chapter 12

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Vio

Es war komisch auf dieser Seite des Onyxes zu stehen. Hinter diesen magischen Steinen, die von dieser Seite zum Teil durchsichtig waren. Die Magie der Steine sorgte dafür, dass die Kämpfenden nichts mehr sehen konnten, die Zuschauenden aber schon. Ich versuchte so flach wie möglich zu atmen, Layken hatte mir sein Jackett über die Schultern gelegt und sein Geruch hing jetzt an mir, obwohl ich es gerade beiseitegelegt hatte.

Auf dem Balkon hatten sich, wie auch bei meinen Duellen, zwei Richter und eine Richterin versammelt. Ich hatte Masariel ewig nicht mehr gesehen. Die Befehlshaberin der Hohen Garde ließ die Kämpfenden nicht aus den Augen. Die anderen Dämonen gehörten zur Elite. Die beiden Einheiten waren die einzigen, die zu keinem Haus gehörten und auch nicht dem Kronprinzen oder dem Teufel unterstanden. Azael hatte mir erklärt, dass sie bis zu einem gewissen Grad autonom handelten, und ich fragte mich, bis wohin dieser Grad reichte.

Neben mir zuckte Ale zusammen, als Ramiel einen Treffer kassierte. Die ersten Minuten hatte er deutlich die Oberhand, doch Layken hielt sich. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass er Ramiels Tod verlangen würde. Oder das Layken die Auflösung unserer Bindung fordern würde. Ich zwang mich hinzusehen, obwohl ich am liebsten meine Augen schließen würde. Es war nicht das erste Mal, dass ich Ramiel kämpfen sah und dennoch war es das erste Mal auf diese Art. Er trug seine Kampfmontur. Obwohl er nichts sehen konnte, schien er jeden Zug von Layken zu kennen. Er bewegte sich elegant, wich Laykens Schlägen spielerisch leicht aus und seine Angriffe waren unglaublich präzise. Er traf. Jedes einzelne Mal.

Layken floss Blut aus der Nase, und seine Wange war bereits angeschwollen. Er zog sein linkes Bein nach und hielt den Kopf etwas schräg. Keiner von beiden war bisher zu Boden gegangen. Ramiel war konzentriert, in seinem Element, er war ein unfassbar guter Kämpfer. Er attackierte Layken geschickt mit einer Kombination aus zwei Schlägen und einem Tritt. Hatte die Magie der Arena gar keine Wirkung auf ihn? Ich konnte es ihm jedenfalls nicht anmerken.

Layken wich ungeschickt zurück. Noch wenige Meter und er würde mit dem Rücken an der Wand stehen. Ramiel folgte ihm. Ich war mir sicher, dass er auf sein linkes, schwaches Bein abzielen würde, da blieb er abrupt stehen. Layken hatte etwas aus seiner Hosentasche gezogen und ich erstarrte. Mein Blick schnellte zu dem Jackett und der leeren Brusttasche.

Ich versuchte weiter zu atmen, doch das Gewicht auf meiner Brust, auf meinem Rücken, schien mich zu zerquetschen. Mein Atem wurde immer flacher, während in der Arena zwei Federn meiner Flügel zu Boden segelten.

Ale ballte die Fäuste. Cael und Azael schoben sich durch die Zuschauenden nach vorne. Wieso hatten sie soweit hinten gestanden? Cael knirschte mit den Zähnen und Azael versuchte seinen Schock unter Kontrolle zu halten. Zwischen seinen Brauen bildete sich diese bestimmte Falte, die immer da war, wenn er sich konzentrierte. Sprach er gerade mit ihm?

Ramiels Lippen waren aufeinandergepresst. Die Muskeln von seinem Kiefer so angespannt, dass sie hervortraten. Layken schien abzuwarten. Dann lehnte er sich vor, den Blick zu mir.

„Es hat ihr so gefallen. Glaub mir, ich war selbst überrascht."
Und ich taumelte. Ale griff nach meinem Arm. Die Berührung brannte, obwohl ich mich sofort von ihr löste.

Und dann griff Layken an, Ramiel taumelte. Dämonen konnten nicht lügen und das tat Layken auch nicht. Er verdrehte die Wahrheit nur sehr gekonnt.

