XI - Zwischen Pflicht und Verrat

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"Er wollte dich in den Kerker weggesperren, zu all dem anderen Gesindel. Ich konnte ihn überzeugen dich wenigstens in deinem Gemach unterzubringen."

"Verurteile ihn nicht. Er hat nur seine Pflicht getan..."
Dara stand an ihrem Fenster und blickte in die Ferne. Sie trug nichts weiter als ihren Schlafmantel, und das schon seit Tagen. Ihre Haare waren ungekämt und Fettig und sie hingen ihr offen den Rücken herunter. Ihr Gesicht war ungepflegt.

"Er ist zu weit gegangen!"  Sagte Loras aufgebracht. Dara blieb kühl, ihre Stimme klang als wäre ihr die ganze Lebensenergie entzogen worden: "Er stürzte zu Boden, niemand war bei ihm dort oben... außer mir. Auch wenn ich ihnen die Wahrheit erzählen würde, würden sie es nicht glauben."

Loras antworte ruhig: "Ich glaube dir."
Dara lächelte ihn milde an.
Loras seufzte.

"Sie werden Jamie zum König ernennen. Du weißt wie er ist, er schert sich nicht um das Reich oder um das einfache Volk, er wird nur noch an sich selbst denken, seine rechte als König Missbrauchen."

"Es liegt nicht mehr in meiner Hand über ihn zu Wachen. In seinen Augen bin ich die Mörderin seines Vaters, die Mörderin des Königs. Du musst jetzt über ihn Wachen."

"Aber wie soll ich es tun? Er wird nicht auf mich hören." Wiedersprach Loras.

"Er braucht dich. Du musst es ihm nur klar machen. Lass ihn dich zu seiner Hand ernennen."
Loras blickte nachdenklich zu Boden.
Dann fiel Dara etwas ein.
Sie lief zu ihrem Nachttisch, welcher rechts neben ihrem Bett stand, und nahm einen Umschlag in die Hand.

"Schick einen Raben nach Sommerstein." Sagte sie leise und übergab Loras den Umschlag.
Loras sah zu ihr auf: "Was befindet sich in ihm?"

"Ein Brief für Triston. Wenn er erfährt das ich hier eingesperrt bin, wird er samt Armee versuchen mich zu befreien."
Dara atmete aus: "Kümmere dich um den Brief, ich bitte dich darum."
Loras betrachtete ihn einen Augenblick und steckte ihn anschließend ein.

"Du darfst niemanden davon erzählen. Verschicke ihn am besten in der Nacht. Hast du das verstanden?"
Er nickte.
Dara sah zu wie Loras zur Holztür lief. Er blickte noch einmal mitleidig zu ihr herüber, bevor er ihr Gemach verließ. Hinter ihm schloss sich die Tür und wurde von einem Wächter verriegelt.


Dara wandte sich wieder dem Fenster zu. Dadurch das sich ihr Gemach im obersten Stock befand, konnte sie, über die Mauern der Feste hinweg, in die Stadt sehen.
Neben dem Schlaf und dem Lesen, war es die einstige Beschäftigung die ihr übrig blieb. Am liebsten würde sie sich auch mit Katherine unterhalten, doch selbst sie hielt sich von ihr fern.
Verträumt beobachtete sie die Menschen. Einen Schmiede Lehrling, der gerade frisches Stahl transportierte. Einen alten Bäcker, der dabei war seine Waren zu verkaufen. Zwei Ritter der Stadtwache, die durch die engen Gassen streiften und einen Taschendieb Festnahmen. Einige Kinder die durch die Straßen rannten und nach etwas Brot bettelten und ein Mädchen mit silbernem Haar. In mitten der Menschenmenge stach sie hervor.
Es war die Hofdame, die die Oppenders mit sich brachten. Unahnend, dass sie von der Königin beobachtet wurde, sah sie sich um. Lächelnd und höflich unterhielt sie sich mit einem Verkäufer. Zu weit weg um das Gespräch zu verstehen, übergab sie ihm einige Münzen und im Gegenzug bekam sie ein Korb voll frischem Gemüse zurück. Offensichtlich tätigte sie Einkäufe für die Küche.
Sie bedankte sich vermeintlich, bevor sie in der Menge und aus dem Blick der Königin verschwand.


Die Zeit verging und die Sonne verließ den Himmel um den Mond Platz zu machen. Sichelförmig schien er durch die Wolkendecke.
Langsame, schwere Schritte stiegen die steinerne Treppe empor. Die Stimme der Wache erklang dumpf durch ihrer Tür: "Was wollt ihr hier Lord Krüppel?"

