Kapitel 8

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Marcus

Seine Augen. Sie waren feucht und blutunterlaufen. Leon schaute mir direkt in die Augen und ich sah, wie er mit sich zu ringen schien. Er krallte sich mit den Händen an den Gitterstäben fest und ich hörte, wie er schwer atmete.
»Marcus... nicht du auch noch«, brachte er leise hervor. Ich horchte auf und schluckte schwer.
»Sind die anderen auch hier?«, fragte ich ihn und hoffte inständig, dass es nicht so war. Es durfte einfach nicht sein.
»Ich... ich weiß... es nicht genau. Aber ich habe vorhin eine Stimme gehört. Oder eher einen... Schrei«, stammelte Leon. Sein Blick war unruhig und er sah sich immer wieder um. Leon war total verängstigt. Ich war wirklich schockiert, ihn so zu sehen. Wer weiß, was diese Schweine mit ihm gemacht haben. Jedenfalls schienen sie keine halben Sachen zu machen.
»Ich glaube, das war Luke«, sagte Leon. Ich stöhnte auf und spürte, wie Wut in mir aufstieg. Ich rüttelte an dem Gitter und drückte meine Stirn gegen die kalten Gitterstäbe. Das konnte einfach nicht sein. Vielleicht war Sophia ihnen nicht in die Falle gegangen und konnte Bericht erstatten. Ich fühlte mich hundeelend. Ich hätte besser aufpassen müssen. Wir hätten uns mehr Zeit nehmen sollen, um mehr Informationen über das Gebiet und diese Typen zu bekommen. Einfach um besser vorbereitet zu sein und eine Situation wie diese zu vermeiden. Bis jetzt ist so etwas noch nie passiert. Wir hatten immer alles im Griff, und wenn doch mal etwas passiert war, hatten wir es klären können. Irgendetwas stimmte hier nicht. Es roch verdächtig danach, dass uns entweder jemand verraten hatte oder dass das Ganze von Anfang an geplant war. Aber wie war das möglich?
Plötzlich hörte ich einen Knall und dann schwere Schritte.
»Sie kommen«, rief mir Leon zu, gestikulierte mir ängstlich zu und verschwand dann in der Dunkelheit seiner Zelle. Was hatten diese Bestien mit ihm gemacht, dass er so eingeschüchtert und verängstigt war? Leon war immer der Vorsichtige und Zurückhaltende in meinem Team gewesen, aber er war hoch qualifiziert, stark und selbstbewusst. Jemanden wie ihn zu brechen, bedurfte schon harter Methoden. Die Schritte kamen näher. Ich zog mich in die Zelle zurück, setzte mich wieder mit dem Rücken zur Wand, blieb aber in der Nähe des Gitters. Ich wollte sehen, wer mir gleich gegenüberstehen würde, um dann zu entscheiden, wie viel Aufmerksamkeit derjenige verdiente. Dann schlug jemand mit einem Stock gegen das Gitter meiner Zelle, und kurz darauf hörte ich eine raue Männerstimme brüllen: »Aufstehen, Gesicht zur Wand und die Hände auf den Rücken!«
Im nächsten Moment hörte ich, wie die Tür meiner Zelle geöffnet wurde. Ich machte jedoch keine Anstalten, mich zu bewegen. Durch die Gitterstäbe und wegen der Dunkelheit konnte ich den Mann nur schlecht erkennen. Aber er erschien mir sehr kräftig, groß und in Leder gekleidet.
»Bist du taub? Beweg dich!«, schrie er mich an.
»Und wenn ich mich nicht bewege?«, fragte ich provozierend. Der Mann schlug mit seinem Stock gegen das Gitter, dass der Boden bebte und ein ohrenbetäubender Lärm entstand, den alle Häftlinge in diesem Gang zu spüren bekamen.
»Ich zeige es dir gleich, wenn du dich nicht auf der Stelle bewegst«, brüllte er mich an. Ich wusste nicht, was mich erwartete und ahnte, dass es nichts Gutes war. Aber es war die einzige Möglichkeit herauszufinden, was hier vor sich ging, und es war eine Chance, mein Team zu schützen, indem ich einen Deal aushandelte. Aber zuerst musste ich mir einen Überblick verschaffen. Ich entschied mich, das Risiko einzugehen und folgte den Anweisungen.
»Geht doch!«, sagte der Mann und betrat meine Zelle. Es juckte mich in den Fingern, dem Kerl sofort ins grinsende Gesicht zu schlagen, aber ich musste ruhig bleiben. Als er direkt hinter mir stand, spürte ich, wie er mir Fesseln anlegte, die mich bewegungsunfähig machten. Zumindest konnte ich meine Arme nicht mehr frei bewegen. Dann zog er ruckartig an den Fesseln und führte mich aus meiner Zelle und den Gang hinunter. Ich konnte Leon nicht sehen, aber ich spürte seinen Blick auf mir. Als ich den Gang hinunterging, wurde der Geruch von Urin und Schweiß immer stärker. Letzteres, vermischt mit Alkohol, schien auch von dem kräftigen Mann zu kommen, der mich immer wieder mit seinem Stock hart in den Rücken stieß. Ich versuchte mir ein Bild zu machen, ob es außer mir und Leon noch andere Gefangene gab. Immer wieder hörte ich leise Geräusche um mich herum und hatte das Gefühl, dass mich jemand beobachtete. Wahrscheinlich waren wir nicht die einzigen hier, die von diesen Typen überwältigt und geschlagen wurden.
Dann erreichten wir die Tür, und der Mann hinter mir trat neben mich und schlug mit der Faust gegen die Metalltür. Seine Stirn war schweißbedeckt und sein Grinsen war irgendwie ekelhaft. Der Mann hatte eine Glatze, und als sich die Tür öffnete, standen wir einem kleineren Mann gegenüber, der im Vergleich zu seinem Kollegen eher zierlich wirkte, aber eine Art Uniform trug und bewaffnet war. Der Gang, den wir nun durchquerten, war besser beleuchtet und auch die Luft kam mir sauberer vor. Wir gingen noch ein paar Minuten weiter, bis wir wieder vor einer großen Metalltür auf der rechten Seite des Ganges standen. Diesmal schloss der Mann die Tür selbst auf und ich bemerkte, dass er Schwierigkeiten hatte, den Schlüssel zu drehen. Er schien Schmerzen in der rechten Hand zu haben. Eine Information, die ich vielleicht noch brauchen könnte. Hinter der Tür befand sich ein Raum mit einem Tisch und Stühlen. Es sah aus wie eine Art Verhörraum, nur dass ich keine Spiegel an den Wänden erkennen konnte.
»Setz dich«, sagte der Glatzkopf und drängte mich in den Raum. Drohend hielt er mir seinen Stock entgegen, und als ich mich zum Stuhl bewegte, drückte er mich zu Boden, um mich zu setzen. Ohne ein weiteres Wort verließ der Mann den Raum und schloss die Tür hinter sich. Dann herrschte Stille im Raum. Als ich mich umsah, erkannte ich viele Parallelen zu den Vernehmungszimmern, die wir auch benutzen, und musste leicht schmunzeln, als mir sofort eine Erinnerung in den Sinn kam.

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