Layken bewegte sich schnell. An seinem Stil war nichts anmutig. Er war roh, ungeschliffen, aber mehr als bereit Schaden anzurichten. Er trat nach Ramiels Beinen und Ramiel wich nur halbherzig aus. Laykens Faust streifte seine Wange, der nächste Tritt traf ihn in die Seite. Ich war kurz davor mich zusammenzukrümmen.
Ramiel musste diese Benommenheit loswerden. Und er musste sich beeilen.

Layken ließ nicht locker. Er trieb Ramiel vor sich her und seine Schläge wurden immer brutaler. Der nächste Schlag traf Ramiel an der Stirn und die Haut platzte auf. Ich konnte nicht mehr atmen. Sein Blut tropfte auf den Boden und verdampfte dort zischend. Der Raum war aufgeladen von der Magie der beiden. Ramiel schüttelte den Kopf, hoffentlich um seine Benommenheit loszuwerden. Er verteidigte sich kaum. Auch dem nächsten Schlag wich er nur halbeherzig aus. Azael drehte sich zu Ale um. Panik stand ihm ins Gesicht geschrieben. Da stimmte etwas nicht.

Ein kollektives Raunen ging durch die Zuschauenden. Ramiel war zu Boden gegangen, Layken schlug auf ihn ein. Blut spritzte auf den Boden. Ich hörte das Knirschen von Knochen. Mein Blick wanderte zu Masariel. Sie sah ungerührt nach unten, schien keine Anstalten zu machen den Kampf zu beenden. Da hatte ich die Antwort auf meine Loyalitätsfrage. Auch die der Hohen Garde hatte einen Preis. Und Layken schien ihn zu kennen.

„Die Sanduhr. Er muss die Sanduhr umdrehen." Ales Blick war auf einen Vorsprung im Stein gerichtet. Dort stand eine Sanduhr mit goldenem Gehäuse und schwarzer Asche.

„Dann müssen sie nochmal gegeneinander antreten." Caels Hand lag auf dem Stein, als würde er jeden Moment durchbrechen wollen.

„Besser so, als wenn er jetzt verliert." Ich spürte, dass Ale mich ansah. Meine Unterlippe begann zu zittern. Ich schloss die Augen und presste meine Knöchel auf mein Sternum. Ich konnte nicht mehr.

Azael seufzte erleichtert. Endlich entkam Ramiel Laykens Fäusten. Er hatte einen Treffer gelandet und ein Manöver durchgeführt, wo er Laykens Schwung genutzt hatte, um ihn zu Boden zu bringen. Er drückte ihm die Luft ab und fixierte seine Hände mit seinen Schatten. Laykens Magie ähnelte Nebelschwaden, nur dass sie grün waren. Sie tropfte von seinen Händen und floss in Ramiels Richtung. Und als ich genauer hinsah, bemerkte ich das eine dieser Wolken bereits um Ramiels Kopf schwirrte. Was zur...

Masariel läutete einen Gong. Die Kronleuchter gingen wieder an und ihr Licht erfüllte die Arena. „Der Kampf endet unentschieden", verkündete sie. „Beide Forderungen werden für nichtig erklärt. Die Duellanten haben das Recht nach Ablauf von sechs Monaten erneut zum Duell zu fordern."

Ramiels Gesicht war blutverschmiert. Seine Lippe war aufgeplatzt. Sein Wangenknochen verfärbte sich bereits. Ale stürmte durch die in den Stein gelassene Tür, sobald diese sich öffnen ließ. „Was hast du mit ihm gemacht?", fauchte sie Layken an. Azael und Cael hatten sich hinter ihr aufgebaut. Ramiel verließ bereits die Arena. Sein Blick verweilte noch einen Moment auf den beiden Federn, die jetzt in Blut getränkt waren. Und ich wusste sofort, was Layken ihn hatte sehen lassen.

Dieser rieb sich nur den Hals und grinste höhnisch. „Es würde doch gar kein Spaß machen, wenn ich es euch verraten würde", zischte er. „Viona, komm", forderte er mich auf. „Du kannst dich um meine Wunden kümmern, dann machen wir damit weiter, wo wir aufgehört haben."

Ich sah zur Tür, in dessen Rahmen Ramiel regungslos verharrte. Natürlich hatte er das mitbekommen. Ale, Cael und Azael waren inzwischen bei ihm angekommen. Ale warf mir einen fragenden Blick zu, eine stumme Aufforderung, auf die ich nicht reagieren konnte. Dann verließen die vier die Arena und mein Herz verschwand mit ihnen.

Queendom of AshWo Geschichten leben. Entdecke jetzt