"Man kann ebensogut zu tief als zu oberflächlich sein und vergessen, dass die Wahrheit nicht immer in einem tiefen Brunnen, sondern oft dicht vor unseren Augen liegt, und dass man durch ein allzu eifriges sich Verbohren in einen Gegenstand seinen Gedanken die Kraft nimmt."
(Edgar Allan Poe)
~◇~
Über mir höre ich Schritte. Schnell lege ich den Leuchtstein zurück an seinen Platz und verschwinde in der Dunkelheit des Ganges. Die Rolle stecke ich im meine Tasche. Dann lege ich meine Hand an die Tunnelwand und laufe los.
Außer Atem komme ich bei Okami an. Er liegt auf dem Steinboden. Um ihn herum ist der Stein schwarz und verbrannt von seinem Feuer. Er schläft tief und fest. Vorsichtig gehe ich näher ran. Als ich knapp zehn Schritte von ihm entfernt bin zucken seine Nüstern und er schlägt seine Augen auf, nachdem er mich erkannt hat. Sofort ist er auf den Beinen und streift um mich herum, während er mich von allen Seiten gründlich ab schnüffelt. Ich warte ruhig bis er fertig ist und sich vor mich auf den Boden setzt. Dann legt er seinen Kopf schief, fast als würde er mich fragen wo ich mich rumgetrieben habe. Ich hole einmal tief Luft und lasse die ganzen Ereignisse der Nacht nochmal vor meinem Inneren Auge vorbeiziehen. Zu einer Antwort auf seine stille Frage komme ich gar nicht. Okami stößt eine Rauchwolke aus und reibt seinen Kopf an meine Brust. Fast als hätte er meine Erlebnisse gerade auch nochmal gesehen und versucht mich zu beruhigen. Ich umarme seinen Kopf kurz und entferne mich dann sofort von ihm. Sekunden später kommen Arden und ein anderer Elf in die Höhle. Der Elf wirft mir kurz einen abschätzenden Blick zu bevor er sich vor Okami verbeugt und dann weiter zu seinem Drachen geht.
Genau das habe ich gemeint. Ich habe bisher noch keinen Elfen sich vor einem anderen Drachen außer Okami verbergen sehen. Das ist schon fast Gruselig. Aber nur fast.
Arden stellt sich mit einem 'Guten Morgen' neben mich. Ich streichle die rauen Schuppen von Okami und frage ihn. "Wie kommuniziert ihr eigentlich so gut mit euren Drachen?"
Anstatt einer Antwort tippt er sich an den Kopf.
Also über Gedanken.
Als hätte Okami das gehört raschelt er mit seinen Schuppen. Averly nickt mir kurz zu und verbeugt sich dann auch vor Okami bevor er sich auch auf den Weg zu seinem Drachen macht.
Er macht das auch?!
Okami schnaubt mir belustig einen Schwall warme Luft ins Gesicht. Ich kann seine Heiterkeit geradezu spüren.
Und du findest das auch noch lustig?
'Klar. Er versteht zumindest wie er sich als Drachenreiter mir gegenüber zu verhalten hat', Ertönt eine samtige Stimme in meinem Kopf. Überrascht sehe ich zu Okami.
"Warst du das?", frage ich ihn laut.
'Wer den sonst?'
Das erklärt einiges.
'Hoffe ich doch.'
Ich werfe Okami einen genervten Blick zu.
Du kannst schon die ganze Zeit über meine Gedanken hören, oder?
'Klar. Ich konnte mich vorher bloß nicht ordentlich in euren Worten ausdrücken. Averly sollte so auch mit seinem Drachen kommunizieren können.'
Ruckartig hebt Okami seinen Kopf und saugt laut Luft in seine Nüstern ein. Dann läuft er plötzlich los und lässt mich einfach stehen.
Toller Drache.
Er dreht seinen Kopf im laufen zu mir um und muss natürlich noch etwas loswerden.
'Ich kann dich immer noch hören.'
Ist mir bewusst.
Ich folge ihm durch mehrere Windungen bis in die Haupthöhle. Dort bleiben wir am Tunnelausgang stehen und schauen in die Höhle. In der Mitte landen gerade fünf fremde Drachen. Auf ihnen sitzten Reiter in prächtigen Rüstungen. Sie haben alle Umhänge mit einer Flamme als Wappen um.
Sind das die Feuerreiter?
'Sieht so aus.'
Wir treten zusammen aus dem Schatten des Tunnelausganges. Fast sofort drehen die Drachen ihre Köpfe in unsere Richtung und werden leicht nervös. Ihre Reiter steigen ab und beachten ihre Drachen nicht weiter, während sie auf eine Gruppe Elfen zugehen, die sich zum Empfang zusammengefunden haben. Ich gehe neugierig zu den Reitern. Sie setzten ihre Helme ab und darunter hervor kommen mir einige sehr bekannte Gesichter.
"Ihr wart die Händler!"
