Lucas Calvo ⌠ Distrikt Sechs ⌡
Yolanda war auf einem guten Weg – oder sie wäre auf einem guten Weg gewesen, wenn das hier eine normale Situation wäre, in der sie bald einen Arzt auftreiben und sie sich ganz in Ruhe von ihren Verletzungen erholen könnte. So hatten Lucas und Lorcán leider nicht allzu viel für sie tun können. Der Junge aus Fünf hatte offenbar Ahnung von Erster Hilfe, und auch Lucas hatte von seinem Vater ein paar grundlegende Kniffe beigebracht bekommen, sodass es nicht lang gedauert hatte, bis sie Yolanda aus ein paar abgebrochenen Ästen eine Schiene gebaut hatten. Das sollte zumindest dabei helfen, ihren angeknacksten Arm einigermaßen ruhigzustellen.
Die blauen Flecken begannen an den Rändern bereits in ein schwefeliges Gelbgrün überzugehen. Ein Zeichen dafür, dass sie heilten. Hätte Yolanda von dem Angriff tatsächlich innere Verletzungen davongetragen, hätte sich das inzwischen längst bemerkbar gemacht, von daher hatte sie wohl noch einmal Glück gehabt ... auch wenn Lucas nicht glaubte, dass das jetzt noch einen Unterschied machte.
Eine Verletzung dieses Kalibers war in den Hungerspielen normalerweise ein Todesurteil.
Es war nicht sonderlich schwer zu erkennen, wer das schwächste Mitglied ihrer Gruppe war. Sowohl Karrieros, als auch Mutationen würden Yolanda bei einem Angriff sofort ins Visier nehmen und das wäre es dann mit ihr gewesen. Lucas war Realist. Er machte sich keine unnötigen Hoffnungen, die am Ende sowieso bloß enttäuscht werden würden.
Vermutlich war es von Anfang an ein Fehler gewesen, diesem Bündnis zuzustimmen. Nur weil Lorcán und Yolanda sich beim Training an seine Fersen geheftet hatten, bedeutete das noch lange nicht, dass sie gemeinsam einen Kampf um Leben und Tod bestreiten mussten! Im Endeffekt waren diese Menschen nichts als Fremde für ihn. Und sie hatten ja noch nicht einmal Vorräte dabeigehabt ...
Rein taktisch gesehen waren die beiden für Lucas nur ein Klotz am Bein, auch wenn das vielleicht hart klang. Lorcáns medizinisches Fachwissen und seine Kampfkünste mochten theoretisch vielleicht ganz nützlich sein, aber es war nun einmal schwierig, mit ihm zu kommunizieren. Im entscheidenden Moment könnte das für einen von ihnen tödlich enden.
Und Yolanda ... es nützte nichts, die Sache schönreden zu wollen. Dieses Mädchen war nichts als eine Last für sie. Ein totes Gewicht, würde sein Vater wahrscheinlich sagen. Sowohl im übertragenen, als auch im tatsächlichen Sinne, wenn das so weiterging. Alles, was sie tat, war ihre Vorräte zu dezimieren und die Fortbewegung zu erschweren.
Aber bedeutete das, dass man sie gleich in den Wind schießen oder gar dem Tod überlassen sollte?
Lucas war Überlebenskünstler, aber kein Mörder. Er würde es tun, wenn er ansonsten alle Optionen ausgeschöpft hatte, das hatte er seinem Vater bei der Verabschiedung versprochen, aber so lange er es irgendwie vermeiden konnte, würde er das auch tun.
Um die Hungerspiele zu überleben, musste man nicht zwangsläufig töten; manchmal reichte es schon, wenn man den anderen so gut wie möglich aus dem Weg ging und sich beim Verstecken ein wenig geschickt anstellte ...
Eine Strategie, die er jetzt, da er sich ein Bündnis angelacht hatte, wahrscheinlich vergessen konnte.
Verdammt, er war doch bisher so gut allein klargekommen! Lucas hatte genügend Nahrung für die nächsten Tage gehabt, und sogar einen warmen Schlafplatz, aber nein, er hatte ja unbedingt diese beiden Fünfer auf sich aufmerksam machen müssen.
Sie wären einfach an ihm vorbeigelaufen.
Vielleicht wären sie sogar von dem anderen Tribut oben an der Klippe getötet worden. Dann hätte er jetzt zwei Gegner weniger.
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me & the devil ✶ Die 59. Hungerspiele ⌠mmff⌡
AventureWir schreiben das Jahr der 59. Hungerspiele. Der Tag der Ernte hängt wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Familien, die in den zwölf Distrikten Panems tagtäglich um ihre Existenz fürchten. Denn wie jedes Jahr müssen auch diesmal vierundzwanzi...