"Ich habe die Erlaubnis die Gefangene zu Sprechen. Gilbar, überreiche ihm die Einwilligung."
Es dauerte einen Moment bis die Tür rückelte und sich anschließend öffnete.
Dara hatte nicht mit einem weiterem Besuch gerechnet. Vor allem nicht mit dem Auge des Reiches.
Lord Khort Kollion wurde von einem zwei Meter großem Mann, breit wie ein Eber, hereingetragen. Laufen konnte er nicht.
Er setzte ihn auf einem Holzstuhl ab welcher in der Ecke stand.
Khort richtete sein grünes Seide Gewand gerade und faltete seine Hände zusammen. Bis auf einen sehr kleinen Ziegenbart, war sein pummeliges Gesicht glatt wie ein Aal.
Der große Mann verließ das Gemach und stellte sich draußen neben den Jungen Gilbar und wartete. Die Wache schloß die Tür und stellte sich schützend davor.
Dara blickte verwundert in das Gesicht von Khort. Sie fühlte sich immer unwohl in seiner Nähe.

"Wieso seid ihr hier?" Fragte sie.
Khort räusperte sich.

"Was befindet sich in dem Umschlag, den ihr eurem Sohn gabt?"
Dara blickte ihn fragwürdig an.

"Ich habe meine Augen und Ohren überall, wie ihr bereits wisst." Fuhr er fort.

"Habt ihr ihm etwas angetan?" Fragte Dara leise.
Khort sah sie schräg an: "Haltet ihr mich wirklich für so töricht? Nach all der Zeit die wir uns nun schon kennen?"
Dara antwortete nicht.
Khort tupfte über sein Gesicht.

"Meine Quellen, als auch ich, gehen nicht Gewaltsam vor. Außerdem würde ich dem Bruder des zukünftigen Königs niemals Leid antun... Ich habe mir diese Position erarbeitet, trotz meiner Einschränkung, habe ich Einfluss auf das Reich."

"Dennoch redet ihr mit mir, mit der Königsmörderin. Also seid ihr wohl doch nicht so schlau, wie ihr es zu denken vermögt."
Khort fuhr mit seinen fingern über seinen Bart, bevor er seine Hände wieder zusammenfaltete: "Es besteht ein gewisses Risiko hier zu sein, da stimme ich euch zu, doch es ist belanglos. Ich habe den Prinzen schon mit Informationen versorgt, langsam gewinne ich sein Vertrauen, auch wenn er nicht gerade versucht seine Verachtung mir gegenüber zu verbergen."
Dara spürte Angst. Welche Informationen hat er ihm gegeben?
Khort spürte ihre Angst: "Ich will einen weiteren Krieg vermeiden, dementsprechend werde ich euer Geheimnis nach wie vor nicht ausplaudern..."
Dara unterbrach ihn: "Ein Brief an Triston."
Khort wurde misstrauisch.

"Er wird kommen um euch zu befreien wenn er erfährt das ihr hier Gefangen seid."

"Das befürchte ich, dieser Brief soll es verhindern."

"Was die Liebe nicht alles anrichten kann..." Sagte Khort.

"Wie meint ihr das?" Fragte Dara etwas nervös.

"Er war ein treuer Ritter der Krone, hat Turniere gewonnen und einen guten Ruf genossen. Warum sollte er all das wegwerfen und in den Süden ziehen? Lord wird er ganz bestimmt nicht, nicht solange euer Vater noch am leben ist und dessen Bruder.
Entweder habt ihr all das Geplant, um die Krone für euch alleine zuhaben, zuerst der Tod der Hand, dann die des Königs. Ich bin mir jedoch sicher, dass ihr ihn nicht geschubst habt, nicht vor den ganzen Menschen."
Dara antwortete leise: "Nein... er... er stürzte sich von selber hinunter."
Khort sprach selbstsicher weiter: "Andererseits besteht die Möglichkeit, dass er in den Süden zog, weil noch jemand anderes auf euer Geheimnis stoß."
Daras Zehe krampften zusammen.

"Was wollt ihr damit andeuten?" Fragte sie.

"Nach unserem letzten Gespräch habe ich noch einmal alles zusammen gezählt. Die heimlichen Treffen mit Triston, der Zeitpunkt seines verschwindens, eure Kinder..."
Er weiß es. Es hat keinen Sinn es noch weiter abzustreiten.

"Ich konnte den König nie lieben, er hat es nicht zugelassen... Triston war der einzige der mir das geben konnte was ich brauchte."
Khort saß schweigsam auf dem Stuhl.

"Werdet ihr es meinen Kindern verraten?" Fragte sie mit bleichem Gesicht.

"Nein, wie schon bei unserem letzten Gespräch, liegen meine absichten darin das Reich und das Volk zu schützen." Er blickte ihr in die Augen: "Euer Geheimnis bleibt in meiner Obhut."
Die Laycesters würden den Thron in Anspruch nehmen und meine Familie würde ihn verteidigen. Ich will ihm nicht vertrauen, aber ich muss.

Die Ballade von Leid & Elend Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt