KAPITEL 6 | Micro-Scanner

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„Mir gefällt diese Zusammenarbeit mit Nyx nicht. Er ist kriminell und gehört ins Gefängnis", beschwerte Julie sich, während Ivan mit Kopfhörer vor seinem Computer saß und aufmerksam Nyx' Audio- und Video Übertragung anschaute.

Noch war nicht viel passiert, doch langsam wurde es interessant. Das Bürogebäude, zu dem der Mann gerade geführt wurde, sah nicht so aus, als wäre es ein Hochsicherheitstrakt. Es war fast schon peinlich, dass die Polizei die Utopia-Einheit dort drin noch nicht ausgemacht und gestürmt hatte.

Ivan dokumentierte unverzüglich, um welches Gebäude es sich dabei handelte und informierte die Polizei von Trappist darüber, dass Utopia dort höchstwahrscheinlich einen Sitz hatte, die Umgebung vorerst jedoch nicht weiter überprüft werden sollte, da sie sich bereits Undercover dort eingeschleust hatten.

„Er ist nun einmal sehr fähig in seinem Gebiet. Wir können ihn gut gebrauchen", murmelte Ivan. Er drückte sein Gesicht beinahe gegen den Bildschirm, um jedes kleine Detail aufzunehmen.

Julie rollte ihre Augen genervt. „Wir haben Rafael für unsere Cyber-Arbeit."

„Aber Nyx hat nun einmal gelernt...  alternative Wege zu finden", versuchte Ivan seine Zusammenarbeit zu begründen.

„Alternativ?", schnaubte seine Kollegin ungläubig. „Willst du mich verarschen?"

„Ich versuche nur den Nutzen zu sehen", rechtfertigte sich Ivan. „Du musst zugeben, dass seine Fähigkeiten herausragend sind. Rafael könnte da nicht mithalten."

„Weil Rafael sich an die Gesetzeslage hält", zischte Julie.

Ivan schwieg.

Nyx betrat soeben den Fahrstuhl des Gebäudes. Er war wirklich ein guter Schauspieler – beziehungsweise, scheute er sich nicht davor, dreist zu sein. Er hatte den Anhänger der Terroristen tatsächlich dazu überreden können, Mafed mit in das Gebäude nehmen zu können. Ivan war begeistert.

Julie war es nicht.

„Ts", machte sie abschätzig. „Du scheinst dich ja prächtig mit ihm zu verstehen. Geht dir das nicht gegen den Strich, dass er wahrscheinlich Menschen auf dem Gewissen hat?"

„Ich finde einfach nur, dass er gar nicht wie ein böser Mensch wirkt. Er hat andere Ansichten vom Leben, aber auch er versucht seine Leute zu beschützen, verstehst du?", setzte Ivan sich mehr für den Mann ein als er je für möglich gehalten hatte.

Doch er sprach die Wahrheit. Als Nyx seine Leute in Schutz genommen hatte, in dem er ihre Identität nicht preisgegeben hatte, war Ivan beeindruckt gewesen. Er hätte nicht erwartet, dass Nyx sich um seine Leute scherte. Und doch trat er die Zusammenarbeit mit den Polizisten nun allein an, um den Rest seiner Mannschaft nicht zu gefährden. Vielleicht tat er es auch ein Stück weit, um seiner Einheit und seiner Arbeit nicht zu schaden, aber Ivan war sich sicher, dass da ein Funken Gutes in Nyx stecke. Einen Funken, den man durch den richtigen Umgang womöglich anfeuern könnte. Ivan war überzeugt davon, dass jeder Mensch grundsätzlich versuchte, Gutes zu tun.

Vielleicht könnte er Nyx dabei helfen.

„Nein", brach Julie schroff in seinen Gedankengang ein: „Er ist böse. Er spielt dir was vor. Er ist der Boss einer organisierten, kriminellen Bande. Fang bloß nicht an, mit ihm zu sympathisieren."

Für einen Herzschlag hielt Ivan inne und dachte nach. Dann lächelte er warmherzig und schüttelte seinen Kopf. „Keine Sorge, ich arbeite nur kurzfristig mit ihm zusammen", sagte er. „Hiernach wird er seine gerechte Strafe absitzen müssen, so wie jeder andere Straftäter."

Kurz darauf wurde Julie als Verstärkung zu einem Außeneinsatz gerufen, sodass Ivan allein in seinem Büro zurückblieb.

Er beobachtete Nyx's Gespräche genau. Er schaute sich den Raum und seinen Gesprächspartner genauestens an. Doch er konnte nichts Relevantes herausfinden. Es war nicht einmal sicher, ob Nyx dort gerade mit dem wahren Boss der Terror-Einheit sprach. Er trug eine Maske, sodass es unmöglich war, ihn zu identifizieren.

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