"Each day you must choose the pain of discipline, or the pain of regent."
(Jim Rhon)
~◇~
Die Feuerreiter warten bereits auf ihren Drachen und sind bereit zum Aufbruch. Ich steige auf Okami und sie starten ohne ein Wort an mich. Wir springen nach ihnen in die Luft. Okami reiht sich in der Mitte der Formation ein und passt sich den Flügelschlägen der anderen Drachen an.
Eine große Insel mit Türmen kommt gegen Abend in Sicht.
Ist das Cloudhold?
'Die Wahrscheinlichkeit, ist unwahrscheinlich hoch. Oder kennst du noch eine andere fliegende Stadt?', fragt mich Okami.
Du musstest nicht darauf antworten. Das war eine rhetorische Frage.
'Dann frage nicht, wenn du keine Antwort möchtest.'
Ich schweige und bewundere stattdessen die Stadt, die sich allmählich unter uns ausbreitet. Die Häuser bestehen aus allen möglichen Materialien. Neben Stein und Holz kann ich auch Bäume sehen, welche zu Häusern gewachsen sind. Die Wege sind schmal, sodass kein Wagen durchpasst. Anscheinend laufen alle zu Fuß. Am Rande der Insel stehen mehrere Türme, von wo man bestimmt einen wunderbaren Ausblick auf das Wolkenmeer hat. In der Mitte von Cloudhold ragt ein stolz ein Schloss über der Stadt empor. An den Türmen wehen Flaggen mit einem Wappen drauf. Das Wappen ähnelt einem Drachen im Sturzflug.
Unsere Drachen fliegen vor dem Schloss eine Kurve, um auf einer Art Marktplatz zu landen. Die Feuerreiter steigen sofort von ihren Drachen und die Drachen werden von Pagen in einen Gang weggeführt. Nachdem ich abgestiegen bin, möchte einer der Page auch Okami in den Gang führen. Als er jedoch nach Okamis Horn greifen möchte, hebt Okami seinen Kopf außer Reichweite.
'Ich fliege noch ein Stück. Ruf mich, wenn du mich brauchst.'
Ich nicke und Okami erhebt sich wieder in die Luft. Der Page sieht ihm erschrocken hinterher.
"Euer Drache hört aber schlecht auf Euch", sagt er zu mir.
Ich zucke nur mit meinen Schultern. "Er hat auch seinen eigenen Kopf."
Der Page sieht mir leicht verwirrt hinterher, während ich den Feuerreitern durch mehrere Gassen bis zu einer Tür folge. Die Tür wird Sekunden später von einem gehetzt aussehenden Mann in ziemlich unpraktisch aussehender Kleidung geöffnet und wir folgen ihm durch viele prunkvolle Gänge bis zu einem Saal voller Elfen. Sie tragen alle punktvolle, fließende Gewänder, woraus ich schließe, dass alle Elfen hier einen recht hohen Rang in Cloudhold bekleiden. Die Elfen drehen sich scheinbar gelangweilt zu uns um und ein Elf tritt hervor. Sofort setzten die Feuerreiter ihre Helme ab und sinken auf die Knie. Ich bleibe überfordert stehen.
"Willkommen zurück, ihr mutigen Reiter. Folgt mir. Dann können wir alles in Ruhe besprechen", fordert er uns mit samtig klingender Stimme auf. Die Feuerreiter erheben sich und wir folgen dem Elfen durch weitere Gänge bis in einen größeren Raum mit einem runden Tisch in der Mitte. Im Raum verteilt stehen verschiedenste Arten intelligenter Lebewesen und unterhalten sich leise. Ich bleibe neben der Eingangstür stehen. Der Elf, der uns her geführt hat, schließt die Tür mit dem leisen Knall, wodurch alle Gespräche verstummen. Dann winkt er alle an den Tisch. Der Mensch von den Feuerreitern winkt mich auf den freien Platz neben sich und ich lasse mich leise auf dem stabilen, mit Samt überzogenen Stuhl nieder. Nachdem alle sitzen, kann ich nur noch das leise Atmen der Anwesenden spüren. Eine gewisse Spannung liegt in der Luft. Woher genau diese Spannung kommt, kann ich jedoch nicht bestimmen. Nach einiger Zeit fängt der Elf an zu sprechen.
