KAPITEL 19 ✶ Der Zweite Trainingstag ⌠Teil II⌡

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Luisa Jones ⌠ Distrikt Acht ⌡


»Na ja, auf alle Fälle hab ich ihr dann eine Farfalle angeboten, so eine ungekochte, die hab ich für den kleinen Hunger immer in der Hosentasche dabei, aber sie hat sie einfach pulverisiert! Puff, peng, in der Faust zu Nudelstaub zerdrückt! Oder Weizenstaub. Also quasi zu Mehl ... ist ja auch egal, jedenfalls hat sie ziemlich klar gemacht, dass sie keine Farfalle wollte. Warum auch immer.«

Luisa nickte verständnisvoll, nachdem Polly ihre Geschichte beendet hatte und sich eine weitere Gabel Lasagne in den Mund stopfte. Heute hatte sie sich anscheinend für die vegetarische Variante mit Spinat und Sahnesauce entschieden. Phil, der neben ihr saß, hatte ein wenig herumexperimentieren wollen, und seinen Teller neben einem Haufen kleiner Würstchen auch noch mit sieben unterschiedlichen Schälchen Dip beladen. Die Hälfte davon hatte er noch nicht einmal angerührt. Luisa selbst war unterdessen längst bei ihrem Nachtisch angelangt: einer großen Schüssel Milchreis mit heißen Kirschen.

Eines musste man diesen Hampelmännern aus dem Kapitol wirklich lassen: die wussten einfach, wie man gutes Essen zubereitete! Und wenn man sich dreimal am Tag so viel nehmen durfte, wie man wollte, wer achtete da bitte noch auf seine Figur? Es war schließlich nicht so, als würden sie diese Gelegenheit ewig nutzen können ...

»Immerhin hat sie deine Knochen heil gelassen«, kommentierte Philip schulterzuckend und tauchte eines seiner Würstchen in eine dicke, gelblich-braune Sauce, von der Luisa annahm, dass es sich dabei um irgendetwas Senfiges handelte. »Nach der Schlägerei gestern hätte das bestimmt auch anders ausgehen können. Wie hieß das Mädel noch gleich? Reggie Ripper oder so?«

»Rage Reaper«, verbesserte Polly ihn mit Grabesstimme und faltete beide Hände vor ihrer Brust, als wollte sie gleich anfangen, irgendwelche heiligen Schriften vorzulesen. »Und wo Rage Reaper draufsteht, muss auch Rage Reaper drin sein ...«

Beim Versuch, nicht einfach draufloszuprusten, verschluckte Phil sich beinahe an seiner Limonade, und die Mädchen klopften ihm so lange abwechselnd auf den Rücken, bis er sich wieder einigermaßen von seinem Hustenanfall erholt hatte. Dass so ein rosafarbenes Sprudelzeug als Sportgetränk eher ungeeignet war, hatte Luisa sich zwar auch schon gedacht, aber eigentlich durfte sie sich darüber nicht beschweren. Sie hatte sich schließlich dasselbe geholt.

Im Nachhinein betrachtet war sie wirklich froh, die Neuner bei der Parade angesprochen zu haben. Ihre Vogelscheuchenkostüme hatten einfach zu komisch ausgesehen, aber in erster Linie waren die beiden bisher eine willkommene Abwechslung zu der übersinnlichen Schattengestalt gewesen, für die ihr Distriktpartner sich hielt.

Wirklich alles war besser gewesen, als noch eine Sekunde länger mit Izuya rumhängen und sich anhören zu müssen, wie viel gerissener und weitsichtiger als der Rest der Menschheit er doch war.

»Hey, was waren noch mal Farfalle?«, fragte Luisa nach einer Weile beiläufig, während sie ihren Kopf auf die Hände stützte und den Blick zwischen ihren Freunden hin und her schweifen ließ.

Philip blinzelte. »Was?«

»Polly hat doch gerade von ihrer Hosentaschen-Notfall-Farfalle erzählt. Sind das diese Ringelspiraldinger?«

Kaum wurde das Thema Nudeln wieder aufgegriffen, spitzte Polly sofort die Ohren und ihre Augen funkelten regelrecht. »Ach nein, das sind Fusilli! Es sei denn, du meinst die ganz dünnen, die ein bisschen so aussehen wie DNA-Stränge, die heißen Gemelli, das kann man schon mal verwechseln-«

»Farfalle, Polly.«

»Hey, so haben sie mich im Kindergarten immer genannt! Farfalle-Polly ... versteht ihr, weil ich immer so viel über- ach ja. Ähm, Farfalle nennt man die kleinen Schleifchen.«

me & the devil ✶  Die 59. Hungerspiele  ⌠mmff⌡Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt