Kapitel 9

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Entschlossen steckte Isabella das Dokument behutsam in ihre Tasche, sicherstellend, dass es nicht herausfallen würde. Dann richtete sie sich auf und überlegte, wohin sie als nächstes musste.

Die Tür des Büros war immer noch verschlossen, und sie hatte keine Ahnung, wie lange Sofia oder Viktor noch weg sein würden. Doch sie wusste, dass sie nicht viel Zeit hatte. Sie musste handeln, bevor sie erwischt wurde oder bevor ihr die wertvollen Informationen, die sie gesammelt hatte, entwendet wurden.

Mit schnellen Schritten lief sie auf die Bürotür zu und knackte das Schloss mit so einer Geschicklichkeit, dass jeder Einbrecher stolz auf sie wäre. Leise lachend und von ihren eigenen Gedanken amysiert begann sie, sich einen Weg durch die verwinkelten Gänge des Anwesens zu bahnen. Ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren, während sie überlegte, wie sie am besten vorgehen sollte. Sollte sie erst mehr Informationen sammeln, bevor sie handelte? Sollte sie ihn enttarnen? Wenn ja, musste sie zurück in ihre Bibliothek.

Mit entschlossenen Schritten eilte sie durch die Gänge, die Gedanken rasend schnell. Doch als sie den Ballsaal erreichte, bemerkte sie, dass die Atmosphäre sich verändert hatte. Die Gäste waren unruhig, einige flüsterten besorgt miteinander, während andere nervös lachten und versuchten, die Stimmung aufrechtzuerhalten.

Plötzlich drang die Stimme von Viktor Valenzo durch den Ballsaal und alle Augen richteten sich auf ihn. "Meine Damen und Herren, ich muss euch mitteilen, dass sich ein Sturm nähert. Aus Sicherheitsgründen werden wir daher alle Türen verriegeln und bitten euch, hier im Anwesen zu bleiben, bis der Sturm vorübergezogen ist."

Ein Raunen ging durch die Menge, und die Gäste begannen wieder zu murmeln. Isabella spürte einen Kloß in ihrem Magen, als sie realisierte, dass ihre Fluchtmöglichkeiten plötzlich verschwunden waren.

Die Bediensteten eilten herbei, um die Anweisungen von Viktor Valenzo auszuführen. Sie zündeten Kerzen an, um den Raum zu erhellen, da die Stromversorgung aufgrund des herannahenden Sturms möglicherweise ausfallen könnte. Isabella nutzte die Hektik, um sich unbemerkt unter die Bediensteten zu mischen und sich einen Weg zur Haupttür zu bahnen.

Doch als sie endlich die Tür erreichte, sah sie, wie die Diener eilig herbeieilten und die schweren Holztüren vor ihr verschlossen, den Riegel festsetzten und Schlüssel herumdrehten. Isabella starrte fassungslos auf die verschlossene Tür.

Panik machte sich in Isabellas Brust breit, als sie realisierte, dass sie gefangen war. Sie drehte sich um und ging verzweifelt die Raumpläne im Kopf durch, die sie eingehend studiert hatte. Es gab doch noch einen Ausgang, wo war der nur...

Sie bemerkte im Augenwinkel einen kleinen Mann auf sich zukommen, ein Bediensteter an dem heutigen Abend. Sein Gesichtsausdruck war ernst, als er sie ansprach: "Entschuldigen Sie die Störung, aber Viktor Valenzo bittet um Ihr Kommen."

Isabellas Puls beschleunigte sich, als sie seine Worte hörte. War sie aufgeflogen? Oder hatte Viktor Valenzo vielleicht andere Absichten mit ihr? Sie konnte nur spekulieren, aber sie wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als den Anweisungen des Gastgebers zu folgen.

"Natürlich", antwortete sie mit einem Nicken, versuchte jedoch, ihre Nervosität zu verbergen. "Ich werde sofort kommen."

Der Bedienstete führte sie um die Menge herum auf die andere Seite, auf der Viktor Valenzo bereits auf sie wartete. Er saß auf einem antiken Stuhl am erhöhten Ende des Raumes, sein Blick war durchdringend, als er Isabella betrachtete. "Ah, Miss...?" begann er, doch Isabella unterbrach ihn hastig.

"Isabella Monterro", antwortete sie rasch, ohne zu zögern. Sie versuchte es diesmal erst gar nicht mit einer Lüge.

Valenzo nickte, als ob er bereits über sie Bescheid wusste. "Miss Monterro, ich möchte mich persönlich für die Umstände hier entschuldigen."

Isabellas Herz klopfte schneller, während sie versuchte freundlich und nicht allzu aufgeregt vor dem mächtigen Mann zu stehen. Warum hatte er sie gerufen? Und was hatte er mit ihr vor? Ihr blitzten die Szene vor ein paar Minuten von ihm und Sophia durch den Kopf und sie zwang sich weiter zu lächeln.

"Ich danke Ihnen, Mr. Valenzo", antwortete sie höflich, ihre Stimme ruhig und kontrolliert. "Wie kann ich Ihnen behilflich sein?"

Viktor Valenzo erhob sich von seinem Thron und trat näher an sie heran, wobei sein Blick intensiver wurde. "Ich möchte Sie um einen Tanz bitten, Miss Monterro", sagte er mit einem charmanten Lächeln auf den Lippen.

Isabella war überrumpelt von der unerwarteten Bitte. Ein Tanz mit Viktor Valenzo? Sie hätte alles erwartet, nur nicht das. Ihr Herz raste, während sie nach einer angemessenen Antwort suchte.

"Ich... natürlich, Mr. Valenzo", antwortete sie schließlich, versuchte ihre Überraschung zu verbergen und drückte unauffällig die zusammengefalteten Dokumente in ihrer Kleidtasche flacher. "Es wäre mir eine Ehre."

Valenzo reichte ihr galant die Hand und führte sie zu der Tanzfläche im Zentrum des Raumes. Die Gäste hatten bereits begonnen, sich zu paaren und zu tanzen, während die Musik im Hintergrund wieder zu spielen begann. Isabella spürte die Blicke der anderen auf sich, als sie sich in Mr. Valenzos Arme begab und sich dem Tanz hingab. Sie versuchte, sich auf die Bewegungen zu konzentrieren, doch ihr Geist war woanders. Was hatte Valenzo mit ihr vor? Warum hatte er sie ausgewählt?

Während sie gemeinsam im Takt der Musik über das Parkett glitten, begann Viktor Valenzo leise zu sprechen, seine Worte kaum über das Murmeln der Musik hinausreichend. "Miss Monterro, ich muss gestehen, dass ich Sie schon den ganzen Abend beobachtet habe."

Isabellas Herz begann schneller zu schlagen, als sie seine Worte hörte. "Ich hatte gehofft, nur dann verschwanden Sie plötzlich", fuhr Valenzo fort, sein Blick fest auf sie gerichtet. "Es scheint, als ob Sie eine Fähigkeit zur Diskretion besitzen."

Sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete und zwang sich, ruhig zu bleiben und ihre Gedanken zu sammeln, während sie weiter tanzten. "Ich danke Ihnen für das Kompliment, Mr. Valenzo", antwortete sie schließlich, ihre Stimme ruhig, obwohl ihre Gedanken wild umherwirbelten. "Es ist mir eine Ehre, Ihre Aufmerksamkeit zu haben."

Valenzo lächelte leicht, doch seine Augen verrieten nichts. "Sie haben mich neugierig gemacht, Miss Monterro", sagte er leise. "Vielleicht könnten wir uns zu einem späteren Zeitpunkt unterhalten, wenn Sie Zeit haben."

Isabella nickte knapp, während sie versuchte, ihre Nervosität zu verbergen. Was wollte er von ihr? Und vor allem, warum?

Die Musik endete und der Rhythmus des Samba erfüllte den Saal. Isabella lachte auf und spürte, wie die Energie des Tanzes sie ergriff und ihre Sorgen vorübergehend vergessen ließ. Die Musik steuerte ihre Bewegungen und sie gab sich ihr voll und ganz hin. Viktor Valenzo führte sie geschickt über das Parkett, und schon bald waren sie von den anderen Gästen umringt, die ihnen Platz machten und sie neugierig beobachteten.

Isabella ließ sich von der Musik mitreißen und fühlte sich, als würden sie und Valenzo eins werden, verschmolzen in den feurigen Bewegungen des Samba. Ihre Körper bewegten sich synchron, eng umschlungen, als würden sie füreinander gemacht sein.

Für einen Moment vergaß Isabella alles um sich herum. Die Blicke der anderen Gäste, die Fragen nach Valenzos Absichten – all das spielte keine Rolle mehr. Es gab nur sie und ihn, eingehüllt in den pulsierenden Rhythmus der Musik. Ihre Augen waren aufeinander gerichtet und verließen keine Sekunde die des anderen.

Als der Tanz endete, waren beide außer Atem und ihre Wangen glühten vor Erregung. Sie und Mr. Valenzo lösten sich schwer atmend voneinander, während anderen Gäste höflich applaudierten, und Isabella spürte, wie sich ihre Anspannung langsam löste.

Sie lächelte Mr. Valenzo dankbar an und verneigte sich leicht. "Vielen Dank für den wundervollen Tanz, Mr. Valenzo", sagte sie aufrichtig. "Es war mir eine Ehre."

Er erwiderte ihr Lächeln und nickte:"Die Ehre war ganz meinerseits, Miss Monterro". Sein Blick durchbohrte sie, während er sich langsam zu ihr hinunterneigte, seine Lippen nur einen Atemzug von ihren entfernt. Isabella konnte den betörenden Duft seines Aftershaves spüren, der ihre Sinne benebelte und ihr Herz schneller schlagen ließ.

"Komm mit mir", flüsterte er dann in ihr Ohr.

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