschiedener Tasten wieder zum Leben zu erwecken. Keine Reaktion.

»Nein, nein, nein!« Meine Stimme hallt panisch durch die stille Küche.

Mein Atem geht schneller. Meine Daten! Zwei Stunden Arbeit! Verdammt, das kann nicht sein! Mein Puls hämmert wie Trommelschläge in meinen Ohren.

Erneut drücke ich den Power-Knopf. Diesmal halte ich ihn gedrückt, bis meine Finger wehtun. Aber alles bleibt schwarz.

»Neeeein! Du blödes Ding!«, schimpfe ich meinen Laptop aus.

Die Küchentür geht auf und mein Mitbewohner steckt den Kopf herein.

»Ist alles in Ordnung?«

»Nein, nichts ist in Ordnung! Das ist eine technische Katastrophe«, jammere ich laut.

Felix kommt zu mir, zieht den Laptop zu sich heran, tippt ebenfalls auf ein paar Tasten und drückt den Einschaltknopf.

»Tja, der ist tot«, stellt er fachmännisch fest.

Ich heule. »Oh, danke, dafür hätt' ich dich nicht gebraucht!«

Tiefe Frustration umfängt mich. Aber es nützt nichts. Ich sollte mich auf den Weg machen. Gleich um die Ecke ist ein Internetcafé, das ich nutzen kann. Aber dafür muss ich wieder Geld ausgeben, das ich eigentlich nicht habe. Besser wäre die Bibliothek, aber es ist später Nachmittag und die hat nicht mehr lange auf.

The Devil's RoommateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt