VI - Der Drang nach der Wahrheit

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"Kannst du mir noch einmal die Geschichte des Tapferen Ritters erzählen?" Fragte er jeden Abend mit seiner heiseren Stimme.

"Willst du nicht mal eine andere Geschichte hören?" Erwiederte John jedes Mal.

"Aber ich höre die Geschichte doch so gerne."
Jeden Abend besuchte John seinen erkrankten Bruder, zusammen mit seinem Wolf Luna. Sie kuschelte sich immer mit ihrem flauschigen, weißen Fell an Brendan, während John ihm eine Geschichte erzählte.
Zunächst schaffte es John, seinen Wolf geheim zuhalten. Brendan half ihm dabei. Doch Luna wurde größer und die engen Mauern der Burg reichten nicht aus. Und als sie eines Abends den Vollmond anheulte weckte sie beinahe die ganze Burg auf. Sie wollte nach draußen und Jagen, durch die Wälder rennen.
John musste es seiner Mutter beichten. Doch zu seiner Überraschung nahm sie es positiv auf.

"Du kannst sie behalten, aber sie wird deine Verantwortung bleiben. Du wirst für ihre Taten büßen müssen." Waren ihre Worte gewesen.
Die Bürger von Monhain Taten es sich schwer sich an den Anblick eines Wolfes zu gewöhnen, der durch die Mauern und durch den Burghof spazierte. Luna verhielt sich immer ruhig und zurückhaltend und verfolgte John auf Schritt und Tritt, egal wo er hin ging. Dennoch hielten sich die meisten von ihr fern.
John war zwar der Älteste Sohn in Monhain, dennoch durfte er seinen Vater nicht vertreten. Denn er war nur ein Mündel. Seine Mutter, die Lady des Pilzlandes, herrschte in der Abwesenheit seines Vaters über Monhain.
Generell wurde John von den meisten nie gern gesehen und jetzt wo ihn ein Wolf begleitete, wurde es schlimmer. Jeder wusste das er kein Nachkommen der Oppenders war. Doch wer seine echten Eltern waren wusste niemand. Nicht einmal er selbst.
Da sein 16 Namenstag immer näher rückte, sah er dies als Chance. Er wollte seine Mutter an diesem Tage zur Rede stellen und die Wahrheit erfahren.
Sie ließ sich darauf ein. Sie erkannte das es an der Zeit war.


Lady Oppender ließ John zur großen Halle rufen. Als er ankam war sie noch in einer Anhörung. Er sah sich um, um sicher zugehen, dass ihn niemand sah und dann legte er seinen Kopf vorsichtig und leise an die Tür und versuchte zu lauschen.
Er hörte eine unbekannte Stimme. Eine Männliche Stimme.

"Ich möchte mich vorstellen, Ich bin einer von vielen Botschaftern des Königs unter Erden, König Mulvin." Hörte er durch die Tür.
Dann konnte er die Stimme seiner Mutter hören, verstand aber nicht was sie sagte.
Nach einem kurzen Moment der Stille sprach der Botschafter weiter:  "Mylady, mein König schickt mich um nach eurer Unterstützung zu bitten. Er will die Unabhängigkeit, ein eigenes Reich. Yeralti ist schon vor vielen Jahren vergessen worden. Niemand schert sich um uns, obwohl unsere Rohstoffe, unsere Minen das Reich stärken und für guten Handel sorgen. König Mulvin will sich unabhängig machen."
Seine Mutter sprach erneut, diesmal schob er langsam die Tür auf um sie besser zu verstehen.

"Welchen Nutzen hätten wir davon?" Fragte sie skeptisch.
Er konnte beide besser hören, doch sehen konnte er den fremden nicht. Er befürchtete entdeckt zu werden wenn er die Tür weiter öffnen würde.

"König Mulvin wird ohne eure Unterstützung den Handel im Osten einstellen. Somit würde es schwerer werden an Ressourcen zu gelangen."
Es herrschte erneute Stille für einen Moment.

"Sobald Lord Oppender wieder Heimkehrt, werden wir über eure Botschaft nachdenken. Wir bieten euch ein Zimmer für die Nacht und eine warme Speise." Hörte John seine Mutter sagen.
Er schloss vorsichtig die Tür, als er Schritte hörte. Er entfernte sich vorsichtig von ihr und stolperte beinahe über Luna, die sich hinter ihm hingelegt hatte.
Die Tür öffnete sich und der Fremde trat hervor.
Nach allem was er gehört hatte, erwartete er jemanden mit edler Kleidung, doch aus der Tür trat ein einfacher Mann, mit einfacher Kleidung hervor.
Er sah John ins Gesicht und als er den weißen Wolf erblickte, der hinter John stand, blieb er kurz stehen und blickte die beiden mit Ehrfurcht an.
Nach dem der Fremde verschwand, lief John zur Tür.
Er ging durch und trat herein. Luna dicht hinter ihm. Der sonst so volle Raum war leer. Keine Gäste, keine Bediensteten und keine Wachen. Nur seine Mutter saß ganz hinten auf ihrem Platz. Die restlichen Tische und Bänke waren zur Seite geschoben worden, wegen den vorherigen Anhörungen.
Durch die drei großen Fenster an der rechten Seite, schimmerte die Sonne, durch die Äste der Bäume, immer wieder hindurch.

Die Ballade von Leid & Elend Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt