Academy of Shadows (Minsung)

Kapitel 19

Der Rest der Woche verlief ohne Zwischenfälle. Sie lernten keine neuen Lehrer kennen, und Minho ließ das mit Hannah vorerst bleiben. Jisung erfuhr außerdem, dass sie im Matheunterricht in den Lernphasen Musik über Kopfhörer hören durften, da manche sich so besser konzentrieren konnten. Er probierte es selbst auch einmal aus, und es funktionierte außerordentlich gut. Wenn man Musik hörte, dann hörte man die anderen nicht, die miteinander redeten, oder sonst was, auch wenn das nur äußerst selten vorkam. Im nu war es Samstag morgen, und zum ersten Mal in dieser Woche konnte er ausschlafen. Das erste was er tat, war auf den Wecker gucken. Es war viertelnach neun. Gähnend schlug er die Decke zurück, und bemerkte dann, das Minho auf seinem Bett lag und scheinbar noch schlief. Er erlaubte sich, einige Augenblicke lang ihn anzustarren, stand aber trotzdem auf. Zu aller erst ging Han ins Bad. Mittlerweile hatte er sich daran gewöhnt mit Minho zusammenzuwohnen, und sie benutzten sogar die gleiche Zahncreme. Das war zwar nichts großes, aber immerhin ein Anfang. Er putzte sich die Zähne, ging noch einmal kurz unter die Dusche, bevor er wieder raus ins Zimmer trat. Minho stand vor ihm. Er hatte zerzaustes Haar, und wirkte so verschlafen, dass er gar nicht anders konnte als zu lächeln. Er sah so süß aus! ,,Wie lange bist du denn schon wach", fragte er ihn. ,,Seitdem du das Wasser der Dusche angemacht hast", war Minhos Antwort darauf. ,,Und willst du dir nicht mal was anziehen?" Verwirrt blickte Han an sich hinab. Seine Hose hatte er an, doch... Mist! Er hatte seinen Pulli im Bad vergessen! ,,Ich... ähm... also...", stotterte er, gab es dann aber doch auf, floh Hals über Kopf ins Bad und schloss hinter sich die Tür ab. Mann, war das peinlich! Ein wenig verspätet wurde er rot. Schnell zog er sich seinen Pullover über, und atmete noch einmal kurz durch bevor er wieder aus dem Bad kam. Er schaute Minho bewusst nicht ins Gesicht, immer nur auf einen Punkt hinter ihm. Der schien das zu bemerken: ,,Du kannst mich ja nicht mal mehr ansehen! Komm, mir ist das doch auch schon passiert, und ich war auch nicht so!" Da hatte er auch wieder recht. Langsam gelangten seine Augen von einem seiner Lieblingsbücher zu Minhos Gesicht. Seine Haarmähne hatte sich inzwischen wieder beruhigt, und er lächelte ihn verschmitzt an. Okay, bloß nicht lächeln, dachte sich Jisung, denn wieder einmal blickte Minho so unglaublich süß drein. ,,Was sollen wir heute eigentlich machen? Wir haben nicht viel zu tun also...", versuchte er vom Thema abzulenken. Minho machte ein überlegendes Gesicht und machte dann einen Vorschlag: ,,Du könntest mir doch etwas auf deiner Gitarre vorspielen. Ich hab dich dabei noch nie gehört." ,,N-Nein, dass geht nicht, ich bin nicht sonderlich gut", versuchte er den Vorschlag abzulehnen, doch Minho redete dagegen: ,,Och bitte! Selbst wenn du nicht gut bist kannst du mir doch trotzdem was vorspielen oder nicht? Ich würde dich so gern mal hören!" Dann fiel der Groschen. Es war hoffnungslos, zu versuchen, ihn davon abzubringen immer weiter zu betteln. ,,Okay... Aber nur das Stück was ich gerade übe!" Minho freute sich riesig darüber und kurz darauf saßen sie auf seinem Bett, er selbst mit seiner Gitarre und dem Notenheft noch dazu. In seinem Inneren schrie gerade alles: ,,Was mache ich hier?", ,,Bin ich verrückt dass ich das mache?" und ,,Ich kann das nicht!", doch er versuchte nicht auf seine kleinen Dämonen zu achten. Stattdessen besann er sich auf die gute Sache: Minho würde ihn nicht auslachen, selbst, wenn er sich richtig verspielte. Wahrscheinlich würde er es nicht einmal hören, das Stück war nicht allzu bekannt. Er atmete noch einmal durch, schloss die Augen und nahm all seinen Mut in die Hand. Er würde das jetzt durchziehen, das hatte er sich geschworen. Und dann fing er an zu spielen. Wie durch ein Wunder verspielte er sich kein einziges Mal, nicht einmal bei dem schwersten Teil des Stückes. Er hielt den Blick auf die Noten vor sich auf dem Bett gerichtet, auch wenn er sich  gar nicht mehr wirklich brauchte. Sobald er fertig war schaute er wieder nach oben. Minho starrte ihn mit offenem Mund an. Er schien gar nicht glauben zu können was er soeben gehört hatte. War das nun etwas Gutes, oder eher etwas Schlechtes? ,,Wow!", kam es von Minho. Anscheinend war er zu mehr nicht mehr in der Lage. Sofort versuchte Han ihn zu beruhigen: ,,Ich sage ja ich bin nicht gut! Weißt du was, vergiss es! Vergiss, das ich dir das gerade vorgespielt habe, vergiss..." Weiter kam er nicht, denn Minho unterbrach ihn: ,,Das war... großartig! Seit wann spielst du Gitarre? Du bist wirklich mega gut! Ist das das einzige Stück was du kannst? Wenn nicht, kann ich dann die anderen auch noch hören?" Er sah aus, als würde er gleich in Flammen aufgehen, so wie seine Augen strahlten. Sichtlich überrascht von dieser Antwort gab er ein leises ,,Oh..." von sich und erwiderte dann: ,,Ich kann tatsächlich noch mehr als dieses eine. Wäre sonst ja auch komisch, ich spiele Gitarre seit ich sieben bin. Schon sieben Jahre, also die Hälfte meines Lebens. Soll ich dir noch eins vorspielen?" Minho nickte heftig, und er stimmte seine Gitarre neu, denn das nächste Lied war weitaus höher als das letzte. Noch einmal tief durchatmen, und es ging los. Er verspielte sich wieder nicht, und nach und nach wurde er selbstbewusster. Nahezu eine Stunde lang saß er da, und spielte Gitarre, während Minho ihm mit offenem Mund zuhörte. ,,Okay, mehr Lieder kann ich wirklich nicht", sagte Jisung wahrheitsgemäß, und selbst wenn es doch so gewesen wäre, seine Finger taten mittlerweile ziemlich weh, und er hätte es so oder so nicht mehr gespielt. Da fing Minho an zu klatschen. Er applaudierte ihm! gerührt richtete er seinen Blick auf den Boden neben dem Bett. ,,Du, Jisung! Du musst auch den anderen Mal was vorspielen. Keiner von uns kann irgendein Instrument spielen. Aber du bist spektakulär! Wie machst du das? Wie auch immer, die anderen müssen das auch hören", redete er auf ihn ein, noch bevor er fertig war mit applaudieren. Er wusste nicht genau wieso, doch in diesem Moment wurde er selbstbewusster, und stimmte zu. Er würde vor den anderen spielen, heute noch.