"Willkommen an alle, die ich bisher noch nicht begrüßen konnte. Ich freue mich, dass alle so schnell meiner Einladung nachkommen konnten. Zuerst möchte ich besonders unsere neue Drachenreiterin begrüßen."
Sofort liegen alle Blicke auf mir. Ich seufze innerlich auf und lächle einmal in die Runde. Dann spricht der Elf weiter.
"Die Feuerreiter werden sie ausbilden und sie wird unsere Truppen verstärken."
Mein Lächeln erlischt. Der Elf hat einfach entscheiden, was ich machen soll?! Da ich bereits von den Elfen auf Andogas eine unfreiwillige Ausbildung bekommen habe, möchte ich dieses Mal Mitspracherecht haben. Bevor ich jedoch aufspringen, geschweige denn etwas sagen kann, legt mir der Mensch eine Hand auf den Arm und sagt freundlich:" Ich bringe sie schon mal auf ihr Zimmer."
Dann gibt er mir deutlich zu verstehen, dass ich mit ihm kommen soll und auf gar keinen Fall mit dem Elfen reden soll, und ich folge ihm wütend. Nachdem wir durch die Tür gegangen sind, kann ich mich jedoch nicht mehr zurückhalten.
"Für wen haltet ihr euch eigentlich? Ich kann doch wohl selbst entscheiden, was ich mache und was nicht! Das ist richtig unfair, was ihr hier mit mir abzieht!"
Der Mensch sieht mich mit einem Blick an, der so viel sagt wie 'Du musst noch viel lernen, Kleine. Das bringen wir dir noch bei' und spricht mit ruhiger Stimme zu mir.
"Alfredo widerspricht niemand. Er ist der Regent von Cloudhold. Sein Wort ist unanfechtbar."
Ich seufze genervt auf.
Dann kann ich Susanoo erstmal vergessen.
Als ich ihm das frage, bekomme ich zu meiner Überraschung endlich mal eine positive Antwort.
"Heute stelle ich dir noch deine Ausbilderin vor und gleich morgen früh kannst du dann auch die Mitglieder Susanoos treffen. Danach hat deine Ausbilderin ihre eigenen Pläne mit dir."
Ich werfe ihm einen erleichterten Seitenblick zu, bevor er eine Tür in die Seite bekommt. Ich trete alarmiert einige Schritte zurück und beobachte misstrauisch die Elfe, die sichtlich genervt im Türrahmen steht und auf den Menschen runtersieht, der seinen Kopf festhält.
"Wie häufig soll ich dir noch sagen, dass du aufpassen musst, Lian?", fährt sie ihn grob an. Er nimmt seine Hände vom Kopf. Ich kann zu meiner Überraschung keine Verletzung sehen.
Er müsste mindestens eine Beule haben.
Dann fällt der Blick der Elfe auf mich. Sie mustert mich kritisch.
"Das ist sie?"
Sag mir jetzt nicht --
"Genau. Ich stelle euch mal vor. Athena, das ist Ryoko. Ryoko, das ist Athena Septum. Ich hoffe, ihr kommt gut miteinander aus. Tschüss!"
Er winkt uns noch kurz zu, bevor er sich in Luft auflöst. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Das möchte ich auch können.
Athena reißt mich jedoch grob aus meinen Gedanken, indem sie die Tür hinter sich zuknallt.
Das kann noch lustig werden.
Dann nimmt sie, ohne mich zu fragen, meine Hand und zieht mich durch mehrere steile Gänge hoch bis zu einer einsamen Tür, welche sie mit Schwung öffnet. Nachdem sie mich in das Zimmer gezogen hat, schließt sie die Tür wieder mit einem lauten Knall. Ich werfe unterdessen einen flüchtigen Blick in das Zimmer. Es ist groß genug für ein Himmelbett, einen großen Schrank und einen Tisch mit zwei Stühlen. Auf dem Boden liegt ein Teppich, der in verschiedenen Blautönen leuchtet. Das Muster des Teppichs stellt einen durch eine Wolkenlandschaft fliegenden Drachen dar.
Von Drachen bekommen die Einrichter aber auch nicht genug.
Die Schnittmuster am Schrank, Bett und Tisch gehören eindeutig zusammen und zeigen auch einen fliegenden Drachen. Gegenüber von der Eingangstür des Zimmers befindet sich eine Glastür, die auf einen Balkon führt. Athena öffnet vorsichtig die Tür auf den Balkon. Überrascht und ein winziges bisschen verwirrt von ihrem neuen Verhalten, folge ich ihr nach draußen. Der Balkon befindet sich im Norden von Cloudhold und liegt somit im Schatten. Ich habe jedoch einen wunderschönen Blick auf die Stadt, welche ein Stück weiter unten liegt. Anscheinend sind wir ein gutes Stück nach oben gestiegen. Am Himmel ertönt ein freudiges Gebrüll und Sekunden später stürzt Okami im Sturzflug auf die Stadt zu. Kurz bevor er mit den Häusern kollidier, breitet er seine Flügel aus und fängt seinen Sturz ab und lässt er sich von den warmen Winden aus den Schornsteinen der Häuser nach oben zu uns tragen. An der Brüstung des Balkons landet er. Der Balkon gibt keinen Millimeter nach und auch die Brüstung verbiegt sich nicht unter Okamis Gewicht. Ich streiche ihm über den schuppigen Kopf und schaue dann zu Athena. Sie beobachtet Okami einfach nur. In ihrem Blick kann ich keine ungläubige Faszination oder Unterwerfung sehen. Nur Neugierde. Unwillkürlich atme ich erleichtert auf.
Wenigenst sie benimmt sich normal.
Okami schnaubt missbilligend in meine Richtung. Ich kann aber seine Neugierde über diese Elfe spüren. Er streckt seinen Kopf in ihre Richtung und saugt schon fast gierig ihren Duft ein.
'Sie riecht gut!'
Athena fängt an zu lachen. Ich habe noch nie eine Elfe so lachen sehen. Ihre Augen tränen und ihre klare Stimme scheint nicht nur die Luft um uns zu erfüllen. In meinem Kopf kann ich sie auch hören. Als wäre sie, wie Okami in meinen Gedanken.
"Ein Duo wie euch bin ich schon lange nicht begegnet", spricht sie zu uns. Damit verstummt auch ihr Lachen. Sie wirft ihre Arme gen Himmel und tritt an die Brüstung des Balkons. Ich bleibe einige Schritt hinter ihr und beobachte sie. Mein Kopf ist leer. Keine einzige Emotion oder klaren Gedanken kann ich spüren. Fasziniert beobachte ich Athena.
"Ich werde euch für alle Lebenslagen alleine oder getrennt ausbilden. Hier kannst du wohnen, Ryoko. Alles weitere werdet ihr mit der Zeit kennenlernen. Morgen bringe ich dich in die Kerker zu den gefangenen Kriegern von Susanoo. Schlaf schön!"
Nachdem sie die letzte Silbe ausgesprochen hat, lässt sie sich rückwärts vom Balkon fallen. Erschrocken sehe ich über die Brüstung in die Stadt. Ein purpurroter Drache fängt ihren Sturz ab und sie verschwinden zwischen den Wolken. Okami steckt aufgeregt seinen Kopf in die Luft.
'Ich folge ihnen!'
Mach das. Gute Nacht!
Mit einem übermütigen Fauchen springt Okami vom Balkon und fliegt mit gleichmäßigen Flügelschlägen dem purpurroten Drachen hinterher. Ich blicke ihm nach, bis die Wolken ihn verschlucken.
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Whispers of magic
Fantasy'Memento mori, Memento vivere. - remenber you must die, so remember to live' Ryoko ist Wache in einer Karawane. Als plötzlich Wesen auftauchen, die sie nur aus Geschichten kennt und die Karawane angegriffen wird, stellt sich ihr Leben auf den Kopf...