Erstaunt sieht mich der Zwerg an. Die beiden Elfen scheinen eher nicht überrascht zu sein. Der Vampyr und der Mensch beschäftigen sich lieber mir einer eingehenden Betrachtung von Okami. Der Vampyr spricht schließlich.
"Es war die Richtige Entscheidung sie mitzunehmen."
Einer der Elfen sieht mich kurz eingehend an und meint dann: "Wir haben aber nur zwei von Susanoo bekommen. Die Drachen und zwei weitere Reiter sind geflohen, weil ihr euch unbedingt um sie kümmern musstet."
Der Mensch lässt seinen Kopf hängen. Ich sehe fragend zwischen den fünf hin und her.
"Ihr habt mich davon abgehalten sie anzugreifen?"
Der Elf zuckt nur mit seinen Schultern.
"Ich hätte dich einfach machen lassen, aber die beiden haben Sorgen um dich bekommen und mussten uns unbedingt auffliegen lassen."
"Ihr habt aber zwei von Susanoo gefangen?"
Der Elf nickt nur.
"Ich möchte mit ihnen Sprechen."
Entschlossen sehe ich ihn an und unterdrücke alle weiteren Gefühle, die in mir aufwallen.
Der Elf wechselt einen Blick mit seinen Begleitern und nickt dann.
"Wir fliegen bei Abenddämmerung los."
Dann verlassen sie die Höhle und gehen an die Oberfläche. Ich bewege mich erst, als die Sonnenstrahlen meine Nase kitzeln. Die Drachen der Feuerreiter haben es sich gemütlich gemacht und dösen im Sonenlicht. Okami sitzt einige Meter von ihnen entfernt auf dem Boden und beobachtet die fremden Drachen. Als ich neben ihn trete schnaubt er eine Aschewolke aus und ich höre seine Stimme in meinem Kopf.
'Wie sollen wir denn bei ihnen mitkommen?'
Kann ich nicht auf dir Reiten?
Er schüttelt sich, sodass seine Schuppen Rascheln und dreht seinen Kopf zu einen der Gänge.
'Dann sollten wir uns mal in der Kammer umschauen.
Damit lässt mich einfach stehen und läuft in einen der Gänge. Ich beeile mich mit ihm Schritt zu halten. Nach einem kurzem Sprint hinter Okami her kommen wir tatsächlich in eine Art Sattelkammer an. Verschiedenste Größen von Ledersattel hängen ordentlich aufgereiht an den Wänden. Okami schnuppert fleißig jeden Sattel ab, bis er bei einem schwarzen Exemplar stehen bleibt.
'Probier den mal aus.'
Ich hebe den Sattel von der Stange und Okami duckt sich, damit ich den Sattel auf seinen Rücken legen kann. Er dreht seinen Kopf, um mir zuzusehen, wie ich versuche die vielen Gurte um seinen Bauch und Hals zu legen und mit dem passenden Gegenstück zu verbinden.
Sobald ich den letzten Gurt festgezogen haben stupst mich Okami mit seinem Kopf gegen den Sattel.
'Steig schon auf.'
Ich kann seine Vorfreude auf den Flug spüren. Und lasse mich davon angesteckt in den Sattel gleiten. Da der Sattel nichts zum Festhalten hat klammere ich mich an einen Stachel vor mir an Okamis Hals. Nachdem er sicher ist dass ich ordentlich sitze, läuft Okami durch die Gänge bis in die Haupthöhle. Dort bleibt er an der Kante stehen, damit ich einen schönen Blick auf die schwindelerregenden Tiefen habe. Mit einem Sprung verlässt Okami den sicheren Boden. Ich klammere mich noch ein Stück fester an seinen Stachel, während Okami wie ein Stein vom Himmel fällt.
Möchtest du nicht langsam deine Flügel benutzten oder sollen wir mit ziemlich viel Schwung auf der Erde unten landen?
'Bin ja schon dabei.'
Mit einem Brüllen breitet Okami seine Flügel aus und fängt unserem Sturz ab. Durch den Ruck werde ich fast auf seinen Stacheln aufgespießt.
Daran solltest du nochmal üben.
'Ich muss mich erstmal an dein Gewicht gewöhnen.'
Aha.
Okami schlägt mit seinen Flügeln und schraubt sich in einer Spirale in den Himmel. Der Wind zerrt an meinen Klamotten und ich beuge mich weiter über Okamis Hals. Durch meinen Körper fließt Adrenalin und ich kann die Freude von Okami spüren. Ein Lächeln legt sich auf meine Lippen und ich stimme in Okamis Freudenschreie mit ein, während er durch die Luft rauscht.
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Whispers of magic
Fantasy'Memento mori, Memento vivere. - remenber you must die, so remember to live' Ryoko ist Wache in einer Karawane. Als plötzlich Wesen auftauchen, die sie nur aus Geschichten kennt und die Karawane angegriffen wird, stellt sich ihr Leben auf den Kopf...