Kapitel 2

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Marcus

Ich halte meine Hände unter das fließende, kalte Wasser und spritze mir etwas davon ins Gesicht. Es tut gut und vertreibt die Müdigkeit. Die vergangene Woche war anstrengend. Mein Team war Tag und Nacht unterwegs, um die Sicherheit eines Ministers zu gewährleisten. Es bestand die Gefahr eines Attentats auf ihn. Es sollte bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung passieren, bei der hunderte unschuldige Menschen verletzt werden könnten. Deshalb wurde die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen und neben den üblichen Antiterroreinheiten sollte auch mein Team für die Sicherheit des Politikers sorgen. Allein die Vorbereitungen für diese eine Nacht kosteten viel Zeit und Mühe. Angefangen vom Schutz vor Cyber-Angriffen bis hin zum schwer bewaffneten Undercover-Einsatz vor Ort wurde eine groß angelegte Planung mit mehreren Einheiten durchgeführt. Das hat alle Beteiligten in meinem Team viele Ressourcen und vor allem mich viele Nerven gekostet. Aber letztendlich hat sich der ganze Stress und Aufwand gelohnt, da niemand zu Schaden gekommen ist. Zu meinem Leidwesen war der ganze Einsatz jedoch reine Zeitverschwendung, denn der angekündigte Terroranschlag entpuppte sich als Finte, denn es passierte rein gar nichts. Es war einfach ein netter Abend, an dem der Politiker viele Hände schüttelte, freundlich lächelte und große Worte an sein Publikum richtete. Ein guter Zweck kam dabei heraus: 1,5 Millionen Euro für hungernde Kinder in Afrika.
So gesehen war es ein Erfolg. Aus meiner Sicht war es ein Misserfolg, weil wir bis heute keine Spur von diesen Terroristen haben. Wir suchen seit Jahren nach den Anführern dieser Organisation, aber wir finden einfach keine konkreten Hinweise auf ihren Aufenthaltsort.
Ich hob den Kopf und blickte in den Spiegel. Seit gestern Abend waren wir wieder in unserem Hauptquartier und mein Team konnte seine Energiereserven wieder auffüllen. Meine Augen waren glasig und die Erschöpfung stand mir noch ins Gesicht geschrieben, aber ich fühlte mich schon viel besser.
Ich baute mich zu meiner vollen Größe auf und zuckte zusammen, als meine rechte Schulter zu schmerzen begann. Ich drehe meinen rechten Arm und massiere meine Schulter mit der linken Hand. Ich habe mir die rechte Schulter ausgekugelt, als ich den Minister vor sehr aufdringlichen Journalisten schützen wollte. Einer dieser aufdringlichen Menschen ist direkt auf mich zugestürmt und hätte mich fast umgerannt. Der Mann war fast doppelt so groß und schwer wie ich, aber normalerweise habe ich mit solchen Typen keine Probleme. Aber in diesem Moment war ich kurz abgelenkt, weil einer meiner Teamkollegen über Funk einen Notruf abgesetzt hatte. Luke, das jüngste Mitglied meines Teams, hatte den Hinweis gegeben, dass er in der Menschenmenge einen möglichen Anführer der Terroreinheit gesehen habe. Luke verließ sofort seinen zugewiesenen Posten und folgte der Zielperson. Lucas »Luke« Hunter war erst seit einem Monat im Team und dafür bekannt, Befehle zu missachten, wenn er glaubte, im Recht zu sein. Er war jung, aber nicht unerfahren. Er hatte schon viele Missionen erfolgreich begleitet und abgeschlossen, war aber auch mehr als einmal über das Ziel hinausgeschossen. Das wusste ich von Anfang an, aber in den letzten vier Wochen konnte ich es nicht bestätigen. Bis jetzt. Luke verließ seinen Posten, gefährdete die Deckung eines anderen Teammitglieds und missachtete meinen Befehl, auf seinen Posten zurückzukehren. Als ich über Funk von unserem IT-Experten erfuhr, dass es sich nach der Gesichtserkennung und dem Abgleich mit unserer Datenbank um einen Fehlalarm handelte, konnte ich mich nicht mehr halten und stieß mit dem großen, schweren Mann vor mir zusammen. Das Ende vom Lied war, dass ich mir die Schulter auskugelte und der Mann mit einigen Blessuren von der Veranstaltung entfernt wurde. Das war sicher keine Glanzleistung von mir, aber dafür wird Luke noch einiges von mir zu hören bekommen. Ich hatte ihn nicht gleich nach dem Einsatz zu mir geholt, weil ich meinem Team erst einmal die Möglichkeit geben wollte, sich zu erholen. Alles andere konnte warten und das Gespräch mit Luke würde auf jeden Fall heute noch folgen.

Ich zog mir gerade ein schwarzes T-Shirt über den Kopf, als mein Laptop piepte. Ich schaute zum Metalltisch auf der anderen Seite des Raumes und machte mich sofort auf den Weg. Ich kannte diesen Piepton und was nun folgte, konnte nichts Gutes bedeuten. Als er näher kam, sah er den Namen des Anrufers auf dem Bildschirm und drückte eine Taste. Sofort erschien eine Frau mit blonden, leicht abstehenden Haaren und tief liegenden blauen Augen auf dem Bildschirm. »Hallo Becca, was kann ich für dich tun?«, fragte er gleich zur Begrüßung.
Auf der anderen Seite der Internet-Telefonie saß mir meine Vorgesetzte, Frau Dr. Rebecca Müller, gegenüber, von der mein Team die Aufträge erhielt. Ich kenne Rebecca seit einigen Jahren und wusste genau, dass ihr Aussehen nichts Gutes versprach. Sie schaute in die Kamera und setzte ihre Brille auf.

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